Was sind die heißesten Gravel-Trends für 2020? Wo verschwimmen die Grenzen zwischen Rennrad und Mountainbike? Braucht man Gravel-spezifische Komponenten? Nach unserem großen Vergleichstest mit 14 Bikes liefern wir hier die Antworten.

Der Markt für Gravel-Bikes entwickelt sich stetig weiter – da ist es nicht immer leicht, den Überblick über die neuesten Veränderungen und angesagtesten Trends zu behalten. Wir haben unsere Erfahrungen und Erkenntnisse der vergangenen Saison und des neuen Vergleichstest gebündelt, um euch hier die relevantesten Trends für 2020 zu präsentieren. Hier findet ihr den aktuellen Test zum besten Gravel-Bike (einfach klicken)

Gravel ist nicht gleich Gravel

Der Markt für Gravel-Räder boomt und die Modellvielfalt wächst gefühlt mit jeder Woche. Gleichzeitig werden Räder mit straßenlastigeren Setups dank neuer Technologien immer Offroad-kompatibler und Offroad-Bikes mit Rennlenker werden immer besser auf dem Asphalt. Hier ist es enorm wichtig, sich im Vorfeld Gedanken über den tatsächlich gewünschten Einsatzbereich zu machen. Fahrt ihr

  • … meistens auf Asphalt und eher selten auf Schotter? Dann eignen sich Modelle wie das Trek Domane SLR 9, das Standert Pfadfinder oder das ROSE BACKROAD.
  • … 50:50? Hier sind Modelle wie das Liteville 4-ONE MK1, das Pivot Vault, das Cervélo Áspero oder das Cannondale Topstone Carbon die richtige Wahl.
  • … immer offroad; die Straßen sind ein unvermeidliches Übel? In dem Fall bieten sich Modelle wie das OPEN WI.DE. oder das Kona Libre AL besonders an.

Außerdem ist zu beachten, dass ein Gravel-Bike weder die optimale Wahl für das Einzelzeitfahren noch für technische Downhill-Trails ist – hierfür gibt es spezielle Bikes. Nur weil man könnte, heißt es nicht zwingend, dass man auch sollte.

Gravel ist die Antwort

Immer häufiger ist das Gravel-Bike das erste Rad mit Rennlenker in den Garagen der Einsteiger – es ersetzt in immer mehr Fällen das erste Rennrad, da es vielseitiger und zugänglicher ist. Gleichzeitig werden Profis der Pro-Tour-Teams dafür bezahlt, an Gravel-Rennen teilzunehmen, und auf dem Rahmen-Set des Cervélo Áspero prangt gar ein UCI-Sticker, der es zu offiziellen Wettbewerben zulässig macht. Ersetzt das Gravel-Bike zukünftig das Arbeitsgerät der Profis und bringt die Abenteuerlust ins Peloton? Vielleicht. Eines zeigen diese Entwicklungen jedoch ganz klar: Gravel ist kein alternativer Trend mehr, er wächst aus dem Nischendasein zum Mainstream und bietet sowohl für ambitionierte Racer als auch für Einsteiger, Genießer und Abenteurer eine spannende und zukunftsträchtige Plattform!

Versenkbare Sattelstützen am Gravel-Bike

Ein nach wie vor heiß diskutiertes Thema sind versenkbare Sattelstützen am Gravel-Bike. Hier prallen die Welten der Bike-Industrie aufeinander: auf der einen Seite traditionellere Strömungen, die im Grunde ein Rennrad mit mehr Reifenfreiheit präsentieren, und auf der anderen Seite progressive Konzepte, die sich in Sachen Geometrie, Features und Anbauteilen vom Mountainbike-Bereich inspirieren lassen. Eine versenkbare Sattelstütze am Gravel-Bike erleichtert das Abfahren im technischen Gelände. Einsteiger schätzen sie außerdem wegen des leichteren Auf- und Absteigens. Hierzu genügt, im Gegensatz zum MTB-Bereich, bereits ein Hub von 40–70 mm – eben genau so viel, um den Sattel ausreichend weit „aus dem Weg“ zu bekommen. Warum verbauen dann nicht alle Hersteller versenkbare Sattelstützen? Weil das zusätzliche Bedienelement am Lenker nicht nur das Gewicht ein wenig nach oben treibt, sondern man auch Kompromisse eingehen muss, was den Gesamtkomfort des Bikes angeht. Während viele Carbon-Stützen bereits bei mäßigem Auszug eine effektive Vibrationsdämpfung bieten, liegt die Stärke von versenkbaren Sattelstützen eindeutig nicht im Bereich Compliance. Für einen bestimmten Teil des Gravel-Marktes sehen wir sie als clevere Option, eine generelle Empfehlung können wir jedoch nicht aussprechen.

Das Abenteuer ruft: Bikepacking und Biketouring

Gravel-Bikes verleiten zum Entdecken und erweitern den Horizont. Wenn die heimischen Gefilde erkundet sind, ist der erste Bikepacking-Trip nicht mehr weit. Hier bieten Rahmen-Sets mit zahlreichen Anschraubpunkten gute Möglichkeiten, um Taschen und Gepäck sicher am Bike zu montieren. Zu viele Anschraubpunkte kann es genauso wenig geben wie zu viele Snacks für unterwegs! Achtet darauf, dass außer den üblichen Montagemöglichkeiten für Flaschenhalter auch Anschraubpunkte für Schutzbleche und idealerweise auch für Gepäckträger am Rahmen-Set vorhanden sind. So habt ihr zukünftig die Wahl, ob ihr euer Bike lediglich im Urlaub nutzen möchtet oder ob die Bikepacking-Tour zur Urlaubsdestination bereits Teil der Reise ist.

Aero ist alles

… nur eben nicht am Gravel-Bike. Zwar hatten wir einige Bikes mit aerodynamischen Features im Vergleichstest, doch die eigentlichen Quellen des Luftwiderstands sind die Frontalflächen der Reifen mit 700 x 40C, die vielen Luftverwirbelungen durch Profilreifen, die außenliegenden Züge etc. und die oftmals aufrechtere Sitzposition. Macht euch also wegen der Aerodynamik weniger Sorgen und genießt lieber die frische Brise, die durchs Flanellhemd zieht!

2-fach is not dead!

Eine gut abgestimmte 2×11- bzw. 2×12-Schaltgruppe erweitert den Einsatzbereich eines Bikes enorm. Die kleineren Gangsprünge sorgen für optimale Performance im weniger anspruchsvollen Gelände und moderne Schaltwerke mit Clutch-Mechanismus vermeiden das Abspringen oder das Klappern der Kette offroad. Schaltgruppen mit 1-fach-Antrieben sind die erste Wahl für alle, die oft im rauen Gelände unterwegs sind und intuitive Schaltlogiken sowie eine cleane Optik bevorzugen. Mit den riesigen 10–50-T-Kassetten vieler SRAM-Schaltgruppen bieten sie ein Übersetzungsverhältnis von bis zu 500 %. Auch Mitbewerber Shimano bietet eine Kassette mit gigantischer 10–51-T-Bandbreite an. Der Einsatzbereich ist mit diesen Kassetten sehr breit gefächert, obwohl man nur ein Kettenblatt nutzt – aber die Gangsprünge fallen deutlich größer aus.

Komfort gibt’s serienmäßig

Nahezu jedes Bike in unserem großen Vergleichstest verfügt über mindestens ein Komfortelement. Außerdem zeigen innovative Lösungen wie das IsoSpeed-System von Trek oder das Future Shock 2.0-Federelement von Specialized, dass gedämpfter Komfort ein fester Bestandteil der nächsten Bike-Generationen sein wird.

Es kommt auf die richtige Größe an

Wenn es um die Rahmengröße des Traumrades geht und man genau an der Grenze zwischen zwei Größen steht, greifen Rennradfahrer häufig zum kleineren Rahmen und gleichen die fehlenden Millimeter durch einen längeren Vorbau aus. Für die Anschaffung eines Gravel-Bikes können wir das so nicht bedingungslos empfehlen. Für Gravel-Racer und sehr sportive Fahrer mag diese Faustregel weiterhin funktionieren, bei Hobby- und Genussfahrern sieht es jedoch anders aus. Hier raten wir zur größeren Rahmengröße und zu einem kürzeren Vorbau. Wie bei Mountainbikes ermöglicht dieser Kniff eine bessere Balance aus Laufruhe und Agilität im groben Gelände und eine aufrechtere und damit entspanntere Sitzposition. Ein Bike-Fitting vom Experten ersetzt diese Faustregel natürlich nicht.

Raus mit dem Schlauch: tubeless

Bei Tubeless-Systemen wird der Schlauch durch eine dichtende Flüssigkeit ersetzt. Viele der momentan erhältlichen Reifen-Felgen-Kombinationen erlauben eine Umrüstung vom Clincher-Schlauch- zum Tubeless-Setup. Wenn ihr euer Bike auf Tubeless umrüsten wollt, zeigen wir euch hier, wie es geht. Immer mehr Bike-Marken bieten ihre Modelle bereits ab Werk als Tubeless-Variante an und selbst Rennrad-Profis zeigten bei der Tour oder der Vuelta, dass die Ära von Clincher, Tubular und Co. Vergangenheit ist. Neben der viel geringeren Wahrscheinlichkeit, einen Plattfuß zu bekommen, sind es auch die verbesserten Fahreigenschaften, die für Tubeless sprechen. Die Reibung zwischen Mantel und Schlauch entfällt und der Pneu kann so besser walken, rollt schneller und passt sich den Unebenheiten des Bodens besser an. Durchschläge führen nicht mehr direkt zum Platten, weshalb man geringere Drücke fahren und ein höheres Level an Komfort genießen kann. Win-Win!

Es braucht Gravel-spezifische Produkte

Wenn der Gravel-Sektor so vielschichtig ist, wie kann es dann sein, dass man spezifische Produkte benötigt? Wir sprechen hier nicht etwa von Accessoires wie dem stylishen Hemd oder der Titan-Tasse für die Satteltasche – obwohl das auch nicht zu verachtende Produkte sind 😉 Nein, uns geht es in erster Linie um die Reifen! Wenn sich die Beschaffenheit des Untergrundes stetig ändert, braucht es einen erstklassigen Reifen. Er sollte über ausreichend Grip verfügen, leichtfüßig abrollen, eine gute Eigendämpfung besitzen und eine einfache Tubeless-Montage erlauben. Aus was ein Reifen besteht, wie breit er sein sollte und welche Profile über die besten Allround-Eigenschaften verfügen, erfahrt ihr in unserem Gravel-Reifen-Vergleichstest. Mit steigendem Volumen der Reifen wächst übrigens auch die Sensibilität gegenüber Änderungen im Reifendruck. Unsere Tipps zur Bestimmung des idealen Reifendrucks findet ihr ebenfalls in unserem Gravel-Reifen-Vergleichstest.

Gravel hat Flare

Eine weitere Produktempfehlung haben wir noch für euch: Am Gravel-Bike sind Lenker mit Flare ein Muss! Die leicht nach außen gestellten Unterlenker sorgen für mehr Kontrolle, da die Ellenbogen des Fahrers automatisch weiter nach außen rücken. Der Griff im Oberlenker oder auf den Hoods kann je nach Bauart trotzdem angenehm kompakt und damit roadie-like aerodynamisch gehalten werden. Bei der derzeit erhältlichen Modellpalette ist für jeden etwas dabei. So reicht die Spannweite von Flare-Lenkern mit klassischer Form wie dem Easton EC70 AX über sehr breite Modelle um 480 mm wie den Syntace Racelite Carbon bis hin zu speziell geformten Optionen wie dem 3T SuperGhiaia mit geraden Hoods oder dem Ritchey WCS Venturemax mit ergonomisch geformten Drops.

Das metallische Comeback

Carbon ist ein unglaublich vielseitiges Material, das in den letzten Jahren das Erscheinungsbild der Bike-Welt komplett verändert hat. Gleichzeitig haben sich auch die Verarbeitungsprozesse von Aluminium und Stahl weiterentwickelt und ermöglichen neue Konzepte und Konstruktionen. Im Vergleich zu Carbon-Rahmen-Sets werden Alu- und Stahl-Modelle häufig als günstigere Alternative wahrgenommen und in einigen Fällen sind sie tatsächlich die preisattraktivere Variante. Bikes wie das Standert Pfadfinder oder das Liteville 4-ONE MK1 zeigen jedoch, dass die metallischen Rahmen-Sets auch jenseits des Preisvorteils ihre Berechtigung haben. Je nach Einsatzgebiet kann folglich auch ein moderner Alu- oder Stahlrahmen eine sehr gute Wahl sein.

Die Grenzen verschmelzen: Mountainbike – Gravel-Bike

Während sich das Rad der Zeit immer weiter dreht, kommt es irgendwann wieder am Anfang an und beginnt von vorne. Genau an diesem Punkt befindet sich gerade ein Teil des Gravel-Bike-Marktes. Vergleicht man mit Federgabel und Dropper Post ausgestattete Gravel-Maschinen oder Bikes wie das vollgefederte Niner MCR 9 RDO mit den Mountainbikes der 90er-Jahre, sind die konzeptionellen Unterschiede kaum noch vorhanden: John Tomac fuhr auf dem Yeti C-26 mit Rennlenker, großvolumigen Reifen und 40 mm Federweg an der Front von Sieg zu Sieg. Die Vielseitigkeit moderner Interpretationen dieses Konzepts übertrifft die damaliger Modelle zwar um Längen, aber ein superleichtes und vollgefedertes Cross-Country-Mountainbike ist oft nicht weit entfernt von heutigen Gravel-Bikes. Während dieser Trend kritisch hinterfragt werden kann, zeigt er doch, welche technischen Möglichkeiten Hersteller bereits heute haben. Bewegen wir uns auf das ultimative Offroad-Bike zu, das den XC-World-Cup und Events wie das Dirty Kanza gewinnen kann?


Alles rund um das Thema Gravel und das beste aktuelle Gravel-Bike findet ihr unter granfondo-cycling.com/de/das-beste-gravel-bike/


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als GRAN FONDO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die New-Road-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!

Text: Benjamin Topf, Robin Schmitt Fotos: Robin Schmitt, Benjamin Topf