MAHLE SmartBike Systems hat den neuen X30-E-Bike-Nabenmotor vorgestellt. Der kleine Bruder des X20 setzt auf Software und Ökosystem des Topmodells und kombiniert das mit einer robusten Bauweise und vielseitiger Einsetzbarkeit für eine breite Palette an Bikes: von Gravel und Road bis Kids und Urban. Dafür wurde das Drehmoment reduziert und die Komplexität verringert, während die Vernetzung gleich hoch bleibt. Alle Infos dazu gibt’s hier.
MAHLE SmartBike Systems ist ein innovatives Unternehmen, das sich auf die Entwicklung und Erprobung fortschrittlicher E-Bike-Antriebe spezialisiert hat. Der Stuttgarter Automobilzulieferer und Mutterkonzern MAHLE hat 2018 das Unternehmen Ebikemotion samt Expertise und Mitarbeitern übernommen und in SmartBike Systems umgewandelt. Der Hauptsitz ist dabei im charmanten Palencia in Nordspanien geblieben. Dort vereint MAHLE moderne Technologie mit umfassender Ingenieurskunst, um E-Bike-Antriebe zu entwickeln, die aus einem großen Datenpool Information schöpfen und davon profitieren.
E-Bike-Entwicklung im Exil – Was MAHLE im spanischen Palencia macht
In Palencia arbeitet ein engagiertes Team von rund 50 Fachleuten in Forschung, Entwicklung und Erprobung. Essenziell – vor allem fürs Testing der neuen E-Bike-Motoren – sind die selbst entwickelten Prüfstände, die es MAHLE ermöglichen, Antriebe unter realistischen, aber auch unter Extrembedingungen zu testen. Die umfangreichen Prüfstände in Palencia umfassen Simulationen verschiedener Szenarien.
In speziell ausgestatteten Kammern werden die E-Bike-Systeme unterschiedlichen externen Einflüssen wie Hitze, Kälte und Feuchtigkeit ausgesetzt, um Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit in jeder erdenklichen Situation zu gewährleisten. Diese sorgfältigen und materialermüdenden Tests stellen sicher, dass die von MAHLE entwickelten E-Bike-Antriebe robust und langlebig sind. Aber nicht nur im Labor unter Neonröhrenlicht werden die neuen Antriebssysteme getestet, Palencia ist auch für umfangreiche Outdoor-Tests in unterschiedlichstem Gelände ideal gelegen.
Der neue MAHLE X30 im Detail
Mit dem neuen X30 stellt MAHLE lediglich eine neue Hardware vor, die ins Ökosystem und die Peripherie des bekannten MAHLE X20-Motors eingebettet wird und mit allen Teilen kompatibel ist. Der X30 löst damit die Vorgänger X35 und X35+ ab, die vorwiegend in schlanken City-E-Bikes und unauffällig motorisierten Gravel-Bikes zum Einsatz kamen. Die Vorgänger waren indes noch nicht mit MAHLEs neuester Software, Sensor- sowie UI-Peripherie kompatibel. Das heißt, App, Display, Lenkerremote, E-Shifter und vor allem der Drehmoment-Sensor im Tretlager des fortschrittlichen X20 passen jetzt endlich auch zum neuen X30-Motor. Vor allem letzteres soll für ein natürliches Fahrgefühl und Motor-Ansprechverhalten sorgen, was bei den Vorgängern oft bemängelt wurde. Abgesehen von der Kompatibilität sind die Eckdaten des X30 nicht ganz so revolutionär im Vergleich zum 2022 vorgestellten MAHLE X20:
MAHLE X20 | MAHLE X30 | |
---|---|---|
Spitzenleistung | 250 W | 250 W |
Drehmoment | 55 Nm | 45 Nm |
Motorgewicht | 1,4 kg | 1,9 kg |
Systemgewicht | rund 3 kg | rund 3,5 kg |
Durchmesser | 112 mm | 121 mm |
Integrierter Akku | 236 oder 350 Wh | 236 oder 350 Wh |
Range-Extender | 171 Wh | 171 Wh |
Stecker zum Motor | integriert in Hinternabe | extern per Kabel |
Kompatibilität | X20-Komponenten | X20-Komponenten |
Sensoren | PAS, Torque & Cadence | PAS, Torque & Cadence |
Der Motor ist größer, schwerer und schwächer, was allerdings einen Grund hat:
MAHLE hat die Komplexität des Innenlebens deutlich reduziert und somit Haltbarkeit und Servicebarkeit erhöht. Gleichzeitig soll der X30-Motor leiser laufen, zudem haben sicher auch die Produktionskosten eine Rolle gespielt. Die Integration am Hinterrad gelingt durch das nur rund 1 cm größere Gehäuse gut, aber der Steckverbinder per Kabel ist nicht ganz so clean gelöst wie der ins Ausfallende integrierte AMC (Automatic Motor Connection)-Stecker am X20.
Die Sensoren, Unterstützungsstufen und App-Funktionen
PAS- & Drehmoment-Sensor: Zwei Möglichkeiten mit dem MAHLE X30-Motor
Moderne E-Bike-Motoren setzen in der Regel auf einen Pedal-Assist-Sensor (PAS) und einen Drehmoment-Sensor. Der PAS-Sensor detektiert dabei nur, ob sich die Kurbel dreht, während der Drehmoment-Sensor auch messen kann, wie stark man in die Pedale tritt. Sind beide Sensoren verbaut, ist ein sehr natürliches Unterstützungsgefühl des Motors möglich, da die Software weiß, wann man im Sprint ist und wenn man gerade nur so vor sich hinpedaliert. Ist hingegen lediglich ein PAS-Sensor verbaut, kann vor allem in hohen Unterstützungsmodi das Gefühl auftreten, dass man nur die Füße in die Pedale fallen lässt, und schon volle Kraft vorangeschoben wird. Beim MAHLE X30-Motor können die Bike-Hersteller selbst entscheiden, ob sie beide Sensoren oder nur den PAS-Sensor verbauen möchten. Außerdem ist es den Herstellern möglich, das „Motor Mapping“ – also das Kennfeld zum Ansprechverhalten – in Zusammenarbeit mit MAHLE entsprechend dem jeweiligen Bike und Einsatzgebiet anzupassen und zu optimieren.
Die verschiedenen Unterstützungsstufen des neuen MAHLE X30
Da der neue MAHLE X30 ins Ökosystem des X20 eingebettet wird, verfügt dieser in Zukunft auch über die gleichen Unterstützungsstufen wie der X20. Nämlich Grün, Orange und Lila. Diese unterstützen mit 25, 50 oder bis zu 200 % der Leistung, die der Fahrer aufbringt. Dazu kommt noch der ominöse blaue Modus. Das ist der Smart Assist-Modus, welcher sich adaptiv an den Rider anpasst und durch eine Vielzahl von Sensoren und Parametern die optimale Unterstützungsintensität errechnet. Dabei greift das System unter anderem auf die Steigung durch Neigungssensoren, auf Geschwindigkeit und Geschwindigkeitsänderung, auf die Watt des Fahrers, das Fahrergewicht und die Trittfrequenz zurück und kalkuliert so die bestmögliche Motor-Unterstützung. Falls sich der Hersteller gegen den Drehmoment-Sensor entscheidet, ist dieser Modus nicht verfügbar. Um den Smart Assist-Modus zu nutzen, ist außerdem eine aktive Verbindung zum Smartphone per MAHLE SmartBike App notwendig. Die Berechnung des smarten Modus findet ebenfalls – dezentral – auf dem Smartphone statt.
Die Funktionen der MAHLE SmartBike App
Über die MAHLE SmartBike App könnt ihr nicht nur eure Rides aufzeichnen und direkt auf Strava hochladen, sondern auch die einzelnen Farhmodi feinjustieren. Die drei Einstellparameter sind:
- Peak Power: Maximale Systemleistung der Unterstützung
- Reactivity: Art und Geschwindigkeit, in der die Unterstützung einsetzt
- Acceleration: Progressive Zunahme der maximalen Leistung
Zudem kann das System mit einem Puls-Sensor gekoppelt und die Motorunterstützung davon abhängig gemacht werden. Hierfür gebt ihr entweder einen oberen Grenzwert für euren Puls oder einen Bereich ein, innerhalb dessen euer Puls gehalten werden soll. Steigt euer Puls in Richtung des Grenzwerts, wird auch die Motorunterstützung gesteigert, um die Anstrengung und damit die Herzfrequenz zu verringern.
Die Launch-Partner des neuen MAHLE X30-Nabenmotors
Zum Start des X30 hat sich MAHLE drei starke Partner an Land gezogen: Husqvarna im Kids-Bike-Segment, STEVENS für urbane Bikes und die Italiener von Bianchi, die die elektrisierten Road-Bikes repräsentieren.
Der Testeindruck des vielseitigen MAHLE X30-Hinterradnabenmotors
Wir hatten die Möglichkeit, den neuen MAHLE X30-Motor in Spanien im E-Road-Bike von Bianchi, in einem ungebrandeten Gravel-Bike sowie im STEVENS-City-E-Bike zu testen.
Der vielseitige MAHLE X30-Motor fügt sich in alle drei Bikes gut ein und macht keine auffällig ausladende Silhouette, wie es bei Mittelmotoren oft der Fall ist. Auch in Sachen Lautstärke verhält sich der X30 unauffällig: Selbst im langsamen Uphill, wo die Umgebungsgeräusche lauter sind als das Pfeifen des Fahrtwinds, ist der elektrische Helfer im Hinterrad kaum auszumachen. Durch das größere Gehäuse und den weniger komplexen Aufbau konnte laut MAHLE die Lautstärke minimieren werden. Das fällt auf: Verglichen mit dem stärkeren X20 klingt der X30 noch unaufdringlicher.
Ebenfalls weniger aufdringlich als beim starken Bruder X20 ist der Support bergauf. Besonders unter 12 km/h – also die Geschwindigkeit, die im Uphill vor allem abseits befestigter Straßen eine besonders große Rolle spielt – fällt das geringere Drehmoment von nur 45 Nm auf. Fährt man vorwiegend Straße, wie bei Road- und Urban-Bikes, ist der Rückenwind immer noch absolut ausreichend und angenehm. Wohingegen die geringe Power auf groben Schotterpisten mit dem Gravel-Bike schon mehr ins Gewicht fällt. Hier muss man sich an steilen Rampen schon selbst ins Zeug legen, um den X30 aus dem Drehzahlkeller zu bekommen – selbst wenn die höchste Unterstützungsstufe anliegt.
Auf der Ebene funktioniert der X30, ohne Anstalten zu machen. Die Entfaltung der Motorpower fühlt sich je nach Modus natürlich an, wenn auch nicht so „punshy“ wie der stärkere X20. Vor allem im Smart Assist-Modus hat uns das Fahrgefühl überzeugt. Hierfür muss das Bike initial mit dem Smartphone gekoppelt und die gewünschte Intensität vorgegeben werden. Dann kann’s losgehen: Mit einer Intensität von 40 % hat sich der Motor auf dem Bianchi am natürlichsten angefühlt und man möchte den smarten Modus danach nicht mehr missen. Dieser „Set and Forget“-Ansatz passt auch zum unbehelligten Fahren in der City sehr gut, also perfekt für den urbanen Einsatz. Überschreitet man die 25-km/h-Grenze, fädelt der Motor – abgesehen vom stärksten Fahrmodus – geschmeidig und kaum spürbar aus. In Stufe 3 merkt man am ehesten, wenn der E-Bike-Nabenmotor nicht mehr mithilft. Das Bike lässt sich dann auch jenseits der 25er-Marke fahren wie ein analoges Rad – das Gefühl, gegen erhöhten Widerstand zu treten, bleibt, entgegen mancher Mittelmotoren, komplett aus.
Gehts bergab, begeistert die ausgeglichene Gewichtsverteilung des MAHLE X30. Auf dem Bianchi lässt sich die Abfahrt gewohnt sportlich gestalten – von einem nachlaufenden Hinterrad oder ungewohntem Abklappen ist nichts zu spüren. Auf dem Gravel ist bei holprigen Abfahrten die höhere Masse am Hinterrad durch etwas geringere Traktion zu spüren. Durch die höhere Massenträgheit sucht der Hinterreifen nicht mehr so spontan Bodenkontakt, sobald es sehr unwegsam, holprig und schnell wird.
Das Kids-Bike konnten wir zwar – körperlich bedingt – nicht dezidiert testen, aber die Annahme liegt nahe, dass die geringere Power gerade leichteren Piloten mehr als genügt. Ebenso verhält es sich mit der Batterie-Effizienz, wodurch der kleinere 236-Wh-Akku ausreichend ist. Das wird auch dem Gewicht und vor allem der Integration in kleinen Rahmen zuträglich.
Für wen ist der neue MAHLE X30-Motor am besten geeignet?
Der MAHLE X30 ist ein echter Tausendsassa. Egal ob Kids-, Gravel-, Road- oder Urban-Bike. Er macht bei allen Einsatzzwecken eine gute Figur und lässt eine sehr schlanke, unauffällige Silhouette und Linienführung zu. Die geringere Power im Vergleich zum X20 fällt in den meisten Szenarien nicht negativ auf, nur schwere Fahrer auf sehr steilen Gravel-Uphills dürften sich nach etwas mehr Rückenwind sehnen. Die geringe Lautstärke und der smarte Modus tun dem neuen X30-E-Bike-Nabenmotor sehr gut. Vor allem letzterer sorgt für ein sehr intuitives, natürliches Fahrverhalten – Drehmoment-Sensor sei Dank. Will man besonders natürlich unterwegs sein, fehlt es quasi nie an Motor-Power. Einzig im Gravel-Segment muss man leichte Abstriche beim Fahrverhalten in Kauf nehmen.
Das Fazit zum neuen MAHLE X30-Hinterradnabenmotor
Der neue MAHLE X30 kommt abgespeckt in der Leistung, aber größer in Sachen Proportion. Dennoch gelingt eine unauffällige Integration in jegliche Bikes, die gesunkene Komplexität kommt wohl der Haltbarkeit entgegen. Zudem profitiert der X30 von der smarten Vernetzung und Flexibilität innerhalb des MAHLE X20-Umfelds. Dabei begeistert vor allem der Smart Assist-Modus, der aber – Achtung – nur für Bikes mit Drehmoment-Sensor verfügbar ist.
Tops
- sehr leise
- umfangreiche Software und App-Peripherie
- schlanke Integrationsmöglichkeiten
Flops
- höheres Gewicht als der X20
- fehlendes Drehmoment in niedrigen Geschwindigkeiten
- Steckerlösung am Hinterrad nicht so easy wie die AMC-Lösung am X20
Mehr Infos unter mahle-smartbike.com
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Text: Julian Schwede Fotos: Jan Richter, MAHLE