Wer den Luxus genießt, Geschäfte auf der Straße oder dem fein getrimmten Rasen zu machen, hat bereits einiges erreicht. Doch wo werden die besten Deals des 21. Jahrhunderts gemacht? Ist Rennradfahren das bessere Golfen? Und falls ja: warum?

18 Mal Versagensangst, Zeitdruck und Muskelkater

Der Golfplatz Alcanada im Norden Mallorcas wurde von Robert Trent Jones Junior designt, dem Giorgio Armani der Golfwelt, und er ist als komplizierter Meisterschaftsplatz nichts für Anfänger. Wir waren mit dem Rennrad auf Europas bestem Golfplatz, nahmen es locker und versagten auf voller Länge.

Stilecht: Anreise mit dem Porsche oder dem Edel-Rennrad?
Auf dem Golfplatz kommt beides gut.

Wer hätte gedacht, dass man mit Rennrad-Bekleidung Golf spielen gehen könnte? Mit diesem Rapha-Outfit kam ich gerade so durch – wie uns die nette Dame am Empfang bestätigte. Nach einer kurzen Begrüßung durch den Club-Direktor trafen wir Golfpro John Verhappen, der uns auf die Driving Range führte. Statt locker Beine Einrollen stand auf dem Golfplatz „Einschlagen” auf dem Programm. Für Außenstehende mag Golf kein richtiger Sport sein, aber gut Golf zu spielen ist eine wahre Kunst, erfordert viel Technik, innere Ruhe und Konzentration. „Nicht jeder kann einen Golfschläger in die Hand nehmen. Man muss sich seinen Status erarbeiten, um in einem exklusiven Club wie unserem zu spielen“, erklärt Golfpro John.

Beim Golf muss man 18 Löcher spielen und bei jedem Schlag präzise Kraft, Gelände- und Windbedingungen kalkulieren. Eine natürliche Distanz zwischen den Spielern ist die Regel, man spielt schließlich gegeneinander. Mentale Stärke ist hier genauso wichtig wie Fitness, um neben Spiel, Smalltalk und Geschäftlichem im kleinen Kreise seiner Mitspieler Contenance zu bewahren.

Eine geschäftliche Einladung zum Golfen kann so angenehm sein wie die Einladung zum Bewerbungsgespräch.

Verfolgt man die Berichte in Financial Times, Telegraph oder Forbes Magazine, liest man häufig, dass Rennradfahren die angesagteste Sportart moderner Manager ist. Doch warum ist Rennradfahren das neue Golfen?

Fitness, Big Data und Leistungsmesser

Der moderne Manager ist Strukturen und Messdaten gewohnt. Er misst und optimiert sein Leben, Stichwort Smartwatch und Fitnessarmband, und seine Arbeit, Stichwort Big Data, Controlling und Time-Management. Heutige Topmanager gehen mit dem Fitnesstrend und lieben quantifizierbare Leistung. In der frenetisch getakteten Business-Gesellschaft schlägt die Geschwindigkeit und Effizienz des Rennradfahrens die kontemplative Ruhe des Golfens.

Rennrad ist individuell, skalierbar und flexibel und entspricht damit dem Zeitgeist der modernen Geschäftswelt, in der Nachhaltigkeit und messbarer Erfolg die Maximen sind. Dank Strava oder Garmin siehst du, was du geleistet hast, und kannst es auf den sozialen Medien deinen Kollegen zeigen.

Das Sympathische am Rennradfahren ist nicht nur, dass du schweißtreibenden Sport machst und zeigst, dass du bereit bist, Leistung zu bringen. Sondern auch, dass du dich nicht hinter den dicken Toren eines Clubhauses verbarrikadierst. Auf der Straße bist du Rennradfahrer, nicht der Chef eines Weltkonzerns, und du brichst aus der strikt geregelten Etikette des Golfclubs aus. Status und Statussymbole zeigst du unterschwellig, es sei denn, du hast den Caddie auf dem Rasen gegen einen Wasserträger oder gar einen Porsche als Supportcar getauscht!

Beziehungsfrage: Wer schlägt wen?

Faktisch ist Rennradfahren das bessere Golfen für Meetings, Incentives und Corporate Events. Denn du musst dich nicht entscheiden, ob du deinen Geschäftspartner schlagen oder ihn gewinnen lassen willst. Auf dem Rennrad fährst du gemeinsam, kämpfst gemeinsam gegen den Wind und quälst dich gemeinsam den Pass hinauf, während die Schweißtropfen fallen und jeder merkt, dass auch er nur ein Mensch ist (gilt übrigens auch für römische Kaiser). Rennradfahren bedeutet nicht nur hautenges Lycra, sondern hautenge zwischenmenschliche Verhältnisse. Auf dem Rad baut man in kürzester Zeit eine unglaublich starke Beziehung auf – etwas, das im sehr formalen Golf sehr lange dauert. Wenn das Laktat die Beine hinaufkriecht, bleibt keine Zeit für Pokerfaces. Klingt cheesy, ist aber so: Geteiltes Leid ist halbes Leid und doppelte Freundschaft!

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold

Smalltalk ist vor allem dann ätzend, wenn die Gedanken ganz woanders kreisen oder wenn die Gesprächsthemen fehlen und das Wetter bereits bis zur Schmerzgrenze ausgereizt ist. Auf dem Rennrad ist Smalltalk einfacher, weil es deutlich mehr Gesprächsthemen gibt: Ein Rennrad hat deutlich mehr Komponenten als ein Golfschläger, über die man diskutieren und philosophieren kann. Außerdem gibt es dann noch neue modische Trends und Funktionswear. Dazu kommt alles, was man auf der Straße gemeinsam erlebt: Kaffee-Stopp, rüpelhafte Autofahrer … oder doch der Sporttalk über die großen Rennen und bekannten Profis? Und wenn die Themen ausgehen, dann heißt es Aero-Tuck und Vollgas.

Wer ein klares Ziel vor Augen hat, gemeinsam in der Gruppe kämpft und aufeinander achtgibt, ist nicht nur geschäftlich auf dem richtigen Weg, sondern hat auch die Gruppendynamik des Radsports verstanden.

Doch letzten Endes kommt es nicht nur darauf an, ob du dich für Rennrad oder Golf entscheidest – Business hört nicht mit der Sportart auf. Wer am Nachmittag an der Bar ein Bierchen köpft, über den Tag und die gemeinsamen Erlebnisse, die Ups and Downs philosophiert, legt die Grundlage für eine gute (Geschäfts-)Beziehung. Geschäfte, Sport und Freundschaften liegen im 21. Jahrhundert nah beieinander.


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Text: Robin Schmitt Fotos: Julian Mittelstädt