Mit dem brandneuen Lapierre Xelius SL Disc 2019 wollen die Franzosen einen echten Supersportler an die Startlinie schicken. Was uns das Xelius SL 700 Disc über die Zweiklassengesellschaft verraten kann und wie es sich auf den Pässen rund um Morzine geschlagen hat, lest ihr hier.

Lapierre Xelius SL 700 Disc 2019 | 7,45 kg

Nachdem wir bereits vor zwei Jahren das 2017er Modell des Lapierre Xelius SL 700 getestet haben, war es nun an der Zeit, die neueste Evolutionsstufe des Groupama-FDJ Teambikes zu testen. In Sachen Rahmendesign gleicht der neueste Sprössling aus dem Hause Lapierre in vielerlei Hinsicht seinem Vorgänger, doch die französischen Konstrukteure warten mit cleveren Detaillösungen für das Modelljahr 2019 auf. Basierend auf der gleichen Renn-orientierten DNA wie die seines Vorgängers soll sich das Xelius SL 700 Disc am wohlsten auf hügeligen Etappen und in steilen Anstiegen fühlen. Bei der Entwicklung standen daher vor allem Steifigkeits- und Gewichtsoptimierung im Vordergrund.

Lapierre Xelius SL 700 Disc 2019 – Konzept

Um das selbstgesteckte Ziel der Gewichtsreduzierung um 10 % bei gleichbleibender Steifigkeit nachzukommen, haben sich die Ingenieure von Lapierre den Details des Carbonrahmens gewidmet. In diesem Zuge wurde das Fertigungsverfahren des Rahmens komplett neu entwickelt. Um den neuen Latexkern werden knapp 300 Carbonlagen gelegt. Dadurch soll sich der Druck, welcher beim Backen auf das Material ausgeübt wird, gleichmäßiger verteilen und die Innenseiten der Carbonrohre können somit glatter und homogener werden. Ebenfalls soll der Fluss des Harzes einheitlicher geschehen, um Falten zu verhindern.

Neuer Latexkern für eine gleichmäßigere Oberfläche der Rohrinnenseiten

Um das Bike auch auf Abfahrten und flachen Highspeed Passagen schneller zu machen, sind die Rohrformen des Xelius SL Disc 2019 inspiriert vom Lapierre Aircode SL, dem Aero-Racebike der Franzosen. Demzufolge wird die Verwandtschaft der Bikes vor allem an den Formen von Unterrohr und Gabel bemerkbar.

Auch beim Thema Integration hat sich einiges getan: Neben der weiterentwickelten Verlegung der Shimano Di2-Kabel fällt die neue Steuersatzkappe auf, die semi-integriert mit dem Oberrohr abschließt. Hat sie beim Test des 2017er Modells noch für optische Fragezeichen und funktionsbedingtes Kopfschütteln gesorgt, weiß die Klemmung der Sattelstütze des 2019er Modells zu überzeugen. Leicht erreichbar, clever integriert und mit guter Klemmkraft – Daumen hoch! Zu gerne würden wir auch unseren zweiten Daumen heben, doch die Junction-Box der Shimano Di2 Schaltgruppe ist lieblos unter dem Vorbau platziert – hier gibt es elegantere Lösungen.

Die Integration der Sattelklemme …
… ist ungleich besser gelöst als beim Vorgänger
Semi-integrierte Steuersatzabdeckung – yay!
Di2 Junction-Box unter dem Vorbau – nay!

Lapierre Xelius SL 700 Disc 2019 – Spezifikationen & Geometrie

Beim ersten Blick über den neuen Rahmen des XELIUS SL 700 Disc fallen sofort die großvolumigen und 410 mm kurzen Kettenstreben auf. Diese schreien geradezu nach Steifigkeit und – (Achtung Spoiler!) das sind sie auch. Als nächstes stach das asymmetrisch geformte Sitzrohr ins Auge. Dessen Bauart ermöglicht Reifenfreiheit für Pneus mit bis zu 28 mm Breite und einem entsprechend größeren Reifenvolumen.

Vom Blick des Betrachters versteckt – jedoch nicht weniger relevant – ist das Update der Front: Hier hat Lapierre dem Xelius SL 700 Disc für 2019 eine tapered Gabelschaft und Steuerrohr spendiert. Bei dieser Bauweise vergrößert sich der Durchmesser des Schaftes der Gabel von 1 ⅛” am oberen Ende auf 1,5” unten und gehört mittlerweile zum Standardrepertoire fast aller Hersteller.

Von außen nicht sichtbar: Tapered Gabelschaft und Steuerrohr
Die Animation identifiziert die Bereiche, welche den höchsten Verwindungskräften ausgesetzt sind. Hier wurde der Rahmen gezielt verstärkt.

Der Tretlagerbereich des Carbonrahmens wurde ebenfalls hinsichtlich seiner Steifigkeit überarbeitet. Die sogenannte PowerBox Technologie soll dafür sorgen, dass jedes Watt in Vortrieb verwandelt wird und der Rahmen auch im kraftvollen Wiegetritt nicht unter dem Fahrer seitlich wegknickt.

Beim Gewicht des Rahmens weiß Lapierre zu überraschen. Nicht zwingendermaßen mit sensationell niedrigen Zahlen, sondern mit einer fragwürdigen, wenn auch erfrischend transparenten Zweiklassenpolitik. So wird das Gewicht des Discrahmens in Größe M mit 1022 g angegeben und weist den “Fertigungsgrad B” auf. Die Scheibenbremsversion wird es nur in dieser Carbonqualität geben. Der “Grad B”-Rahmen der Felgen-gebremsten Rahmenversion wird für sämtliche Komplettbikes genutzt und wird in Größe M mit 972 g angegeben. Sämtliche “Grad A”-Rahmen sind Teams und Kunden vorenthalten, die lediglich das Rahmenset erwerben, und bringen in Größe M 895 g auf die Waage.
Während die Rahmen der A-Qualität fünf verschiedene Carbontypen beinhalten, sind es bei Grad B lediglich drei, was sich laut Angabe von Lapierre hauptsächlich auf das Gewicht, nicht jedoch auf die Steifigkeit auswirken soll.

Größe XS S M L XL XXL
Sitzrohr 460 mm 490 mm 520 mm 550 mm 580 mm 610 mm
Oberrohr 520 mm 535 mm 550 mm 570 mm 590 mm 610 mm
Steuerrohr 105 mm 120 mm 140 mm 160 mm 180 mm 200 mm
Lenkwinkel 72° 72° 73° 73° 74° 74°
Sitzwinkel 74° 73° 73° 72,5° 72° 72°
Kettenstrebe 410 mm 410 mm 410 mm 410 mm 410 mm 410 mm
BB Drop 67 mm 67 mm 67 mm 67 mm 67 mm 67 mm
Reach 376 mm 377 mm 385 mm 394 mm 402 mm 415 mm
Stack 501 mm 516 mm 538 mm 557 mm 580 mm 599 mm

Unser Testbike in Größe L wies die Serienausstattung auf: So kommt die komplette Shimano Ultegra Di2 R8070 zum Einsatz. Hier werden 175 mm lange Kompaktkurbeln mit 50/34 Abstufung mit einer 11-28 T Kassette kombiniert. Die Rotoren weisen sowohl in der Front als auch am Heck einen Durchmesser von 140 mm auf. Das Cockpit ist ein Mix aus einem 420 mm breiten Lapierre-eigenen Carbonlenker und einem 110 mm langem Zipp Service Course AL Vorbau. Auf den DT Swiss ER 1400 SPLINE Laufrädern wurden 28 mm breite Continental Grand Prix 4000 S II montiert. Der Fi’zi:kAntares Versus Evo und die 27,2 mm Lapierre Carbonsattelstütze runden das Ausstattungspaket ab. Damit bringt es das Bike in Größe L fahrbereit (mit Flaschenhaltern, Garmin Mount und Shimano DURA-ACE Pedalen) auf 7,84 kg. Das Nettogewicht dieser Ausstattung beträgt in Größe M 7,45 kg.

140 mm Bremsscheiben …
… an Front und Heck
Kurz und direkt: Di2 Kabelverlegung
Clever: Di2 Batterie im Tretlagerbereich

Lapierre Xelius SL 700 Disc 2019 – Test

Während auf den Passstraßen rund um Morzine hatten wir die Möglichkeit nicht nur das Xelius SL 700 Disc, sondern auch seinen Felgen-gebremsten Bruder, das Xelius SL 900, zu fahren.

Familienphoto: Lapierre Xelius SL 900 und Xelius SL 700 Disc

Die Beschleunigung des Xelius SL 700 Disc hat uns direkt ein Grinsen ins Gesicht gezeichnet. Spritzig sprintet das Bike dank des unnachgiebigen Tretlagerbereichs nach vorn und macht es uns sehr leicht auf Touren zu kommen. Da der DT Swiss ER 1400 SPLINE Laufradsatz nicht direkt zu den Leichtgewichten unter den Disc-Rädern zählt, ist hier noch nicht das volle Potential des Rahmens ausgenutzt. Doch auch in dieser Ausstattung können wir dem Lapierre ein lebhaftes Verhalten in Sprint und Antritt attestieren. Der Cockpitmix aus Lapierre Carbonlenker und Zipp Aluvorbau scheint clever gewählt und hält auch im niederfrequenten Wiegetritt den Krafteinflüssen des Fahrers ohne hinderliches Verwinden stand. Hier wurde im Gegensatz zum Vorgängermodell nachgebessert!

In Sachen Beschleunigung und Sprintverhalten bleibt das Disc Modell des Xelius SL 2019 jedoch hinter seinem Felgen-gebremsten Bruder zurück. Das Xelius SL 900 ist nicht nur aufgrund der leichteren Laufräder und des niedrigeren Gesamtgewichtes flinker, sondern wirkt insgesamt nochmal spritziger. Die Felgenbremsen-Version ist damit klarer Uphill-Tipp!

Uphill mit dem Xelius SL 900

Auf der Ebene profitiert das Rad vom eher mittelmäßigen Gewicht des Laufradsatzes und nimmt aufgrund seiner Masseträgheit die Geschwindigkeit gut mit. Im Windschatten des Vordermanns kann man die Beine des Öfteren ausruhen und sich für den nächsten Pass vorbereiten. Da die Sitzstreben direkt am Oberrohr und nicht am Sitzrohr ansetzen, verschwinden Unebenheiten der Straße angenehm im Rahmen. Die großvolumigen und 28 mm breiten Continental Reifen gefallen mit ihrem guten Abrollverhalten. Ihr großes Volumen bietet zusätzlichen Komfort. Unterm Strich ist das Xelius SL 700 2019 jedoch deutlich straffer abgestimmt als sein Vorgänger. Wenn wir hier von Komfort sprechen, ist also ein komfortabler Racebike- und kein langstreckentauglicher Endurancebike-Komfort gemeint.

Anders als im Sprint und in der Beschleunigung hat die Discvariante des Xelius SL im Downhill deutlich die Nase vorne. Hier liegt das Bike deutlich stabiler auf der Straße und vermittelt durch die hervorragende Modulation der hydraulischen Shimano Ultegra-Scheibenbremsen ein hohes Maß an Sicherheit. Außerdem wirkt das Felgenbrems-Modell aufgrund des weichen und leichten Laufradsatzes zu unstabil bei höheren Geschwindigkeiten. Was beide Modelle vereint, ist die blitzschnelle Reaktion auf Richtungsänderungen. Der tiefe Schwerpunkt beider Modelle macht Abfahrten mit engen Kurven zum Strava-Segment-Jagdgebiet. Möglich wird das auch durch die besondere Positionierung des Di2 Akkus: Dieser sitzt anders als bei vielen Herstellern nicht in der Sattelstütze, sondern ist versteckt hinter einer Abdeckung durchdacht im Tretlagerbereich verbaut.

Fazit

Mit dem Lapierre Xelius SL 700 Disc 2019 beweisen die Franzosen, dass aus Dijon nicht nur guter Senf, sondern auch sehr gute Bikes kommen. Im Gegensatz zum Vorgängermodell gibt sich das Xelius berechenbarer und ehrlicher und findet clevere Detaillösungen. Während die Disc Version bei einer soliden Kletterleistung vor allem bergab überzeugt, möchte die Felgenbrems-Variante am liebsten nur klettern und macht die Abfahrt zum Balanceakt. Wer sich mit dem speziellen Rahmendesign anfreunden kann, erhält mit dem Xelius SL 700 Disc 2019 Pro-Tour-Performance mit einer Extraportion Sicherheit.

Mehr Info unter: bikes-lapierre.de (Alle Preise folgen in den nächsten Tagen)


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Text: Benjamin Topf Fotos: Benjamin Topf, Dominique Daher