Seit mehr als 100 Jahren zischt und dampft es schon in Korbach. In den Werkshallen rund um den markanten Schornstein entwickelt, fertigt und versendet Continental sämtliche Premium-Fahrradreifen für den globalen Markt. Und das in Zeiten, in denen die meisten anderen Hersteller längst ausschließlich auf den Produktionsstandort Fernost setzen.

Bin ich soeben in eine Zeitmaschine gestiegen? Noch vor wenigen Sekunden habe ich mich in einem modernen Besprechungsraum vorgefunden. Auf dem Touch-Display der High-Tech-Kaffeemaschine habe ich die Wahl zwischen einem Frozen Cappuccino, einem Latte macchiato, heißer Schokolade oder einem ganz normalen Kaffee – ich entscheide mich für Letzteres. Nach einer kurzen Begrüßung führt mich Sebastian, Head of Product Management, durch eine unscheinbare weiße Stahltür. Davor: Stille, Sauberkeit, typisches Büroflair. Dahinter: dampfende Heizpressen, ratternde Rollwägen und jede Menge Fahrradreifen. Nach nur wenigen Schritten tauchen wir in eine andere Welt ein.

Handmade in Korbach

Das Firmengelände in Korbach ist groß, verdammt groß! Durch mehrere mit Wärterhäuschen und Schranken gesicherte Tore wird kontrolliert, wer und was auf das Areal darf. Rund 3.500 Mitarbeiter betreten tagtäglich das Gelände, unzählige frisch gefertigte Fahrrad-, PKW- und Industriereifen sowie technische Schläuche verlassen es. Überblick ist alles. Im Jahr 1929 fusionierte Continental mit einem bereits in Korbach ansässigen Kautschukbetrieb und übernahm die Produktionsstätte. Seit dieser Zeit verrichteten und verrichten in den Hallen Heizmaschinen unermüdlich ihren Dienst. Sie wirken durch den vorhandenen Ruß zwar nostalgisch, werden aber in einem hohen Investitionsaufwand regelmäßig gewartet bzw. ersetzt.

Von der Idee bis zum fertigen Reifen …

… ein Großteil des kompletten Entwicklungsprozesses findet in Korbach statt.. In Zeiten, in denen immer mehr Unternehmen die Fertigung ihrer Produkte nach Fernost auslagern, hat sich Continental schon vor Jahren ganz bewusst für den Traditionsstandort in Hessen entschieden. Unabhängigkeit, volle Qualitätskontrolle und das große Know-how der ansässigen Mitarbeiter sind nur einige der Gründe. Obendrein ermöglichen es die kurzen Wege zwischen Entwicklung und Produktion, schneller Prototypen zu fertigen und neue Denkansätze direkt in der Praxis zu erproben. Eine verstärkte Karkasse verbauen? Eine weichere Gummimischung testen? Alles kein Problem!

Hightech trifft auf Nostalgie

Während in modernen Büroräumen die Reifen mit den aktuellsten Computer-Programmen konstruiert und entwickelt werden, bewerkstelligen Mitarbeiter wenige Meter weiter an den nostalgisch wirkenden Maschinen die Produktion. Seit Jahrzehnten hat sich an dem grundlegenden Vorgang der Fertigung eines Fahrradreifens nicht viel geändert, und doch haben sich die Reifen enorm weiterentwickelt. Neue Gummimischungen und neue Karkassen sorgen für bessere Laufleistungen, weniger Rollwiderstand und einen besseren Pannenschutz als je zuvor.

 Wenn ich dir das zeige, muss ich dich leider töten!

… sagt Product Manager Sebastian zu mir, als wir bei unserem Rundgang am sogenannten Mischsaal vorbeikommen. Hier werden die Gummimischungen für die Fahrradreifen hergestellt. Was das Geheimnis hinter Contis BlackChili-Mischung ist, können wir euch daher leider nicht verraten – wie der restliche Aufbau funktioniert, allerdings schon. Ist der Gummi für die Lauffläche hergestellt, wird er für die weitere Verwendung extrudiert und im Anschluss mit den weiteren Bestandteilen auf einer großen Rolle zusammengesetzt bzw. Zusammengelegt. Ich bin bei der Geburtsstunde des Rennrad-Schlauchreifens Competition dabei, dieser erhält gerade seinen besonderen Pannenschutz namens Vectran. Das Erkennungsmerkmal eines Reifens, sein Profil, entsteht im Anschluss in einer der großen Heizpressen. Der zuvor nur wenige Meter entfernt gefertigte Rohling wird hier ähnlich wie eine Waffel in Muttis Waffeleisen gebacken und gleichzeitig unter enormem Druck für mehrere Minuten in eine Negativform gepresst. Die Luft in der Halle ist aufgeheizt und schwül. Hier ist ganzjährig T-Shirt-Wetter, wobei die Ventilatoren an der niedrigen Decke im Sommer auf Hochtouren laufen. Jedes Mal, wenn sich eine Presse öffnet, entweicht Dampf und damit die Hitze des Vulkanisationsvorgangs, bei dem der Rohkautschuk in elastisches Gummis umgewandelt wird. Und ja, hier arbeiten tatsächlich die Frauen und Männer, die wir von den Conti-Plakaten kennen.

Mehr Modelle, mehr Auswahl, mehr Aufwand

Wie umfangreich das Portfolio bei Continental mittlerweile ist, wird deutlich, wenn man einen Blick in den Lagerraum mit den Negativformen der Reifen wirft. Neue Modelle, neue Laufradgrößen und natürlich auch neue Reifenbreiten erfordern jeweils eine komplett neue Form. Logisch, dass das einen besonderen Organisations- und Planungsaufwand bedeutet.

Gemeinsam mit Sebastian mache ich noch einen Abstecher ins Prüflabor, in dem die Tests auf Rollwiderstand, Durchstich und Durchschlag durchgeführt werden. Dann verlassen wir das Firmengelände. Es geht ins 30 Kilometer entfernte Willingen, auch bekannt als verlässliche Partylocation des Sauerlands für Kegelclubs, Junggesellenabschiede & Co. Wir haben ein anderes Ziel und gehen auf den vielfältigen und abwechslungsreichen Straßen auf Ausfahrt, um den nur wenige Kilometer entfernt gefertigten Competition Tubular in der Praxis zu testen. Sebastian nutzt die Fahrt, um einen neuen Prototyp zu erproben.

Welcher das ist? Ein Geheimnis, für das ich euch leider töten müsste, sollte ich es verraten. Doch so viel ist sicher: Auch er wurde in Korbach von Hand gefertigt.


Mehr Information über Continental findet ihr unter continental-reifen.de


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