Island verbinden die meisten Dropbar-Lover mit epischen Gravel-Rides und legendären Rennen wie „The Rift“. Doch das Land aus Feuers und Eis hat noch so viel mehr zu bieten! Wir haben uns mit dem neuen Lauf Cycles Elja in die Berge aufgemacht und ja, was sollen wir sagen: Island hat uns umgehauen!
Ich muss absteigen. „Das ist doch krank!“, denke ich mir. Ich konnte die Linie auf dem Trail einfach nicht halten. Also steige ich ab, lege mich hin und hoffe, dass mich der Wind nicht den Abhang hinunter bläst. Antoine, der französische Local, mit dem ich unterwegs bin, ist hier schon tausendmal gefahren, aber auch er hat das noch nie erlebt. Wenige Minuten zuvor lagen wir noch lachend im 40° heißen Fluss und hatten uns ein leckeres Pale Ale gegönnt. Damit, dass der Wind so schnell drehen würde, hätten wir nicht gerechnet. Dabei ist es so typisch für Island.
Dem Wetter sind deine Pläne komplett egal
Auf Island lernt man schnell: Planung ist zwar wichtig, aber nichts läuft, wie es geplant war. Grund unserer Reise war der Launch des neuen Lauf Elja – dem ersten vollgefederten XC-Mountainbike der isländischen Bikemarke. Falls ihr euch für das Bike interessiert, dann checkt unseren ausführlichen Testbericht bei unserem Schwestermagazin ENDURO. In dieser Story sind wir das neue Elja nicht nur gefahren, sondern haben den Spirit auch gelebt – aber dazu später mehr!
Auf dem Plan stand ein Abenteuer-versprechender Trip rund um die Hauptstadt Reykjavik – sagenhafte Trails, 4×4-Flussdurchquerungen und Gletscherpanoramen inklusive. Doch so wie das Wetter in Island nun mal ist, kann es innerhalb kürzester Zeit umschlagen. Auf Island darf man planen, muss aber jederzeit bereit sein, neue Lösungen und Alternativen zu finden. Kaum angekommen, wurde unsere geplante Tour rund um Reykjavik wegen einer Sturmwarnung kurzerhand in den Norden, nach Akureyri verlegt. „Schade!“, dachten wir zuerst, aber das Gegenteil war der Fall. Statt Regen und Sturm erwarteten uns dort tiefe Fjorde, strahlender Sonnenschein, spektakuläre Trails und heiße Quellen. Einen Tag nach unserer Abreise setzte in Akureyri dann der erste Schnee ein. Willkommen auf Island!
Nomen est Omen: Elja kann man nicht nur fahren, sondern auch leben
Lauf Cycles ist vor allem unter Dropbar-Jüngern ein Begriff. Wer isländisch versteht und das Team von Lauf Cycles kennt, dem wird schnell klar, dass die Namensgebung der Lauf Cycles-Produktpalette einen tieferen Sinn hat. Das neue Lauf Elja macht da keine Ausnahme: Elja ist isländisch und bedeutet Beharrlichkeit – ähnlich wie das isländische Wort Seigla, nach dem das Gravel Bike von Lauf benannt ist. Warum ‚Beharrlichkeit‘ bei Lauf ein so dominierendes Thema ist, haben wir im Gespräch mit Lauf-Gründer und CEO Benni Skúlason ziemlich schnell herausgefunden.
Erst eine außergewöhnliche Gravel-Bike-Federgabel, dann ein untypisches Gravel-Bike, danach ein Rennrad und jetzt das erste Mountainbike mit einem gewissen „Extra“: Lauf Cycles ist schon immer eigene Wege gegangen und möchte mit dem neuen XC-Fully Elja neue Maßstäbe und Impulse im kurzhubigen MTB-Segment setzen.
Als Unternehmen unkonventionelle Wege zu gehen ist selten einfach, schließlich müssen potenzielle Kunden erst einmal die technologischen Vorteile verstehen – der Erklärungsbedarf ist entsprechend hoch. Als Unternehmer braucht man eine gewisse Beharrlichkeit, vor allem, wenn man an seine Visionen glaubt, klare Ziele verfolgt und sich kontinuierlich weiterentwickeln will. Ein Unternehmen zu führen ist nie leicht – ganz egal ob es sich um verändernde Marktbedingungen, Mitarbeiterthemen oder neue Projekte handelt – es gibt immer neue Herausforderungen. Wenn es jedoch eine Sache gibt, die hilfreich ist, dann ist es Beharrlichkeit.
Gegenwind und Widersprüchen zum Trotz
Beharrlichkeit ist für jedes Ziel und jeden Traum wichtig – auch für Antoine. Er ist einer dieser Menschen, deren Tiefe man erst auf den zweiten Blick erkennt. So gestaltet Antoine sein Leben auf seine ganz eigene Art – unabhängig von den Erwartungen anderer. Nach dem Presse-Event haben wir noch ein paar Tage mit ihm verbracht und Island auf eigene Faust erkundet. Bei besten Roadtrip-Tunes in seinem Geländewagen erzählt uns der gebürtige Franzose von seinem Weg, der ihn von Frankreich nach Island geführt hat.
Antoines Lebensweg wurde von einem prägenden Verlust beeinflusst: dem Tod seines Vaters. Dieser Moment war natürlich von tiefer Trauer geprägt, doch zugleich hat ihm der Verlust die Vergänglichkeit des Lebens vor Augen geführt und ihn dazu bewegt, das Leben in vollen Zügen zu genießen und immer wieder Neues zu erleben.
Trotz oder gerade aufgrund von Gegenwind – in Form einer spät diagnostizierten Augenerkrankung – verfolgte er seine Träume mit Beharrlichkeit: so begann er gegen den Rat der Ärzte seine eigenen Bike-Rahmen zu schweißen und eine eigene Bike-Marke aufzubauen. Da er sich aufgrund von mangelndem Budget keinen Fotografen leisten konnte, begann er selbst Fotos zu machen. Fotografie und Sehschwäche? Für viele ein Widerspruch, doch Antoine hat Wege gefunden, seine Träume zu leben, auch wenn die Umstände dagegen sprachen.
Was willst du in deinem Leben wirklich machen?
Existenzielle Fragen verändern den Blick auf das, was man wirklich braucht. Beantwortet man sie ehrlich für sich selbst, ergibt sich meist eine klare Richtung, in die man sein Leben entwickeln sollte. Antoine stellte sich diese Frage früh in seinem Leben, anstatt den typischen Karriereweg einzuschlagen: Was will ich wirklich machen?
Für ihn ist das Leben kein straff durchgeplanter Weg, sondern die Suche nach dem Wesentlichen. Er will sein Leben auf das Essenzielle reduzieren. Für ihn sind es drei primäre Komponenten: Bikes, Fotografie und Menschen kennenlernen. Während wir durch Islands Mondlandschaft fahren, betont er immer wieder: Er wolle keinen unnötigen Ballast, nur das, was ihm wirklich wichtig ist in seinem Alltag haben. Von außen mag es bescheiden wirken – Antoine lebt in einer umgebauten Garage in Reykjavik – doch er ist dankbar: Trails vor der Haustür und ein Job, der seine Leidenschaften vereint und ihm ermöglicht, immer tiefer in die isländische Gesellschaft einzutauchen
Er erinnert sich nur allzu gerne daran, wie er den Isländer Bergur zufällig kennenlernte, wie dieser ihm Freund und Ratgeber wurde und ihm immer wieder Jobs vermittelte, die genau das boten, wonach er suchte: erst Bikeguide und Mechaniker beim Touroperator Icebike und jetzt sein Job bei Lauf! Bergur ist eines der Urgesteine der isländischen Bike-Szene und bei Lauf für Research & Product Development verantwortlich.
Hätten wir auf die Rauchzeichen hören sollen?
Die Fahrt im Geländewagen verfliegt genauso schnell, wie der Wind die Rauchschwaden der heißen Quellen entlang unserer Route wegbläst. Als wir auf dem Parkplatz des Trailcenters in Reykjadalur, etwa 40 Minuten östlich von Reykjavik aussteigen, ist klar: Es wird frisch! Verdammt frisch!
Unser ursprünglicher Plan: die klassische Trailrunde mit einem kurzen Bade-Stop bei den heißen Quellen. Doch sowohl auf dem Parkplatz als auch beim Aufstieg werden wir an die isländische Regel erinnert, wie man mit Plänen umzugehen hat: Der Wind ist deutlich stärker als erwartet. Die exponierten Abschnitte der Trailrunde oben auf den Hügeln können wir heute vergessen. Schlimm? Keinesfalls!
Wind lässt die Gräser wie Meereswellen schaukeln und pfeift uns um die Ohren. Hin und wieder müssen wir absteigen und schieben. Die Hände werden kalt, doch das Ziel ist zu verlockend, um aufzugeben!
Skål
Ein heißer Bach – und zwei Bier aus dem Rucksack! Könnte es einen besseren Höhepunkt für diese Trailrunde geben, auch wenn wir den Gipfel dieses Mal ausgelassen haben? Wohl kaum. Skål!
Weniger Biken, mehr Genießen: Ganze zwei Stunden liegen wir im 40° warmen Fluss während der Wind über uns hinwegpfeift und beobachten, wie die Sonne hinter den Bergen verschwindet. Den Moment, wieder raus in die Kälte zu treten und, sich im Wind anzuziehen, schieben wir immer weiter hinaus. Aber irgendwann muss man es ja eh machen. Also: Anziehen, Abfahrt!
Mit Rückenwind düsen wir den Hang hinab und liebäugeln mit dem Trail, den wir zumindest noch fahren wollten. Doch nach der ersten Kurve bläst uns der Wind aus einem Canyon so stark in die Speichen, dass wir absteigen müssen. Schon mal auf einem Singletrail gesegelt? Wir auch nicht – bis heute. Antoine und ich schauen uns an, lehnen uns gegen den Wind, drehen die Bikes und sie heben ab: Fuck! Unsere Bikes stehen wie eine Fahne im Wind. Und wieder zeigt Island respektive die Natur: Heute nicht!
Wir kämpfen uns zurück um die Kurve, müssen uns zweimal wegen Böen auf den Boden legen, schaffen es aber zurück auf den geschützten Hauptweg. Auf halber Strecke versuchen wir es noch einmal – dieses Mal mit Erfolg und mit Rückenwind! Bergab müssen wir doppelt bremsen und die Gegenanstiege nicht einmal hinaufpedalieren, nur einfach groß machen und schon bläst uns der Wind hinauf! Und siehe da – wir finden den Flow, passieren einen beeindruckenden Wasserfall und lassen uns vom nun etwas schwächeren Wind ins Tal hinabtragen. Beharrlichkeit zahlt sich aus!
Glücklich und energiegeladen kommen wir im Tal an: Wir sind zwar nur den halben Trail gefahren, hatten aber die doppelte Dosis Adrenalin!
Island hat uns im doppelten Sinne umgehauen: Zum einen die atemberaubende Natur, die uns gleichzeitig fasziniert und an die körperlichen Grenzen bringt. Zum anderen die Erkenntnis darüber, wie wenig Kontrolle man über äußere Umstände wie Wetter oder Naturgewalten hat. Doch genau darin liegt die Kraft dieses Landes: Es zwingt dazu, flexibel zu bleiben und das Beste aus jeder Situation zu machen. Genauso ist es, wenn man Ziele erreichen will: Ob Rennen, Gipfel oder unternehmerischer Erfolg – unser neues Lieblingswort heißt: Elja – Beharrlichkeit.
Den Test des Lauf Elja findet ihr bei unserem Schwestermagazin ENDURO.
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Text: Robin Schmitt Fotos: Robin Schmitt, Antoine Daures