Die Chefredakteure von ENDURO und GRAN FONDO sehen aus wie Zwillinge, die bei der Geburt getrennt wurden. Über das OPEN WI.DE. und das Yeti SB115 kann man auf den ersten Blick dasselbe sagen. Hören da die Gemeinsamkeiten auf oder kann man auch zusammen die Dolomiten rocken, wenn der eine Gravel- und der andere Mountainbike fährt?

Brother from another Mother: Ben und Christoph sehen nicht nur fast aus wie Zwillinge, sie sind auch zwei von drei Chefredakteuren im 41 Publishing Verlag.

Wenn ihr diese Zeilen lest, dann kennt ihr Ben bestimmt schon. Er ist der Chefredakteur dieses wunderbaren Rennlenker-Magazins. Ich, Christoph, werde ziemlich oft mit Ben verwechselt, wenn ich mit Helm und Brille unterwegs bin. Wie Ben bin auch ich für ein Bike-Magazin tätig. ENDURO heißt mein Baby. Durch unsere Jobs teilen wir nicht nur die Liebe zum Radfahren in all seinen Facetten, sondern wollen auch unsere Szene aktiv mitgestalten. Wir beide versuchen, aus verschiedenen Entwicklungen und Einflüssen neue Trends zu erkennen und durch objektive Tests das Bike-Erlebnis für unsere Leser noch besser zu machen – natürlich immer aus unserem speziellen Blickwinkel heraus. Über die letzten Jahre hat jeder von uns jeweils weit über 100 Bikes getestet und wir beide sind auf so gut wie jedem spannenden neuen Rad gesessen. Was wir bisher noch nie gemacht haben: zusammen Bikes zu testen, die sich fast so ähnlich sehen wie wir uns. Und warum auch? Sind Mountainbiking und Rennradfahren nicht zwei völlig unterschiedliche Welten – die eine voller Wattzahlen und Leistungsdruck, die andere voller Matsch und Dreck? Oder ist das vielleicht zu kurz gedacht?

Das perfekte Bike ist der Schlüssel zu einer Welt voller Abenteuer

Wie man sowohl beim Lesen von ENDURO als auch von GRAN FONDO schnell bemerkt, geht es für uns beim Biken um mehr als Wattwerte und Bestzeiten. Statt Ernährungsplänen und neuen Trainingstipps steht in beiden Magazinen das Erlebnis im Vordergrund. Der kitschige Sonnenuntergang beim After-Work-Ride, das kühle Bier am See nach einer langen Tour, die High-Fives mit den Kumpels nach einem richtig guten Trail. Das sind die Momente und Erinnerungen, die uns motivieren. Bikes sind für uns natürlich ganz klar Sportgeräte, sie sind aber vor allem auch Eintrittskarten in eine Welt voller Möglichkeiten und Abenteuer. Im Dropbar-Segment sind es besonders Gravel-, beim Mountainbiken in erster Linie Trail-Bikes, die die meisten Türen öffnen. Warum also nicht zwei Bikes dieser Kategorien gemeinsam in die Dolomiten entführen? Ben und ich haben uns jeweils ein Traum-Bike nach unseren Vorstellungen aufgebaut. Und bei allen Unterschieden sahen die sich verdammt ähnlich …

Bens OPEN WI.DE. im Detail

OPEN WI.DE. TURQUOISE. | 9,50 kg | 7.000 €

Das OPEN WI.DE. in diesem Sonderaufbau ist ein Gravel-Bike auf Anabolika. Es ist mit seinen 650B-Laufrädern von DT Swiss und richtig dicken MAXXIS Aggressor-Reifen bestens für die fiesesten Schotterpisten gewappnet und schreckt dank der verbauten Kind Shock LEV-Ci-Teleskopstütze auch vor Trail-Einsätzen nicht zurück. Noch vor gar nicht langer Zeit hätte man für solch einen Einsatzbereich ganz klar zum Mountainbike-Hardtail gegriffen, jetzt geht’s mit dem Gravel-Bike ins Gelände! Underbiking ist das Wort der Stunde und heißt, dass man mit „unterdimensionierten“ Bikes in Terrains vordringt, für die sie eigentlich nicht entwickelt sind. Einfache Trails bekommen so einen ganz neuen Reiz und Ben kann die Skills aus seinen vergangenen Tagen als Downhill-Racer wieder auspacken. Geht es dann darum, im Flachen auch mal ordentlich Strecke zu machen, punktet das OPEN mit richtig viel Komfort und allen Vorzügen eines Dropbar-Lenkers. Der hohe Rollwiderstand der Pneus muss dann wohl oder übel durch die Beine kompensiert werden. Mit dem SRAM AXS Mullet-Schaltkonzept und seiner Übersetzungsbandbreite von 520 % sind auch die härtesten Anstiege im unwegsamen Gelände kein Problem. Einen ausführlichen Test des OPEN WI.DE. findet ihr im Gravel-Vergleichstest in dieser Ausgabe.

Dicke Reifen, Dropperpost und massig Übersetzungsbandbreite – das OPEN WI.DE. ist ein hart gedoptes Gravel-Bike!

Die Ausstattung des OPEN WI.DE. im Detail

Antrieb SRAM Force eTap AXS mit SRAM Eagle eTap AXS-Schaltwerk
Schaltung 40 T und 10–52 T, 1 x 12
Bremsen SRAM Force HRD, 160/160 mm
Lenker ZIPP Service Course SL-70 XPLR, 420 mm
Vorbau ZIPP Service Course SL, 90 mm
Sattelstütze Kind Shock LEV-Ci, 65 mm Hub
Laufräder DT Swiss GRC 1400 SPLINE DB
Reifen MAXXIS Aggressor 650 x 58B
Preis 7.000 €
Gewicht 9,5 kg in Größe L
Mehr Infos opencycle.com

Maximale Bandbreite
Mit ihrer riesigen Bandbreite von 520 % ist die Kombi aus SRAM AXS Road- und MTB-Teilen perfekt für alle, die Gravel-Touren im alpinen Gelände unternehmen wollen.
Für alles gerüstet
Dank zahlreicher Anschraubpunkte ist man mit dem OPEN WI.DE. für alles gerüstet. Ein Bikepacking-Trip am Wochenende? Why not?
Grober Gummi
Zugegeben: Der MAXXIS Aggressor am Gravel-Bike ist nicht gerade die erste Wahl, wenn man mit dem Bike auch Strecke machen möchte. Für unseren Einsatz im alpinen Terrain passt er jedoch perfekt.
Runter mit der Strebe
Durch das asymmetrische Design mit den tiefgezogenen Kettenstreben schafft OPEN richtig viel Platz im Hinterbau für dicke Reifen.
Größe XS S M L XL
Sattelrohr 464 mm 495 mm 530 mm 550 mm 564 mm
Oberrohr 510 mm 530 mm 550 mm 570 mm 590 mm
Steuerrohr 99 mm 125 mm 150 mm 170 mm 196 mm
Lenkwinkel 68,0° 69,0° 71,0° 71,5° 71,5°
Sitzwinkel 72,5° 72,5° 72,5° 72,5° 72,5°
Kettenstrebe 420 mm 420 mm 420 mm 420 mm 420 mm
BB Drop 80 mm 77 mm 75 mm 75 mm 75 mm
Radstand 990 mm 1.004 mm 1.009 mm 1.022 mm 1.042 mm
Reach 346 mm 358 mm 370 mm 382 mm 394 mm
Stack 520 mm 545 mm 570 mm 595 mm 620 mm

Mein Yeti SB115 im Detail

Yeti SB115 T3 | 13,24 kg | 10.000 €

Vielseitigkeit ist Trumpf! Das ist der Grund, weshalb ich mich für das Yeti SB115 entschieden habe. Denn trotz lediglich 115 mm Federweg am Heck hat es dieses Bike faustdick hinter den Ohren: Es vereint hohen Vortrieb und ein agiles, direktes Handling mit hoher Effizienz und macht so auf fast jedem Trail jede Menge Spaß. Möglich macht das der grandiose Switch-Infinity-Hinterbau, der Effizienz und Traktion hervorragend miteinander kombiniert und auch dicke Brocken trotz wenig Federweg souverän wegsteckt. Klar, es gibt potentere Bikes, die bergab noch mehr draufhaben, aber das Yeti SB115 überzeugt eben auch bergauf und in der Ebene. Seine Geometrie ist modern, aber nicht extrem. Dadurch fährt es sich sehr ausgewogen und gutmütig. Komplettiert wird dieses Traum-Bike durch die SRAM AXS-Schaltung inkl. super sexy Oil-Slick-Komponenten, leichte und präzise DT Swiss Carbon-Laufräder und ein FOX Factory-Fahrwerk, das wirklich keine Wünsche offenlässt. Know-how beweist Yeti auch bei der Reifenwahl: Die Kombi aus einem Aggressor am Heck und einem Minion DHF am Vorderrad ist effizient genug für lange Touren und bietet dennoch viel Traktion auf harten Trails.

Was auch immer man vorhat – mit dem SB115 hat man immer das passende Bike im Gepäck! Fahrspaß ist hier inklusive!

Die Ausstattung des Yeti SB115 im Detail

Federgabel FOX 34 FLOAT Factory Fit4
Dämpfer FOX FLOAT DPS Factory
Sattelstütze FOX Transfer Factory
Bremsen SRAM G2 Ultimate 180/180 mm
Schaltung SRAM XX1 Eagle AXS 32/10-50
Vorbau Race Face Turbine 50 mm
Lenker Yeti Carbon 780 mm
Laufradsatz DT Swiss XMC1200 SPLINE
Reifen MAXXIS Minion DHF / Aggressor 2,35”/2,35”
Gewicht 13,24 kg
Preis 10.000 €
Mehr Infos yeticycles.com

Unsichtbare Macht
Der Switch-Infinity-Link genannte Umlenkhebel ist die große Besonderheit des SB115. Auf ihm wandert der Hinterbau beim Einfedern hin und her. Er sorgt für einen virtuellen Drehpunkt und erlaubt es, die Kinematik optimal abzustimmen. Der Link sitzt gut versteckt hinter der Kunststoffabdeckung.
Purer Luxus
Kabellos schalten – macht einen das zu einem besseren Fahrer? Definitiv nicht. Ist es ein geiles Gefühl, wenn die Gänge wie von Zauberhand wechseln? Auf alle Fälle!
Eine echte Ikone
Das Yeti-Logo am Steuerrohr ist seit jeher der Traum eines jeden Mountainbikers! Nervig dagegen sind die klappernden Züge im Rahmen; wir haben sie mit extra Kabelbindern fixiert.
Aufgemotzt
Basis des Yeti SB115 ist eigentlich das bereits bekannte SB100. Allerdings haben die US-Amerikaner dem Rad einen Dämpfer mit mehr Hub und einen neuen Rocker-Link spendiert. Dadurch wird der Federweg erhöht, die Geometrie angepasst und das Rad bergab noch potenter.
Größe S M L XL
Sattelrohr 393 mm 419 mm 457 mm 495 mm
Oberrohr 577 mm 606 mm 631 mm 658 mm
Steuerrohr 96 mm 107 mm 123 mm 145 mm
Lenkwinkel 67.6° 67.6° 67.6° 67.6°
Sitzwinkel 74.1° 74.1° 74.0° 73.9°
Kettenstrebe 437 mm 437 mm 437 mm 437 mm
Tretlager Höhe 339 mm 339 mm 339 mm 339 mm
Radstand 1.125 mm 1.154 mm 1.181 mm 1.209 mm
Reach 405 mm 431 mm 451 mm 470 mm
Stack 603 mm 613 mm 628 mm 648 mm

Grenzen setzt man sich nur im Kopf!

Macht das Sinn? Geht das klar? Was denken da die anderen? Scheiß doch einfach drauf! Viel zu oft machen wir uns unnötig einen Kopf. Zusammen mit einem Trail- und einem Gravel-Bike auf Tour gehen? Warum nicht? Wer sagt denn, dass man nicht mit Riser- und Dropbar gemeinsam Spaß haben kann? Die Schnittmenge zwischen dem OPEN und dem Yeti ist im Gelände größer, als man denkt. Klar, jedes der Bikes hat deutliche Vorteile auf gewissen Abschnitten der Tour, doch das ist kein Grund, nicht gemeinsam im Jeanshemd durch die atemberaubende Landschaft der Dolomiten hinauf zur Fanes-Hütte zu pedalieren. Wir könnten jetzt natürlich viel darüber schreiben, weshalb das OPEN in den flachen Abschnitten des Tals schneller ist und weshalb das Yeti bergab auf den steinigen Trails die Nase vorn hat. Im Prinzip sind das aber Nebensächlichkeiten. Denn was zählt, ist, dass wir mit den beiden Bikes eine grandiose Zeit hatten.

Just gonna send it – Ben haut einen raus und zieht das OPEN in die Luft.

Mittlerweile schaffen Technologien wie die SRAM Eagle AXS-Schaltung Brücken zwischen den unterschiedlichen Segmenten und Spielarten des Bikens. Die Grenzen zwischen Kategorien verschwimmen und Bikes werden immer vielseitiger. Das OPEN WI.DE. und das Yeti SB115 sind dafür perfekte Beispiele. Beide sind deutlich potenter als andere Vertreter in ihren Segmenten und erweitern so den Einsatzbereich. Natürlich gibt es auch in der Bike-Industrie leere Marketing-Versprechen und Weiterentwicklungen, die es nur ihrer selbst willen gibt und die sich beim genaueren Hinsehen als Luftnummer entpuppen. Wahre Innovationen hingegen machen unseren Sport noch vielseitiger, spannender und attraktiver. Es liegt an jedem von uns, dieses Potenzial auch zu erkennen und für sich zu nutzen.

Let’s get lost! Moderne Bikes bieten unfassbar viel Potenzial – es liegt an uns, das auch zu nutzen!

Nach dem gemeinsamen Ausflug noch immer Brüder im Geiste? Mehr denn je! Das Mountainbike und das Gravel-Rad haben sich als perfekte Werkzeuge fürs nächste Abenteuer erwiesen. Klar, der Trail-Anteil war für mich niedriger als bei einer Tour allein und Ben war etwas entspannter unterwegs, als er es sonst wäre. Was aber zählte, waren der Spaß und die gute Zeit, die wir gemeinsam hatten. Also nichts wie raus, Neues erleben und die Grenzen im eigenen Kopf sprengen!

Nach so viel harter Arbeit muss man es sich auch echt mal gut gehen lassen … Wer die Tour nachfahren will, findet unseren Ride hier auf Komoot.


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Text: Fotos: Valentin Rühl