Mit dem Focus Paralane2 (sprich: Paralane Squared) stellt der Cloppenburger Hersteller sein erstes serienreifes Elektro-Rennrad vor. Nachdem wir als weltweit erstes Magazin den Prototypen bereits im letzten Jahr testen konnten, haben wir nun die marktreife Version für euch unter die Lupe genommen. Was kann das Serienbike? Kann man 1.000 km mit einer Akkuladung fahren und funktioniert das Fahren in der Gruppe?

Focus Paralane2 9.6 | 13,50 kg | € 5,199

Die Elektrifizierung des Mountainbike-Marktes ist längst im vollen Gange. Nun schwappt die Innovationswelle auch auf den Rennrad-Bereich über und so bieten viele Hersteller eine immer breitere Auswahl an Elektro-Rennrädern an. Focus hat mit dem sogenannten Project Y als einer der ersten Hersteller ein spannendes und rundes Konzept für E-Rennräder präsentiert, das bereits auf sehr viel positive Resonanz gestoßen ist und auch den prestigeträchtigen Design & Innovation Award gewann. Aus dieser Studie entspringt das neue Focus Paralane2. Selbst erklärtes Ziel von Focus ist zu zeigen, wie sportlich ein E-Bike sein kann – ohne Anspruch auf ein Supersportler-Image. Eher Porsche Cayenne als ein 911er also.

Wie wir aus unserer letzten Leserumfrage erfahren haben, ist für euch der Spaß am Radfahren der Hauptgrund, um auf’s Bike zu steigen. Mit dem Paralane2 will Focus eben genau dieses persönliche Spaß-Erlebnis für eine größere Zielgruppe zugänglich machen. Dabei geht es nicht nur darum, Gruppenfahrten zu homogenisieren oder Freundschaften zu retten. Auch ambitionierteren Fahrern kann so beispielsweise der Weg zur Arbeit erleichtert werden: Raus aus dem Auto oder der stickigen Bus- und Bahnluft, drauf auf’s Bike – und das alles ohne Stempel eines Trekkingbikers auf der Stirn. Harmonie in der Gruppe, entspannteres Commuting auf coole Art– was braucht’s noch? Vielleicht bedarf es eines Umdenkprozesses. Rennradfahren muss nicht immer in der Lunge brennen, sondern kann auch einfach nur Spaß auf 20 km Länge bedeuten. Ob die Königsetappe der Tour de France oder der Weg zur Arbeit – was auch immer dein persönliches Alp d’Huez ist, Focus präsentiert mit dem Paralane2 seine Interpretation des perfekten Begleiters für eben all jene Situationen.

E-Roadbikes sind ausschließlich für Frauen …
… und ältere Semester. *hust*

Focus Paralane2 – Konzept und Ausstattung

Basierend auf den Erkenntnissen der Entwicklung des Focus Sam2 möchten die Cloppenburger mit dem Paralane2 die Vorzüge eines Rennrads mit denen eines E-Bikes kombinieren. Dabei wird der Elektromotor weniger als permanenter Antrieb, sondern als Unterstützung in bestimmten Situationen verstanden. So wird dem Fahrer etwas von dem Leiden am Berg oder der Quälerei im Gegenwind genommen, während der E-Motor mit einer Nennleistung von 250 W und einer maximalen Leistung von 400 W bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h unterstützen soll. Wer darüber hinaus Gas geben möchte, profitiert davon, dass der FAZUA-Motor im Leerlauf, also wenn er nicht unterstützt, keinen spürbaren, zusätzlichen Widerstand generiert.

Bei der Umsetzung des E-Road-Konzepts hat Focus sein Paralane2 mit verschiedensten Technologien vollgepackt. In erster Linie ist hier der sogenannte Road Boost Axle Standard zu nennen. Genau, ein neuer Standard. In diesem Fall soll die 12×148 mm Einbaubreite des Hinterrades für eine bessere Kettenlinie sorgen, die den Antrieb leiser, effizienter und langlebiger machen soll. Dies wird nötig, da der FAZUA-Motor den Q-Faktor des Tretlagers um 6 mm verbreitert. Als logische Konsequenz hat Focus in Kooperation mit DT Swiss den im Rennradbereich etablierten Achsstandard von 142 mm Breite um eben diese 6 mm vergrößert. Konsequenterweise kommt in der Front eine 110 mm breite Boost Achse anstelle der üblichen 12×100 mm Achse zum Einsatz.

Road Boost Axle Standard und Rapid Axle Technology. Clever: Montagemöglichkeit für’s Schutzblech
Der Shimano 105 Antrieb verrichtet unauffällig seinen Dienst
Nachteil des Mittelmotors: Kette und Antrieb sind größeren Krafteinwirkungen ausgesetzt

Der Carbon-Rahmen des Paralane2 wird in vier Größen von S bis XL erhältlich sein und bietet genügend Reifenfreiheit für bis zu 35 mm breite Pneus. Focus preist den Rahmen außerdem serienmäßig als “Out of the Box waterproof” an. Dementsprechend bietet der Rahmen nicht nur Fender-Montagemöglichkeiten, sondern wird ab Werk bereits mit Schutzblechen geliefert.

Ein Speichenmagnet dient als Geschwindigkeitssensor des FAZUA Antriebs
160 mm Discs an Front und Heck
Kompakte Bauweise und volle Integration

Als weiteres Feature lässt sich die 3,3 kg schwere, im Unterrohr sitzende Batterie- und Motoreinheit aus dem Hause FAZUA entfernen und durch eine Abdeckung ersetzen. Während die Batterie eine Kapazität von 250 Wh aufweist, liefert der Motor ein maximales Drehmoment von 60 Nm.

Die FAZUA-Einheit: Motor und Batterie in einem Bauteil
Nach langem Stillstand muss das System direkt an der Batterie aktiviert werden

Focus Paralane2 – Preise, Gewicht & Ausstattung

Das von uns getestete Modell entstammt der Konfiguration 9.6 und weist neben der Shimano 105 R7000 Gruppe ein Aluminium Cockpit aus dem Hause Focus auf. Die 27,2 mm Carbon-Sattelstütze von BBB wurde von Focus entwickelt, wird jetzt aber auch von BBB vertrieben. In den DT Swiss RR 521-Felgen sind DT Swiss 370-Naben eingespeicht, während die Vectran-verstärkten und 28 mm breiten Continental 4-Season-Reifen für Bodenhaftung sorgen sollen. Schlussendlich bringt das Focus Paralane2 9.6 13,5 kg in Größe M auf die Waage. Das Paralane2 wird es außerdem in folgenden Spezifikationen geben:

Focus Paralane2 9.9 – 10.499 €

Motor/Akku Fazua Evation, 250 Wh
Bremsen Shimano Dura Ace
Schaltung Shimano Dura Ace Di2
Laufräder DT Swiss ERC 450 DB

Focus Paralane2 9.8 – 6.999 €

Motor/Akku Fazua Evation, 250 Wh
Bremsen Shimano Ultegra
Schaltung Shimano Ultegra Di2
Laufräder DT Swiss RR521 Spline

Focus Paralane2 9.7 – 5.999 €

Motor/Akku Fazua Evation, 250 Wh
Bremsen Shimano Ultegra
Schaltung Shimano Ultegra
Laufräder DT Swiss RR521 Spline

Focus Paralane2 9.6 – 5.199 €

Motor/Akku Fazua Evation, 250 Wh
Bremsen Shimano 105
Schaltung Shimano 105
Laufräder DT Swiss RR521 Spline

Focus Paralane2 9.6 – Test, Reichweite und Fahren in der Gruppe

Im Praxistest machen sich die Vorteile des Mittelmotors deutlich bemerkbar und resultieren in einem neutralen und gutmütigen Handling. Aufgrund der zentralen Positionierung eines Großteils des Gewichts bleibt das Paralane2 stets berechenbar und präzise. Bei zügigen Richtungswechseln, möchte das Rad jedoch mit Nachdruck umgelegt werden. Ist der gewünschte Kurs dann eingeschlagen, folgt es kontrolliert und laufruhig dem Kurvenverlauf. Bei Sprints spürt man das Mehrgewicht im Handling. Die kompakte Sitzposition lässt genügend Spielraum für den Fahrer, um das eigene Körpergewicht je nach Fahrsituation zu verlagern und erinnert an jene eines modernen Endurancebikes. Logisch, schließlich basiert das Paralane2 auf dem Focus Paralane. Im Downhill vermittelt das Bike ein hohes Sicherheitsgefühl und liegt sehr satt und sicher auf der Straße, lediglich bei Bremsmanövern muss man sich bewusst sein, dass man rund 4 kg Mehrgewicht abzubremsen hat.

Je nach gewählter Unterstützungsstufe bietet der FAZUA Antrieb Schweißperlen oder Superman-Qualitäten am Berg. In der höchsten Unterstützungsstufe fliegt man mit einem magischen Lächeln den Berg hinauf, in der mittleren Stufe muss man deutlich stärker pedalieren und in der untersten Unterstützungsstufe fragt man sich, ob diese überhaupt das Mehrgewicht des Bikes ausgleicht. Unabhängig von der Unterstützungsstufe verliert man beim Paralane2 am Berg das sonst leichtfüßig agile Handling eines leichten Rennrads.

In der Ebene ist die Sache klarer: Hier lässt sich das Bike, wie erwartet, sehr entspannt bis 25 km/h cruisen. Die entspannt-aufrechte Sitzposition und das sichere Handling ermöglichen es dem Fahrer die Eindrücke der Umgebung auf sich wirken zu lassen: purer Genuss!

Beschleunigt man über 25 km/h hinaus, entkoppelt der Motor gänzlich. Das spart Batterie für den nächsten Anstieg und bringt Punkte auf’s Trainingskonto. Ach ja, auf die Frage, wie weit man mit einer Akkuladung kommt, gibt es bei Elektro-Rennrädern keine eindeutige Antwort: Fährt man oberhalb der 25 km/h-Schwelle, sei es aus komplett eigener Kraft oder durch Windschattenfahren bei den Kollegen, wäre es prinzipiell möglich mit einer Akkuladung 1.000 km weit zu fahren. Wer hingegen einen Hausberg mit einem 40 km-Uphill über 2.000 Höhenmeter zu meistern hat, wird mit einer Akkuladung vielleicht einmal hinauf kommen. Dies alles hängt jedoch entscheidend vom Fahrergewicht, gewählter Unterstützungsstufe, Trittfrequenz und rund 21 weiteren Parametern ab, welche allesamt die Reichweite beeinflussen. Die Realität sah hingegen bei uns so aus: Nach einer Strecke von 70 km, 1.000 Höhenmetern und Fahren in der Gruppe, das heißt mit wechselndem Windschatten-Lutschen hatten wir mit rund 73 kg Fahrergewicht am Ende des Tages noch 25 % Restladung übrig – zumindest im Akku des Focus.

Platte Beine: Auch E-Biken kann verdammt anstrengend sein! Es kommt nicht nur darauf an, was du fährst, sondern wie du fährst!

Fährt man in der Gruppe und der vorausfahrende Fahrer beschleunigt zügig auf über 25 km/h, muss man ordentlich in die Pedale treten, um im Windschatten zu bleiben. Hält man das Rad und die Geschwindigkeit konstant, ist es auch für Einsteiger ohne unterstützenden Motor möglich am Hinterrad des Vordermanns zu bleiben. E-Bike-typisch generiert der Motor eine – wenn auch unterschwellig – wahrnehmbare Geräuschkulisse.

In Sachen Komfort ist das Focus Paralane2 eher sparsam. Zwar liefert die Carbon-Sattelstütze etwas Nachgiebigkeit, jedoch ist der Rahmen bauartbedingt relativ steif und generiert wenig Dämpfung am Heck. Aufgrund des steifen Aluminium-Cockpits und der steifen Gabel produziert das Gesamtsystem wenig Komfort. Das Volumen der 28 mm breiten Reifen bietet dem Fahrer immerhin etwas Entspannung.

Nach wie vor fragwürdig ist die Ästhetik der FAZUA Anzeige am Lenker, die so gar nicht zu dem hochwertig verarbeiteten Carbon-Rahmen passen will. Hier hat sich seit dem Prototypen-Status leider noch nichts getan.

Um das System nach längerem Stillstand zu starten, ist die Entnahme des Akkus notwendig. Bei unserem Testbike klemmte der Verschluss hin und wieder, was das erneute Einklinken der FAZUA-Einheit erschwerte.

Focus Paralane2 – Fazit

Focus liefert mit dem Paralane2 eine ästhetisch ansprechende und integrierte Lösung für den E-Roadbereich mit einem ausgewogenen und sicheren Handling. Auch ohne Motorunterstützung ist das Bike jenseits der 25 km/h-Grenze im Windschatten der Mitstreiter noch gut fahrbar. Im Vergleich zum Project-Y-Prototypen hätten wir uns jedoch eine Verbesserung der FAZUA-Steuereinheit gewünscht. Mit dem Paralane2 finden sowohl ambitionierte Pendler als auch Genussfahrer eine spannende Alternative, die so manchen Zweitwagenkauf ersetzen kann.

Eine begrenzte Stückzahl des Focus Paralane2 soll ab Anfang Juli im Handel verfügbar sein. Weitere Informationen findet ihr auf der Homepage des Herstellers focus-bikes.com

Wie steht ihr zum E-Trend bei Rennrädern? Schreibt uns eure Meinung an hello@granfondo-cycling.com


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Text: Fotos: Robin Schmitt