Das ATLAS ist das erste Gravel-Bike aus dem Hause FOCUS und wird in insgesamt vier Versionen angeboten – allesamt mit Alu-Rahmen und Carbon-Gabel. Wir haben mit dem ATLAS 6.8 für 1.999 € das zweitteuerste Modell für euch getestet. Wie sich das Gravel-Rad mit 2-fach-Antrieb in der Praxis schlägt, erfahrt ihr hier.
„Made to lose“ – mit diesem auf den ersten Blick doch recht seltsam anmutenden Slogan preist FOCUS das erste Gravel-Bike in der Firmenhistorie an. Was aber sollen wir verlieren? Unsere Gravel-Bike-Jungfräulichkeit? Da hätten die Jungs und Mädels aus Stuttgart schon etwas früher mit ihrem Gravel-Rad vorbeikommen müssen. Nein, das FOCUS ATLAS soll vielmehr dafür sorgen, dass wir den Alltagsstress verlieren, der uns von 0 bis 24 Uhr begleitet. Einmal den Kopf freipusten und den Neustartknopf drücken. Die Zeit aus den Augen verlieren und sich auf die wesentlichen Dinge im Leben konzentrieren. Dabei dürfen gerne kiloweise Ballast und literweise Sorgen und Ängste verloren werden. Ein Bike zum Verlieren – und zum Gewinnen gleichermaßen. Dem Gewinnen neuer Energie, Entschlossenheit und Ausgeglichenheit. Ist das möglich? Kann ein Gravel-Bike ein so großes Versprechen überhaupt einlösen? Die Antwort auf diese Frage beantworten wir euch im folgenden Test.
Das FOCUS ATLAS im Detail
Beim Blick auf das FOCUS ATLAS fällt sofort auf: Hier steht ein reiselustiges Gravel-Bike vor uns! Gespickt mit zahlreichen Anschraubpunkten für eine Tasche auf dem Oberrohr, zwei Trinkflaschen im Rahmendreieck, eine Tool-Box am Unterrohr, drei Ösen pro Gabelseite für Flaschen oder Gepäck (max. 3 kg Zuladung pro Seite) und weiteren Montagepunkten für Gepäckträger und Schutzbleche. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass das ATLAS direkt vom Hersteller als Commuter-Version angeboten wird. Auffällig ist die Wahl der Nabenbreite. FOCUS setzt auf das Road-Boost-Maß mit 12 x 110 mm vorne und 12 x 148 mm hinten, was laut Hersteller zu mehr Stabilität und optimaler Speichenspannung führt. Die Laufradsatz-Nachrüstoptionen sind dafür sehr eingeschränkt, da die meisten Gravel-Laufradsätze mit schmaleren Naben angeboten werden. In Sachen Reifenfreiheit gibt sich das Rahmen-Set flexibel und bietet Platz für Pneus mit bis zu 700 x 47C.
Das FOCUS ATLAS ist in insgesamt vier Versionen erhältlich und soll damit mehrere Einsatzmöglichkeiten und Zielgruppen abdecken. Den Anfang macht das ATLAS 6.7 für 1.599 € mit Shimano GRX RX400 2×10-fach-Schaltgruppe – für den Einstieg in die Gravel-Welt mehr als ausreichend! Das ATLAS 6.7 EQP ist die 200 € teurere Commuter-Version des 6.7 und wird mit Nabendynamo, Lichtanlage, Gepäckträger, Schutzblechen, Seitenständer und schmaleren Reifen ausgeliefert. Definitiv eine interessante und preislich attraktive Option für alle, die ein Rad für jedes Wetter zum Pendeln auf die Arbeit suchen. Unser Testrad, das ATLAS 6.8 für 1.999 €, ist mit Shimano GRX RX600 2×11-fach Schaltgruppe und höherwertigen Laufrädern ausgestattet. Das ATLAS-Paket wird vom 6.9 für 2.499 € abgerundet; montiert sind eine Shimano GRX RX810 1×11-fach-Schaltgruppe, eine Carbon-Sattelstütze und DT Swiss-Laufräder. Bei der Reifenwahl verlässt sich FOCUS auf den Allrounder aus dem Hause WTB: den Riddler TSC, der auch bei unserem letzten Gravel-Reifen-Vergleichstest mit an den Start gegangen ist.
Die Ausstattung des FOCUS ATLAS 6.8
Schaltgruppe Shimano GRX RX600, 2 x 11, 46/30T
Kassette Shimano 105, 10–34T
Bremsen SRAM GRX RX600, 160/160 mm
Laufräder Alexrims (in Serienausstattung mit Novatec 25 Elite)
Reifen WTB Riddler TSC 700 x 45C
Sattelstütze FOCUS Aluminium, 0 mm Versatz
Lenker FOCUS Aluminium, 440 mm
Vorbau FOCUS Aluminium, 90 mm
Gewicht 10,56 kg in Größe L
Preis 1.999 €
Verfügbarkeit ab sofort
Die Geometrie des Gravel-Bikes
Das FOCUS ATLAS sieht nicht nur riesig aus – es ist auch in der Realität ein groß gewachsenes Gravel-Bike! Mit einem Radstand von 1.072 mm in unserer Testgröße L ist es eines der längsten Bikes, die wir je gefahren sind. Lässt es sich damit nur in der Ebene geradeaus fahren oder sind auch Spitzkehren auf heimischen Trails möglich?
Größe | XS | s | M | L | XL |
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Sattelrohr | 450 mm | 490 mm | 520 mm | 550 mm | 590 mm |
Oberrohr | 484mm | 509 mm | 532 mm | 556 mm | 577 mm |
Steuerrohr | 114mm | 129 mm | 144 mm | 164 mm | 194 mm |
Lenkwinkel | 70,5° | 70,5° | 70,5° | 70,5° | 70,5° |
Sitzwinkel | 74° | 73,5° | 73,5° | 73,5° | 73,5° |
Kettenstrebe | 425 mm | 425 mm | 425 mm | 425 mm | 425 mm |
Tretlager Absenkung | 75 mm | 75 mm | 75 mm | 75 mm | 75 mm |
Radstand | 1015 mm | 1030 mm | 1051 mm | 1072 mm | 1092 mm |
Reach | 370 mm | 380 mm | 395 mm | 410 mm | 420 mm |
Stack | 568 mm | 582 mm | 596 mm | 615 mm | 643 mm |
Das FOCUS ATLAS 6.8 im Test
Unauffällig fügt sich das ATLAS mit seinem hellgrünen Kleid in die winterlichen Wälder um Stuttgart ein. Durch das C.I.S.-Cockpit (Cockpit Integrated Solution) verlaufen die Kabel sauber vom Lenker direkt ins Steuerrohr und anschließend komplett intern im Rahmen weiter. Feine Details wie der Übergang der Kettenstreben zum Tretlagerbereich wissen ebenfalls zu gefallen.
In puncto Beschleunigung darf man von einem 10-kg-Bike natürlich keine Wunder erwarten. Bedingt durch das vergleichsweise hohe Systemgewicht fehlt es dem ATLAS-Gravel-Bike an Spritzigkeit und Leichtfüßigkeit beim Antritt aus dem Stillstand. Dafür kann das Rad mit einer direkten Kraftübertragung glänzen – hier macht sich der steife Aluminium-Rahmen positiv bemerkbar. Einmal auf Tempo gebracht, überzeugt das FOCUS-Bike durch seine hohe Effizienz und den Willen, mit konstanter Geschwindigkeit über Felder und durch Wälder zu schießen, unabhängig von der Bodenbeschaffenheit. Das FOCUS ATLAS ist kein Ferrari F40, der mit atemberaubender Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit in der Ebene verblüfft. Es ist vielmehr vergleichbar mit eurem treuen 2-Liter-Dieselmotor, der seit 400.000 km seinen Dienst verrichtet und einen Kilometer nach dem anderen frisst, ohne dabei allzu viel Treibstoff zu verbrauchen. Seine zu erwartende Laufleistung? Tendiert gegen unendlich.
Biegt ihr vom befestigten Weg auf den nächsten Flow-Trail ab, muss sich das ATLAS ein Grinsen verkneifen. Hier lautet das Motto: Je schneller, desto besser! Mit stoischer (Lauf-)Ruhe vermittelt das FOCUS-Bike viel Sicherheit und Vertrauen, hier machen sich der lange Radstand und der 70,5° flache Lenkwinkel positiv bemerkbar. Spitzkehren wiederum sind nicht die Lieblingskurven des Bikes, hier mangelt es trotz der modernen Kettenstrebenlänge von 425 mm an Wendigkeit und Agilität. Lieber steuert es durch große Schotterkurven, in denen auch die WTB Riddler-Reifen (zum Test) mit viel Traktion in jeder Lage ihre Stärken ausspielen können.
Wenn es um Komfort geht, müsst ihr mit dem ATLAS ein paar Abstriche machen. Kleine Vibrationen werden komplett von den breiten WTB Riddler-Pneus in 700 x 45C geschluckt, wodurch auch lange Fahrten auf Schotterpisten und schlechten Asphaltdecken kein Problem sind. Für gröbere Hindernisse wie Steine, Wurzeln oder Absätze fehlt es dem FOCUS-Bike im Vergleich zu seinen Kontrahenten aus Carbon jedoch an Compliance. Die guten Nachrichten sind, dass in der Hinsicht noch viel Upgrade-Potenzial besteht und sich das FOCUS für ein Gravel-Bike mit Alu-Rahmen und Carbon-Gabel keineswegs für seine Komfortwerte verstecken muss. Sowohl den Alu-Lenker als auch die Alu-Sattelstütze ohne Setback mit einem Standard-Durchmesser von 27,2 mm kann man einfach und schnell gegen Anbauteile mit mehr Compliance aus Carbon austauschen. Auch Komponenten wie die Cane Creek eeSilk-Sattelstütze (zum Test) oder der Redshift ShockStop-Vorbau (zum Test) können den Langstreckenkomfort deutlich verbessern.
Unser Fazit zum FOCUS ATLAS 6.8
Das FOCUS-Gravel-Bike ist wie geschaffen für lange Touren, Bikepacking-Abenteuer oder das tägliche Pendeln zur Arbeit und glänzt mit einer großartigen Effizienz. Wer auf der Suche nach einem spritzigen und wendigen Gravel-Bike ist, sollte sich andere Räder anschauen. Dafür bekommt ihr mit dem FOCUS ATLAS 6.8 ein vielseitiges Gravel-Sorglos-Paket, das durch seine Laufruhe, gute Verarbeitung und eine solide Vibrationsdämpfung glänzt. Und das alles für absolut faire 1.999 €.
Tops
- große Alltagstauglichkeit durch viele Anschraubpunkte für Trinkflaschen, Schutzbleche und Gepäckträger und sogar Seitenständer
- hohe Laufruhe
- solide Vibrationsdämpfung
- hohe Effizienz
Flops
- geringer Komfort im ruppigen Terrain
- Road-Boost-Maß der Laufräder schränkt Upgrade-Möglichkeiten ein
Mehr Informationen zum FOCUS ATLAS 6.8 findet ihr unter focus-bikes.com.
Euch hat das Gravel-Fieber gepackt und ihr wollt alles wissen, was es dazu zu wissen gibt? Dann lest euch unsere ausführliche Gravel-Kaufberatung durch!
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Text: Fotos: Rudolf Fischer