Geringeres Gewicht, bessere Aerodynamik und mehr Komfort – das alles verspricht MERIDA für das neue SCULTURA V TEAM im Vergleich zum Vorgängermodell. Schlägt sich dieser goldene Performance-Dreiklang auch in den Fahreigenschaften des Bikes nieder? Wir hatten das brandneue MERIDA SCULTURA V TEAM bereits im Test.
Das MERIDA SCULTURA TEAM wurde erstmals im Jahr 2006 vorgestellt und ist seit seiner Einführung das Kletter-Bike im Portfolio der taiwanesischen Bike-Schmiede mit Entwicklung in Deutschland. In seinem klassischen Rahmen vereinte es bis zu seiner letzten Generation ein geringes Gewicht, gute Dämpfungseigenschaften und Agilität auf hohem Niveau.
Diese Attribute sollten auch für die neueste Generation des Race-Bikes erhalten bleiben. Die Bedeutung der Aerodynamik ist den Ingenieuren bei MERIDA jedoch bewusst und so sollte der Mixtur noch eine ordentliche Portion Windschlüpfrigkeit beigemischt werden. Der Wunsch nach einer besseren Aerodynamik ist auch verantwortlich für zwei optische Updates, die das SCULTURA V TEAM klar von seinem Vorgänger unterscheiden: nach unten abgesenkte Sitzstreben und ein einteiliges Aero-Cockpit mit vollintegrierter Kabelführung. Obwohl die klassische Rahmenform damit passé ist, bleibt das Bike ein schlanker Sportler mit klarer Linienführung, der einem breiten Publikum gefallen dürfte und den Zeitgeist moderner Speed-Allrounder trifft. Apropos Speed-Allrounder: Für unsere aktuelle GRAN FONDO Issue #018 (zur Ausgabe) haben wir 5 der schnellsten Bikes des Pelotons gegeneinander antreten lassen.
Neben den abgesenkten Sitzstreben hat sich das SCULTURA V TEAM auch im Frontbereich ein Beispiel an seiner Aero-Schwester, dem MERIDA REACTO (zum Test), genommen. So wurde der Bereich um Gabel und Steuerrohr schlanker gestaltet. Als Ergebnis der Aero-Optimierung sollen 10 W oder 4,2 % weniger Leistung nötig sein, um das Bike auf 45 km/h zu halten – natürlich bei einer isolierten Betrachtung, die von absoluter Windstille und einer topfebenen Straße ausgeht. Trotz der Aero-Formen soll der Rahmen in Größe M 4,4 % seines Gewichts verloren haben und nun nur noch 822 g wiegen. Im Rennsport können solche Verbesserungen den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage machen. Damit haben sie mit Sicherheit ihren Anteil an den Rennsiegen, die das Team Bahrain-Victorious auf dem MERIDA SCULTURA V TEAM bereits vor der Präsentation in der WorldTour eingefahren hat: zwei beim Critérium du Dauphiné und je einen bei der Tour de France und der Vuelta a España. Für alle, die nicht für Geld in die Pedale treten, sind die Verbesserungen eher marginal – unsereins freut sich eher über die saubere und moderne Optik durch die innenverlegten Kabel. Den Fokus auf mehr Komfort werden Profis und Freizeit-Pedaleure gleichermaßen zu schätzen wissen. Für mehr Flex an der Sattelstütze haben die MERIDA-Ingenieure das Sitzrohr um 40 mm gekürzt und die Klemmung der Sattelstütze integriert. Das sieht zwar gut aus und sorgt tatsächlich für zusätzlichen Komfort, die Schraube der Klemmung liegt allerdings sehr nah an der Sattelstütze und ist mit einem Drehmomentschlüssel schwierig zu erreichen. Unser Test-Bike in Größe M bringt schlanke 6,93 kg auf die Waage und kostet inklusive der brandneuen Shimano DURA-ACE Di2 9200 (zum Test) 9.999 €. Weitere Ausstattungsvarianten des Bikes werden Anfang nächsten Jahres folgen.
Die Ausstattung des neuen MERIDA SCULTURA V TEAM
Das auffälligste Ausstattungsmerkmal des neuen MERIDA SCULTURA V TEAM ist zweifelsfrei die brandneue Top-Gruppe Shimano DURA-ACE Di2 R9200. Beim MERIDA Allround-Racer kommt sie mit einem 52/36 T-Kettenblatt und einer 11–30 T-Kassette. Ebenfalls dazu gehören 160-mm-Scheibenbremsen an Front und Heck. Damit schaltet das MERIDA SCULTURA V TEAM blitzschnell und präzise selbst unter Last und hat beim Bremsen massive Reserven. Da auch ein Powermeter serienmäßig an Bord ist, bleiben keine Wünsche offen. Ein weiteres Highlight bei der Ausstattung des Bikes ist das von MERIDA selbst entwickelte TEAM SL 1P-Cockpit, das es mit Vorbaulängen zwischen 90 mm und 120 mm und Lenkerbreiten von 400 mm bis 440 mm gibt.
Das Cockpit sieht elegant aus und fügt sich als eine der schlanksten One-Piece-Lösungen auf dem Markt nahtlos in das Gesamtbild des Bikes ein. Die verfügbaren Cockpit-Optionen sind aber etwas begrenzt und es ist beispielsweise kein überlanger Vorbau verfügbar, mit dessen Hilfe ihr eine Rahmengröße kleiner wählen könntet. Das SCULTURA V TEAM rollt auf 28 mm breiten Continental Grand Prix 5000-Reifen, die auf Vision Metron 45 SL Clincher TL Disc-Laufräder aufgezogen sind. Ihr könnt das Bike also auch tubeless ausstatten und dabei bis zu 30 mm breite Reifen benutzen – so viel Reifenfreiheit gibt MERIDA an und das scheint mehr als realistisch zu sein. Die Conti-Reifen im Format 700 x 28C fallen auf der Felge mit 21 mm Innenmaulweite schon knapp 30 mm breit aus und es ist trotzdem noch ordentlich Luft zum Rahmen übrig.
MERIDA SCULTURA V TEAM 2022
9.999 €
Ausstattung
Bremsen Shimano DURA-ACE Di2 BR-R9270 160/160 mm
Schaltung Shimano DURA-ACE Di2 R9200 2 x 12
Kettenblatt 52/36
Vorbau MERIDA TEAM SL 1P 110 mm
Lenker MERIDA TEAM SL 1P 420 mm
Laufräder Vision Metron 45 SL Clincher TL Disc 12 x 100/12 x 142 mm
Reifen Continental Grand Prix 5000 700 x 28C
Kassette Shimano CS-R9200 11–30
Technische Daten
Größe XXS XS S M L XL
Gewicht 6.93 kg in size M
Die Geometrie des neuen Allround-Race-Bikes von MERIDA
Die Geometrie des MERIDA SCULTURA V TEAM ist identisch mit der des Aero-Schwestermodells REACTO. So wollen die Entwickler sicherstellen, dass man beide Bikes exakt gleich auf einen Fahrer einstellen kann. Das ist besonders für Profis von Vorteil, die je nach Streckenprofil zwischen den beiden Bikes wechseln. MERIDA fährt also anders als andere Hersteller weiterhin eine Zwei-Bike-Politik und wird mit dem REACTO auch weiterhin ein reines Aero-Bike im Portfolio haben – das übrigens mit den höheren 60-mm-Laufrädern noch mal gute 17 W weniger Leistung benötigt, um die 45 km/h zu halten, als das neue SCULTURA V TEAM. Solltet ihr planen, euch zusätzlich zu eurem bereits vorhandenen REACTO noch das neue SCULTURA V TEAM zu kaufen, ist die gleiche Geometrie natürlich auch für euch ein Vorteil, da ihr eure Sitzposition einfach übertragen könnt. Unser Testfahrer mit einer Größe von 185 cm konnte auf dem Test-Bike in Größe M, das mit einer Lenkerbreite von 420 mm und einer Vorbaulänge von 110 mm ausgestattet war, eine sportlich tiefe Sitzposition finden. Dabei war er kompakt im Rad integriert anstatt überstreckt auf dem Bike zu sitzen. Alle Geometriedaten zum neuen MERIDA SCULTURA V TEAM findet ihr in der Tabelle.
Größe | XXS | XS | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 480 mm | 500 mm | 520 mm | 540 mm | 560 mm | 590 mm |
Oberrohr | 520 mm | 536 mm | 545 mm | 560 mm | 575 mm | 590 mm |
Steuerrohr | 105 mm | 112 mm | 128 mm | 140 mm | 155 mm | 176 mm |
Lenkwinkel | 70,5° | 72,0° | 72,5° | 73,5° | 73,5° | 74,0° |
Sitzwinkel | 74,5° | 74,0° | 74,0° | 73,5° | 73,0° | 73,0° |
Kettenstrebe | 408 mm | 408 mm | 408 mm | 408 mm | 408 mm | 408 mm |
Tretlagerabsenkung | 70 mm | 70 mm | 66 mm | 66 mm | 66 mm | 66 mm |
Radstand | 985 mm | 983 mm | 990 mm | 990 mm | 999 mm | 1.010 mm |
Reach | 377 mm | 384 mm | 390 mm | 395 mm | 400 mm | 409 mm |
Stack | 517 mm | 529 mm | 542 mm | 557 mm | 571 mm | 593 mm |
Das MERIDA SCULTURA V TEAM im Test
Die ersten Meter auf einem neuen Bike sind immer die spannendsten und vermitteln den ersten Eindruck. Und diese ersten Meter auf dem MERIDA SCULTURA V TEAM sorgen vor allem für einen Aha-Effekt in Sachen Komfort! Das Zusammenspiel aus den dämpfenden Eigenschaften der voluminösen Conti-Reifen, des Rahmensets sowie von Cockpit und Sattelstütze entschärft selbst grobe Schläge spürbar. Besonders die Sattelstütze sorgt für ordentlich Compliance am Heck, die bei einem Race-Bike dieser Kategorie nicht selbstverständlich ist. Beim Handling gibt sich das Bike ebenfalls keine Blöße: Es pendelt sich ausgewogen zwischen Laufruhe und Agilität ein, besitzt dabei einen ruhigen Geradeauslauf, ohne nervös zu sein. Das SCULTURA V TEAM verzichtet auf aggressive Direktheit, lenkt aber trotzdem sehr willig ein und folgt dann präzise der gewählten Linie – selbst bei schnell gefahrenen Kurven. Damit schafft das Bike den Spagat zwischen der von Profis geschätzten und erwarteten Agilität und der intuitiven Gutmütigkeit, die auch Race-Bike-Neulinge nicht komplett überfordert. Durch den guten Dämpfungskomfort kann man auch mal entspannt mit dem MERIDA SCULTURA V TEAM dahin rollen. Die sportive Sitzposition fordert euch aber meistens heraus, ordentlich in die Pedale zu treten. Sobald ihr das tut, fühlt sich das Bike am wohlsten. Durch sein geringes Gewicht beschleunigt es aus jeder Lage heraus sehr willig und klettert sogar leichtfüßig bergauf.
Um jedoch selbst an langen und steilen Bergen mit der Übersetzung aus 52/36 T-Kettenblatt und 11–30 T-Kassette zurechtzukommen, braucht ihr schon etwas Saft in den Beinen. Auf der Ebene und bergab macht sich die verbesserte Aerodynamik des SCULTURA V TEAM bemerkbar: Das Bike hält hohe Geschwindigkeiten effizient und so könnt ihr hier ordentlich Strecke machen. Beim Thema Sicherheit gibt es beim MERIDA SCULTURA V TEAM nichts zu beanstanden. Mit den 28 mm breiten Continental GP 5000-Reifen produziert es sogar bei Nässe ausreichend Grip und sorgt so für viel Vertrauen in Kurven und beim Bremsen. Die Compliance des Bikes trägt selbst auf ruppigen Straßen zu einem ruhigen Fahrverhalten bei, was der Sicherheit zuträglich ist. Einzig die Bremsen der neuen Shimano DURA-ACE Di2 9200-Gruppe verlangen etwas Eingewöhnung. Hat man sich auf das etwas synthetische Gefühl an den Bremshebeln und das späte Greifen der Bremse in der Standardeinstellung eingestellt, überzeugt sie aber mit massiver Bremspower und feiner Dosierbarkeit – sogar auf langen und steilen Abfahrten. Hier macht es Sinn, die vorhandenen Einstellmöglichkeiten der Bremse zu nutzen.
Unser Fazit zum MERIDA SCULTURA V TEAM
MERIDA hat beim neuen SCULTURA V TEAM an den richtigen Stellschrauben gedreht und bringt ein Bike an den Start, das mit absoluter Race-Performance glänzt, ohne den Komfort dabei auf der Strecke zu lassen. Dadurch wird es zu einer echten Waffe im Kampf um Rennsiege. Trotzdem spricht es auch Jedermänner und -frauen an, die gerne aufs Gas drücken wollen, ohne sich den Rücken zu zerstören. Noch mehr Komfort findet man nur bei echten Allroad-Bikes.
Tops
- hoher Komfort für ein Race-Bike
- Speed in jeder Lebenslage
- tolle Optik mit kompletter Integration
- Schalt- und Bremsperformance
- viel Platz, auch für Reifen im Format 700 x 30C
Flops
- Positionierung der Schraube für die Sattelstützklemmung
- eingeschränkte Cockpit-Optionen
- Aerodynamik nicht auf REACTO-Level
Mehr Informationen findet ihr unter merida-bikes.com
Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als GRAN FONDO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die New-Road-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!
Text: Fotos: Benjamin Topf