Wo und wie wird das Pinarello Dogma gebaut? Warum muss Pinarello neue T-Shirts drucken? Und wie sieht es am Firmensitz in Treviso eigentlich aus? Wir waren zu Besuch bei Pinarello – und haben uns dann ein Dogma F10 geschnappt und sind nach Alta Badia in die Dolomiten gefahren.

Hat man die Bilder von den Erfolgen und dem Auftritt von Team Sky im Kopf, erwartet man bei Pinarello ein absolutes Hightech-Zentrum. Doch die Realität am Firmensitz in Treviso, 30 km von Venedig entfernt, sieht anders aus.

Cicli Pinarello wurde im Jahre 1953 im Zentrum von Treviso von dem Rennradfahrer Giovanni „Nani“ Pinarello gegründet, nachdem er von seinem Team nicht mehr für den Giro d’Italia nominiert wurde. Doch dass eine „Niederlage“ auch immer etwas Gutes mit sich bringt, hatte Nani schon zwei Jahre zuvor gelernt, als ihm während des Giro d’Italia als Träger des Schwarzen Trikots viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Dank der Nichtteilnahme am Giro konnte er nun er seinen Traum von einem Bikehandel und Workshop realisieren, in dem alle Bikes von Hand gefertigt werden sollten.

Fausto Pinarello im Ausstellungsraum des Firmengebäudes mit zahlreichen Trophäen im Hintergrund

Im Zuge des Wachstums der 70er und 80er Jahre wurde der Firmensitz an den Stadtrand verlegt, im Jahre 1988 trat dann Nanis Sohn Fausto Pinarello in die Firma ein. Anfangs setzte ihn sein Vater in der Lackiererei ein, im Laufe der Jahre vermittelte er ihm die unternehmerischen Fähigkeiten. Als Fausto 20 war, übertrug er ihm bereits die ersten Managementaufgaben, was Fausto zu nutzen wusste. Sein Gespür für „zweitklassige“ Teams mit großem Entwicklungspotenzial sollte den Erfolg von Cicli Pinarello prägen. Die 90er Jahre waren sein Zeuge … und wir auch, als uns Luciano, General Manager von Pinarello, an den heiligen Schrank im Fond der Industriehalle führte, wo die Fahrerdaten aller historischen Teams lagern. Doch alles der Reihe nach.

Rechts neben dem Olivenbaum befindet sich der Haupteingang in die Hallen von Pinarello. Der schwarze Teil des Gebäudes ist der vor 10 Jahren erbaute Bürokomplex, dahinter befinden sich Lager und Produktion.
Die Rezeption…
… Eintritt in die Produktionshalle. Fotos durften wir machen!

Die heutige Firma befindet sich in der alten Lackierfabrik der 70er Jahre, wo vor 10 Jahren ein Bürokomplex angebaut wurde. In Sichtweite des Firmensitzes planen die Italiener aktuell einen neuen Flagship Store, der repräsentativer sein und ein besseres Pinarello-Erlebnis bieten soll.

Luciano führte uns überall herum und klärte uns während des Besuchs auf: Wer aufgrund des Engagements mit Team Sky erwartet, dass Pinarello ein gigantisches Unternehmen sei, der liegt falsch. Nur rund 35.000 Bikes produziert Pinarello jährlich, das Dogma ist mit ca. 12.000 Stück das mit Abstand stärkste Modell.

Mit diesem Wissen und der Einführung in die Geschichte des Hauses im Hinterkopf waren wir gespannt, die Produktion zu sehen. Die Rahmen werden alle in Asien gefertigt, lediglich die Lackierung und Montage der Dogma-Modelle erfolgt in Treviso am Firmensitz.

Schwarzgold oder Rohdiamanten? Eine Lieferung Dogma F10 wartet darauf, lackiert zu werden.
Die Rahmen werden von Hand abgeklebt und dann lackiert. Pro Farbe ist ein Lackiervorgang notwendig.
Automatisierung oder Maschinen – Fehlanzeige! Hier wird alles per Hand gemacht. Nach jeder Schicht Farbe kommen die Rahmen in die Brennkammer.
Im Anschluss werden die Rahmen für die Decals vorbereitet …
… Gleiches gilt auch für die Gabeln.
Wie dieses Decal ohne Markierung auf dem Rahmen perfekt positioniert auf das Unterrohr kommt?
Marco, der diese Arbeit seit 31 Jahren bei Pinarello macht, hat eine klare Antwort: „occhio“ – Augenmaß!
Für einen Aufpreis von 700 € kann man mit dem My-Way-Programm von Pinarello die Rahmenfarben individualisieren
Hinter diesen Schranktüren liegt ein wahrer Schatz verborgen …
…nämlich die Fahrerdaten vieler legendärer Teams, die von Pinarello gesponsert wurden.
Stilecht verpackt finden sich die Maße …
… von Miguel Indurain und Co in diesen Boxen.
Wem wohl dieses Pinarello gehört?
Fausto Pinarello hat sich Mitte 2018 die Hüfte gebrochen und ist nun mit Krücken und Tiefeinsteiger in der Firma „mobil“

Am Ende des Firmenbesuchs passierten wir noch zwei Bikes. Das erste war das aktuelle Lieblingsbike von Luciano: das Pinarello Nytro. Er ist begeistert von den neuen Möglichkeiten, die Elektro-Rennräder bieten – und wir auch. Das zweite war das Timetrial-Bike von Chris Froome von der letztjährigen Tour de France. Auch wenn Pinarello kein riesiges Spektrum an unterschiedlichen Modellen hat, so zeigen diese zwei Bikes deutlich, welchen Spagat der Hersteller zu meistern hat. Zwischen Moderne und Tradition, zwischen Profi- und Amateursport: Ein erfolgreiches Unternehmen ist wie die Tour de France. Dein Team, deine Strategie, deine Attacken und deine Ausdauer – darauf kommt es an, nicht auf den größten Geldbeutel. Der Star des letzten Rennens kann im nächsten Wettkampf der Gregario sein. Das ist kein Widerspruch, sondern eine schlaue Taktik.

Während unseres Besuchs kurz nach dem Giro erhielten wir von Pinarello ein T-Shirt mit der Zahl 25 – sie steht für die Zahl der Grand Tours, die auf Pinarello gewonnen wurden. Seit Geraint Thomas die Tour de Frace gewonnen hat, sollte auf dem T-Shirt eigentlich eine 26 stehen. Höchste Zeit also, neu zu drucken!
Mit dem Dogma F10 auf der Sellaronda.

Aber da wir ein größerer Fan von eigenen Erlebnissen sind als von Stars, haben wir uns ein Pinarello Dogma F10 ausgeliehen und sind damit nach Alta Badia in die Dolomiten gefahren. Den Wind im Bart und den Haaren, den Schweiß der legendären Pässe auf der Stirn und den Ruhm der aktuellen und vergangenen Sieger von 26 Grand Tours zwischen den Beinen – ein außerordentlich gutes Gefühl. Viva l’Italia!


Mehr Information über Pinarello findet ihr unter pinarello.com


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Text: Robin Schmitt Fotos: Robin Schmitt