Mit der Isadore Alternative Line setzt der slowakische Hersteller hochwertiger Radsportkleidung auf 100 % recyceltes Plastik. Komplett in Europa produziert, mit hoher Qualität und Langlebigkeit, soll sie zum bestehenden nachhaltigen Konzept den Weg markieren. Ambitioniert oder gibt es einen Haken?

Ein neues stylishes Trikot. Jacken, die jeden Regenschauer kalt abprallen lassen. Und Bib-Shorts, die wirklich mal ihren Job machen. Im Optimierungswahn oder rein aus Verlangen nach Neuem ertappen wir uns gehäuft in der Umkleidekabine unseres Lieblingsladens. Oder – noch bequemer – mit dem Finger auf dem Button. Klick, gekauft.

Und ja, um wahre Freude am Biken zu empfinden, ist eine funktionelle und bequeme Kleidung überaus sinnvoll. Hinsichtlich des Ressourcenverbrauchs und der ethisch oft fragwürdigen Aspekte bei der Produktion sowie der Entsorgungsproblematik fragt man sich jedoch: Wie viel braucht es wirklich? Muss das jetzt sein? Und da schwebt es schon wieder im Raum, das Wort Nachhaltigkeit, oft gepriesen und nie wirklich mit Kennzahlen belegt. Wie ein Gespenst: Man spürt, dass es existiert, doch will man es mit einer guten Strategie packen, lacht es und verschwindet.

In vielen Branchen wird eine Kreislaufwirtschaft zur Ressourceneinsparung angestrebt. Und die Textilindustrie? Einige der Branche haben erkannt, dass sich das Geschäftsmodell Fast Fashion überholt hat und reagieren mit Nachhaltigkeitsstrategien. Sie bieten Kleidung an, die recyceltes Plastik enthält. Doch wie nachhaltig ist das Ganze? Wie viel recyceltes Plastik ist eingesetzt? Wo kommt es her und wie ist der CO2-Fußabdruck? Kurzum: Bekommt das Gespenst einfach nur einen grünen Deckmantel?

Und wie sieht es mit der Radsportkleidung aus? Irgendwie hört sich doch „Circle Economy“ ganz schön nah nach unserem geliebten Cycle an …

Die Isadore Alternative Line hat uns neugierig gemacht, wir wollen tiefer eintauchen in den Mythos nachhaltige Kleidung und haben bei Isadore nachgefragt.

Renn-Gene umgepolt: Die Philosophie von Isadore

Betrachtet man die Philosophie von Isadore, stößt man unweigerlich auf nachhaltige Aspekte. Und das schon sehr früh – lange bevor Nachhaltigkeit in der Textilindustrie populär geworden ist. Das beschreibt uns auch Boris Stefanik, Brand Manager von Isadore im slowakischen Puchov. „Als Martin und Peter die Firma Isadore gegründet haben, war es primäres Ziel, die nachhaltigsten Lösungen für Produktion und Fertigung zu finden.“ Martin und Peter Veltis – einige werden die beiden Brüder mit Geschwindigkeit, Leistung, Disziplin und Erfolg verbinden. Denn genau das hat sie über ein Jahrzehnt begleitet, als Profi-Radfahrer bei verschiedenen Top-Teams wie HTC Highroad und Quickstep und in Rennen wie Paris-Roubaix und der Tour de France. Gleichzeitig entwickelten die beiden eine weitere Leidenschaft: „Martin und Peter haben immer alles hinterfragt, was die Produktion und Qualität von Fahrradkleidung bestimmt, und sie waren besessen davon, ein Produkt von Grund auf neu zu gestalten.“ Die Geburtsstunde von Isadore, wie uns Boris erklärt. „Von Anfang war das Ziel, Freude beim Radfahren und ein gesundes Verhältnis zwischen Sportler und Natur zu finden. Natürliche Materialien und nachhaltige Produktion sind da schnell in ihren Fokus gerückt.“

Das Schaf bekommt einen Partner

Für die Kollektionen von Isadore kommen vorwiegend erneuerbare Materialien zum Einsatz, wie Bio-Baumwolle, Zellulosefasern und vor allem Merino-Wolle, das Herzstück der Firma. Nun bekommt das Merino-Schaf einen Nachhaltigkeits-Partner, der zwar nie physisch gelebt hat, aber dennoch ein zweites Leben erhält: „Mit der eingeführten und erweiterten Alternative-Line setzen wir auf Stoffe aus 100 % recyceltem Plastik“, erklärt Boris. „Nachhaltiges Ausgangsmaterial ist das eine. Wichtig ist uns aber auch eine nachhaltige Herstellung und das Produkt muss einfach alle Eigenschaften aufweisen, damit es lange dein Lieblingsstück bleibt.“ Die Rede ist von Funktionalität, hohem Tragekomfort, Qualität und Langlebigkeit. Und je nach Einsatzzweck Wetter- und Windbeständigkeit. Denn die Alternative-Linie, die im Frühjahr 2019 eingeführt wurde, erweitert sich stetig. Trikots, Bib-Shorts, 3/4-Hose, Baselayer, Weste und Jacke füllen derzeit die Kollektion.

„Unser USP? Das ist ziemlich einfach: Das bislang aus neuem Kunststoff produzierte Gewebe wird durch eine recycelte Version ersetzt – mit transparenter Lieferkette und vor allem mit gleicher Performance. Es soll einfach lange dein Lieblingsstück sein.“

Die Flasche als Flaschenhals

Doch wir wollen den zugrundeliegenden Wertstoff näher inspizieren und lassen gleich eine Armada an Fragen über rPET los, also dem recycelten Flaschen-Kunststoff (bzw. wer’s haspelfrei hinkriegt – Polyethylenterephthalat). Dem Team von Isadore sind alle Aspekte bekannt, und wir merken schnell: Hier geht es um Transparenz. „Für den Stoff eines Jersey benötigen wir ca. 300 Gramm Kunststoff, was ca. 30 kleine 0,5 Liter-PET-Flaschen entspricht“, erklärt Boris. „Unser aus rPET hergestellte Polyester ist GRS-zertifiziert. Der Global Recycled Standard garantiert, dass das aus PET-Flaschen gewonnene Material zurückgewonnen und umgewandelt wird – ohne dass neues Plastik hinzugefügt wird.“ Klar, das ist ein entscheidender Punkt, da neu produzierte Kunststofffasern auf Erdöl basieren. Und auch klar: Es lässt sich einfach sagen, dass man alles so umweltfreundlich wie möglich macht. Doch wie überprüft man das? „Uns war von Anfang an wichtig, unsere gesamte Lieferkette aktiv rückverfolgen und begleiten zu können. Angefangen von der Quelle der Rohstoffe, der Verarbeitung für eine konstante Qualität bis hin zum Nachweis, dass die Beteiligten der gesamten Lieferkette unter gesunden Bedingungen arbeiten und einen fairen Lohn erhalten.“

Der Rohstoff. Der Gedanke, wie ein großer Teil unseres Plastikmülls gesammelt, recycelt und zu neuen Produkten wird – und so der verdreckten Landschaft oder gar dem Maul der Meeresschildkröte entkommt –, naja … zugegeben, ist ein romantischer. Denn nur ein kleiner Anteil des Plastikmülls lässt sich für die Textilindustrie wiederverwerten, und zwar Flaschen-PET, wie auch Boris bestätigt. „Von all dem angesammelten Plastik ist Flaschen-PET der wertvollste Rohstoff, es lässt sich sauber trennen, reinigen und schreddern.“ Die Schnipsel werden dann eingeschmolzen und zu einem feinen Garn versponnen. Doch wo kommt das Plastik her? Ziel von Isadore ist, all diese Wege zurückzuverfolgen und transparent darzustellen, wie Boris erklärt: „Bei der Alternative Essential Jacke zum Beispiel werden die recycelten Garne in Japan hergestellt und dort verarbeitet. Bei den Alternative Jerseys werden die recycelten Garne in China produziert und die Stoffe in Italien gewebt. Die Kunststoffabfälle, die behandelt und zu Garnen verarbeitet werden, stammen in der Regel aus demselben Herkunftsland wie die Hersteller der Garne, aber manchmal werden sie auch importiert. China ist zum Beispiel der größte Importeur von Kunststoff- und Papierabfällen für das weitere Recycling.“

Doch nochmal zurück zur Flasche, die selbst ohne Inhalt abhängig macht. Das Team von Isadore sieht hier aber die richtige Richtung: „Es ist genügend Material aus gebrauchtem PET vorhanden.“ Damit das verwertbare Plastik zukünftig vielen Märkten offensteht, sollen in der EU bis 2030 rund 90 % der Plastikflaschen eingesammelt und wiederverwertet werden, was natürlich auch von den staatlichen Investitionen in Sammel- und Sortierinfrastrukturen abhängt. Aber wie so oft: Auch wenn noch nicht alles ausgereift ist – business as usual ist eine blöde Strategie. An irgendeinen Punkt muss man sich von der ressourcenverbrauchenden Dynamik unabhängiger machen und einfach mal anfangen. Isadore geht das mit der Zahl 100 an.

Nach dem Shirt ist vor dem Shirt?

Der 100%ige Anteil an recyceltem Plastik hat einen großen Vorteil: Er hält die Kreislaufwirtschaft am Laufen. Denn wäre das Polyester mit anderen Materialien vermischt, könnte man es nicht oder nur sehr aufwendig wiederverwerten. Ein Shirt wird nach dem Gebrauch zum neuen Shirt? „Nein, es ist noch nicht möglich, aus diesen Kleidungsstücken wieder recycelte Garne herzustellen“. Boris lässt unsere Traumblasen platzen. Aber gleichzeitig entstehen neue, denn Hersteller wie Isadore entwickeln Lösungen, um ihren Kleidungsstücken ein zweites Leben zu schenken. Und dabei geht es mal nicht um Parkbänke. „Wir haben die letzten Monate damit verbracht, den richtigen Partner für die Wiederverwendung unserer Produkte zu finden. Dann können unsere Kleidungsstücke nachhaltig behandelt und als Isolierfüllung wiederverwendet werden.“

Bis 2025 will Isadore alle synthetischen Materialien aus recycelten Quellen herstellen, wie Boris erklärt. „Auch wenn es noch etwas dauert, vorrangig auf Recycling-Garnen umzustellen – die Textilindustrie stellt sich zunehmend darauf ein.“ Isadore möchte Impulse setzen. Das kann man auch ihrer Website entnehmen, auf der sie ihre Freude zum Ausdruck bringen, dass sich immer mehr Marken der Nachhaltigkeitsbewegung anschließen. An dieser Stelle haken wir beim ökologischen Fußabdruck nach und erfahren, dass die Produktion aus recyceltem Plastik im Vergleich zur Neugewinnung erdölbasierter Kunststoff- und Naturfasern bis zu 53 % Energie einsparen, weniger CO2-Emissionen erzeugen und weniger Rohstoffe verbrauchen soll. Und ja, es ist bekannt, dass vor allem für Baumwolle viel Wasser und Pestizide eingesetzt werden. Hersteller wie Isadore setzen bei Baumwoll-Produkten deshalb auf Bio-Baumwolle.

„In einer idealen Welt wird die gesamte Rezyklat- und Textilherstellung mit erneuerbaren Energien betrieben werden, aber wir sind noch nicht so weit. Um ehrlich zu sein, ist die Verwendung von rPET die beste zukünftige Lösung, um die stark umweltbelastende Herstellung neuer Kunststoffe zu vermeiden.“

Ohne stinken – Vom Stempel und der Produktion in Europa

Müssen wir jetzt muffeln? Nö. Boris erklärt uns das so: Das komplett recycelte Material soll genauso atmungsaktiv, funktionell und bequem sein wie Isadores herkömmliche Materialien – der Verarbeitungsprozess bleibt, einzig das Garn ist gegen ein recyceltes ausgetauscht. „Wir sind Radsportler. Klar, dass wir einen extrem hohen Anspruch an die Eigenschaften der Stoffe haben, die wir selbst tragen möchten. Und vor allem sollen sie lange halten“. Wie dies erreicht wird? Kann man alles auf die Flasche setzen? Haben wir uns auch gefragt. Und erhalten prompt eine Antwort. „Wir erreichen unsere geforderte Qualität durch die Webvorgänge und die antimikrobielle HEIQ-Technologie. Und die ist wie alle anderen von uns verwendeten Stoffen bluesign- und OEKO-TEX-zertifiziert.“ Wir erfahren, dass der OEKO-TEX-Standard garantiert, dass im Produkt keine Gifte stecken, während das Label bluesign die gesamte Lieferkette zertifiziert.

Produziert wird komplett in Europa. Mit enormen Vorteilen, wie Boris erklärt. So könnten Martin und Peter Veltis die komplette Lieferkette und Arbeitsverhältnisse im Blick behalten. Zudem sind die Anforderungen an die Abwasserreinigung in Europa höher als in anderen Ländern und die kurzen Wege ressourcenschonender.

Es rollt – und das gleich vierfach

Wenn durch hohe, langlebige Qualität der Bedarf an immer neuen Teilen reduziert wird, sieht man sich dann vielleicht satt? Die Slowaken haben hier ein Konzept, das jeder Raupe das Blut in den Kopf steigen lässt: Mit dem Jersey-Abo-Modell kann man sich alle drei Monate mit den neuesten Outfits verpuppen – geliehen und nach Hause geschickt. Nachdem man je nach Abo-Modell ein oder mehrere Trikots drei Monate lang verwendet und zurückgeschickt hat, werden sie ökologisch gereinigt, geprüft und gegebenenfalls repariert. Ist es so gut wie neu, steht es für den nächsten Schmetterling auf dem Rad bereit. Wir können Isadores Credo irgendwie nachvollziehen. Fehlkäufe? War mal. Too much im Schrank sowieso.

Okay, wir haben verstanden: recycle, reduce, reuse. Es rollt. Und prompt setzt Isadore noch eins drauf: repair. Für alle ihre Produkte bietet die Firma einen kostenlosen Verschleiß-Reparaturservice an.

Und unsere Tests? Ja, wir haben Produkte aus der Alternative-Line getestet – und uns von der Qualität überzeugt. Den entsprechenden Artikel dazu findet ihr in der Rubrik THE LAB dieser Ausgabe. Und ja, wir haben die Strategie verstanden. Wie überall soll auch hier die Lebensdauer von Materialien erhöht werden, indem wir sie in einer Kreislaufwirtschaft wiederverwenden. Doch auch in diesem Fall wird es einen steigenden Bedarf nach den benötigten Rohstoffen geben … Einige Hersteller wie Isadore legen deshalb großen Fokus auf hohe, langlebige Qualität, die es uns wert sein soll, sodass wir insgesamt weniger benötigen.

„Eigentlich müsste alles das kosten, was es tatsächlich wert ist – ob Flüge, Smartphone oder Shirt. Doch ist man bereit, den wahren Preis zu zahlen?“

Eine lokale Produktion finden wir natürlich klasse und gerade aktuell ein reaktionärer Trend. Es macht unabhängig von Ressourcen und Transportwegen aus entfernten Ländern und man hat eine bessere Kontrolle über die Lieferkette sowie höhere Umweltstandards. Auf der anderen Seite ist auch klar: Nicht alle Produkte lassen sich komplett in Europa produzieren, einfach weil sie u. a. sonst mindestens das 3-Fache kosten würden und der Markt dafür derzeit nur eine sehr geringe Akzeptanz aufweist. Viele Hersteller behalten daher einige asiatische Lieferketten und etablieren Audits und eine dauerhafte externe Qualitätssicherung vor Ort. Zudem sieht man auch vermehrt Forschungsaktivitäten der Hersteller zu Optimierungen, z. B. Techniken, um Feinstaub und Mikroplastik-Austrag bei der Herstellung zu reduzieren.

Ob lokale Produktion generell dauerhaft Bestand hat, muss sich zeigen. Denn: Eigentlich müsste alles das kosten, was es tatsächlich wert ist – ob Flüge, Smartphone oder Shirt. Doch ist man bereit, den wahren Preis zu zahlen? Es ist ein Preiskampf der Hersteller und ein Öko-/Eco-Kampf in unseren Köpfen. Sich etwas bewusst machen, ist auf jeden Fall schon mal ein guter Schritt.

Zugegeben – wir können gar nicht anders. Bei unserem Ride blicken wir auf unsere Outfits und sind froh, dass wir – sogar als umfunktionierte Flaschen – ganz passabel aussehen. Denn wir wissen ja: Wenn etwas Bestand hat, dann Plastik. Gut verarbeitet in hoher Qualität erfüllt es zudem lange den funktionalen Dienst beim Radfahren, unserer Leidenschaft und das, was uns auch irgendwie in einem Circle verbindet.


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Text: Simone Giesler Fotos: Hersteller