Reykjavik, Island. Der perfekte Ort für die Entstehung eines der polarisierendsten Gravelbikes, die es derzeit auf dem Markt gibt: des Lauf True Grit. Für 4.410 € bekommt man einen wahrlich einzigartigen Gravelracer. Aber ist „einzigartig“ im Alltag auch wirklich überzeugend?

Lauf True Grit | 8,12 kg (Gr. L) | 4.410 €

Das Lauf True Grit im Detail

Kaum ein Rad, kaum eine Gabel spaltet die Meinungen so wie das Carbonfeder-System der Isländer. Während einiger Events ernteten wir außer interessierten Blicken auch Fragen wie: „Ist das da eine Bremse?“ „Was ist denn das da vorne an der Gabel?“ „Was kann das?“ Über die Frage mit der Bremse staunten auch wir nicht schlecht: Nein, das ist wirklich nur die Gabel, aber das Konzept sieht offensichtlich für manche wirklich außerirdisch aus. Kaum verwunderlich scheint es daher, dass die Gabel aus einem Land kommt, das mit Vulkanen, Geysiren, Thermalquellen und Lavafeldern auch ein wenig außerirdisch wirkt. Das True Grit Race Edition ist, wie ein 4×4-Geländewagen, bestens für die Landschaft rund um die nördlichste Hauptstadt der Welt geeignet. Lediglich 8,12 kg wiegt die Race Edition in Größe Medium Long, was man aufgrund der Menge des Materials vorne an der Gabel nicht erwarten würde.

„Beers or Gears“ – das Konzept dahinter muss man an dieser Stelle wohl nicht weiter erläutern
Schön clean: Das vordere Rahmendreieck besteht aus einem Guss.
Just Ride!

Beim Cockpit setzt Lauf auf die neusten Easton Gravel-Komponenten: einen EC70 AX-Carbonlenker mit großem Flare von 410 mm auf den Tops und 490 mm in den Drops sowie einen Aluminium EC70 SL-Vorbau. Die formschöne EC90 SL-Kurbel ist ebenfalls von Easton und kommt mit 42er-Kettenblatt. Geschaltet und gebremst wird mit der SRAM Force 1, wobei jeder für sich die Gretchenfrage beantworten muss: „Beers or Gears“? Entweder ihr behaltet den Flaschenöffner oder ihr könnt eine 2-fach-SRAM eTap-Gruppe montieren.Und wer Bier öffnen, aber auch einen eTap-Umwerfer haben möchte, muss das mit dem Bier auf traditionelle Weise lösen: Lass das Cleat am Schuh die Arbeit erledigen.

Dass Bremsscheibe und Kassette ähnlich groß sind, kommt eher selten vor

Am Heck verrichtet eine untertellergroße SRAM-Kassette mit 10–42 Zähnen ihren Dienst. Das sorgt zwar für eine große Bandbreite an Gängen, die Sprünge zwischen den einzelnen Gängen sind dadurch aber größer. Das vordere Dreieck des Rahmens ist aus einem Stück gefertigt, was nicht nur der Stabilität, sondern auch dem Gewicht zugutekommen soll. Der aufmerksame Beobachter wird sein Augenmerk aber zuerst auf eine andere Stelle richten: die True Grit Carbon-Blattfedergabel. Sie schafft ganze 30 mm Travel und soll für den maximalen Komfort auf langen, unebenen Strecken sorgen.

Insgesamt ist das ganze Lauf True Grit sehr hochwertig und sauber verarbeitet. Von den Kabeleingängen bis hin zu den Mounts für die dritte Trinkflasche unter dem Unterrohr: Alles ist sehr clean und schön integriert. Für etwas Komfort am Heck sorgt neben der FSA SL-K Carbon-Sattelstütze mit 27,2 mm auch der WTB Volt Pro-Sattel. Beide schaffen aber – im Vergleich zur Gabel – unzureichende Compliance. Das Lauf läuft auf DT Swiss XR1501-Laufrädern, die in Kombination mit den MAXXIS Rambler 40C-Reifen das Setup abrunden.

Erster Fahreindruck

Lauf? Läuft! Das True Grit Race Edition ist das, was es verspricht zu sein: ein renntaugliches Gravelbike. Wenn man sich auf das Lauf setzt, geht es konsequent und effektiv nach vorne, was zum einen dem steifen Tretlager und zum anderen dem niedrigen Gewicht zuzuschreiben ist. Sobald man die Reisegeschwindigkeit erreicht hat, fällt es auch erstaunlich leicht, sie zu halten. Die Federgabel bügelt einfach über kleinere Unebenheiten hinweg, lediglich Wurzeln und ähnlich große Hindernisse verringern die Geschwindigkeit und erfordern Spurkorrekturen.

Dabei arbeitet die Gabel keineswegs wie eine herkömmliche Federgabel. Sie dämpft zwar effektiv, aber federt nicht komplett ein – man spürt trotzdem den Untergrund. Die Geometrie des Lauf True Grit ist gestreckt und rennorientiert, designt für lange Strecken bei höheren Geschwindigkeiten. Das macht sich im Radstand bemerkbar: Der beträgt 1.042 mm. Zum Vergleich: Das OPEN U.P. hat in der Größe Medium einen Radstand von 1.008 mm. Dieser ungewöhnlich lange Radstand und der sehr flache Lenkwinkel der Gabel von 47° führen dazu, dass das Bike untersteuert hat, wenn unsere Tester auf Trails mit losem Untergrund schärfere Kurven nehmen wollten. Insgesamt ist die „Shreddability“ des Lauf auf flowigen Trails bergab gegeben, allerdings macht sich die lange Gabel negativ bei kurzen, steilen Anstiegen im Gelände bemerkbar: Man bekommt dann nicht genug Gewicht auf das Vorderrad. Dadurch hatten unsere Tester bergauf immer das Gefühl, dass sie kurz vor dem Umkippen waren – waren – gerade auf losem Untergrund vermittelt das Bike daher wenig Sicherheit. Im Kontrast zur guten Dämpfung an der Front steht die Sattelstütze. Steif und recht unnachgiebig leitet sie jeden zuvor von der Gabel genommenen Stoß mit großem Enthusiasmus an den Fahrer weiter.

Tuning-Tipp:
andere Sattelstütze, um Komfort zu verbessern

Bergauf zu rutschen funktioniert dann doch nur für Rallye-Autos gut. Alles in allem aber sind wir von der Gabel eines: positiv überrascht. Die Lauf True Grit-Gabel hat gute Seitensteifigkeit, beim Abbremsen taucht sie zwar etwas ein, aber keineswegs übermäßig oder unharmonisch. Insgesamt kommt das Fahrgefühl dem Fahren mit einem großvolumigen Reifen nahe, ohne dabei zu wippen.

Fazit

Ja, dieses Bikes ist wie gemacht für alle, die polarisierendes Design mögen und gerne etwas Einzigartiges fahren. Aber es sieht nicht nur gut aus, sondern performt auch sehr gut auf verschiedensten härteren Untergründen. Das Lauf True Grit Race Edition ist kein Jedermann-Produkt und es tanzt auch nicht aus reinem Innovationswillen aus der Reihe. Stattdessen bietet es eine interessante Lösung für Komfort auf langen Strecken. Auch auf Trails macht das True Grit eine gute Figur, allerdings erfordert es dort eine erfahrene Hand.

Stärken
  • Flaschenöffner
  • bewährtes BSA-Tretlager mit 30 mm, genau das Richtige für ein Adventure-Bike
  • breiter Flare des Lenkers sorgt für gute Kontrolle auf dem Trail
Schwächen
  • Heck zu hart, Stütze zu hart – Komfort nicht ausbalanciert
  • kein Schlüssel dran, um Achse ein-/auszubauen

Preis: 4.410 €
Gewicht: 8,12 kg in Größe L
Info: laufcycling.com


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Text: Fotos: David Rösler, Valentin Rühl