Mit dem Zero SLR präsentiert Wilier Triestina einen leichten Alleskönner mit komplett innenverlegten Zügen und führt das Accu Bike-Fitting-System ein. Wir waren für euch vor Ort und haben das Road-Bike ausgiebig getestet. Hier findet ihr alle wichtigen Infos.

Wilier Zero SLR DURA-ACE Di2 | 6,6 kg in Größe M | 11.100 €

Nach der Einführung von Modellen wie dem Zero.7 und Zero.6 geht Wilier Triestina nun einen Schritt weiter auf dem eigenen Weg der technologischen und stilistischen Innovationen. Mit dem Wilier Zero SLR wollen die Italiener klar machen, dass sie sich ihrer Unternehmensgeschichte und der damit verbundenen Verantwortung bewusst sind, sich jedoch keineswegs darauf ausruhen wollen. Hinter der zurückhaltenden Ästhetik des Zero SLR soll sich all das verstecken, was sich besonders anspruchsvolle Rennradfahrer wünschen: maximale Leichtigkeit, Stabilität und Kontrolle bei hohen Geschwindigkeiten, hohe Bremsleistung durch Scheibenbremsen, absolute Schaltpräzision durch elektronische Schaltgruppen und aerodynamische Effizienz. Dabei soll das neue Zero SLR über ein gleich hohes Maß an Integration verfügen wie dessen Aero-Pendant, dem Wilier Cento10NDR, welches wir bereits für euch getestet haben.

Das Wilier Zero SLR im Detail

Herzstück des neuen Bikes ist ein komplett neu entwickeltes Rahmenset. Für den Bau des Monocoque-Rahmens setzt Wilier laut eigener Aussage auf die hochwertigste Materialzusammensetzung, die je an einem Renner der Italienischen Marke zum Einsatz gekommen ist. So soll die Kombination aus sogenannten HUS-MOD-Carbonfasern und einem Flüssigkristall-Polymernetz für die angestrebte Balance aus Steifigkeit, Vibrationsdämpfung und Langlebigkeit sorgen. Um sämtliche Züge und Leitungen intern zu verlegen, setzt Wilier auf ein einteiliges Carbon-Cockpit, spezielle 1”¼ Lager im Steuersatz und eigens entwickelte Spacer.

Anders als beispielsweise beim neuen BMC Roadmachine 01 ONE bleibt der Gabelschaft rund während sämtliche Kabel und Züge seitlich daran vorbeigeführt werden. Laut Wilier soll damit die Lenk-Performance frei von integrations-bedingten Einflüssen bleiben. Um die angestrebte Performance des Rahmens zu erzielen, verzichten die Italiener auf Zugeingänge am Unterrohr. Daraus ergibt sich der einzige Wermutstropfen dieses Systems: Züge mechanischer Schaltgruppen müssten ebenfalls durch die vorgesehen Aussparungen des „Zero Cockpits“ und der Spacer geführt werden. Ohne Einfluss auf die Schalt-Performance ist das jedoch nicht möglich. Konstruktionsbedingt sind somit die Auswahlmöglichkeiten für potenzielle Schaltgruppen begrenzt: entweder Shimano Di2 oder SRAM eTap.

Austauschbarer Gewindeeinsatz und …
… rein elektronische Schaltgruppen

Wilier setzt sowohl bei der Gabel als auch beim Hinterbau des Zero SLR auf eine asymmetrische Bauweise. Mit einem angegebenen Gewicht von 340 g für die Carbon-Gabel ist der Holm der Scheibenbremsen-Seite deutlich voluminöser als sein Gegenüber. Die beim Bremsen entstehenden asymmetrischen Kräfte sollen so bei möglichst geringem Gesamtgewicht ausgeglichen werden. Für den Hinterbau des 780 g leichten Rahmens (Größe M) kommt das gleiche Prinzip zum Einsatz: so viele Verstärkungen wie nötig, so wenig Material wie möglich. Die linke Kettenstrebe ist so weiter nach oben gezogen als die rechte. Dadurch soll verhindert werden, dass die Kraft, die der Fahrer auf die Kette überträgt, seitlich abgelenkt wird.

Der Gabelholm auf der Bremsseite ist voluminöser als sein Gegenüber
Auch die Kettenstreben sind asymmetrisch: Die linke Seite verläuft gerade und ist leicht nach oben gezogen.

Die neu entwickelte D-förmige Carbon-Sattelstütze mit wahlweise 0 mm oder 15 mm Versatz wird mit einem in das Oberrohr integrierten Expander geklemmt. Aerodynamik sowie Komfort sollen durch die Integration und den längeren Auszug der Stütze profitieren. Um für ein gleichbleibendes Maß an Komfort zu sorgen, sind die Rohrdimensionen des Rahmens an die jeweilige Rahmengröße angepasst.

Die Sattelklemme ist ins Oberrohr integriert. Zum harmonischen Gesamtbild will sie jedoch nicht so recht passen.

Das Gewinde des Ausfallendes ist austauschbar und wird, wie auch in der Front, mit dem Mavic Speed Release-Steckachsen-System kombiniert. Hier muss die Achse nur gelöst und nicht vollständig entfernt werden, um das Laufrad auszubauen. Laut Wilier ist diese Lösung mit 85 g pro Achsenpaar nicht nur sehr leicht, sondern überzeugt auch durch ihre einfach Handhabung, bei der ein Überdrehen des Gewindes nicht möglich ist: Wird das nötige Drehmoment erreicht, fungiert der Hebel der Achse wie ein Drehmomentschlüssel. Laut Wilier finden im neuen Zero SLR bis zu 28 mm breite Reifen Platz.

Reifenfreiheit bis 28 mm

Unser Test-Bike ist ausgestattet mit einer kompletten Shimano DURA-ACE R9170 Di2, einem Wilier Triestina ULT38 KT Carbon-Laufradsatz und Vittoria Corsa Tubular-Reifen in 700 x 25C. Inklusive Selle Italia SLR Boost Carbon Kit-Sattel bringt es unser Bike so auf 6,78 kg in Größe L und kostet 11.100 €.

Bremsscheiben in 160 mm vorne und …
… 140 mm Durchmesser hinten
Mavic Speed Release-Achsen sollen mit 85 g pro Paar Gewicht sparen und für schnellen Laufradwechsel sorgen

Wilier Accu-Fit

Wilier Triestina bedient sich zur Bestimmung der optimalen Bike-Größe eines neuen Interpretationsschlüssels, der Rahmengröße, Anzahl der Spacer und Lenkergröße kombiniert. Während des Fittings beim Händler des Vertrauens sollen – ausgehend vom biomechanischen Wert des Abstands zwischen der Mitte des Tretlagers und der Mitte der Handauflage am Lenker – die X- und Y-Werte, die sogenannten Accu-Fit-Koordinaten, bestimmt werden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Messungen von Reach und Stack des Rahmens werden so die tatsächlichen Kontaktpunkte zwischen Fahrer und Bike berücksichtigt. Durch unterschiedliche Kombinationen von Cockpits und Spacern sollen sich somit 35 Accu-Fit-Punkte für eine Rahmengröße ergeben.

Die 35 Accu-Fit-Punkte können durch Variation der Vorbaulänge und Spacer-Höhe erreicht werden

Wilier Zero SLR DURA-ACE Di2 – unser Test-Bike

Wilier Zero SLR DURA-ACE Di2 | 6,6 kg in Größe M | 11.100 €

Schaltgruppe Shimano DURA-ACE Di2, 2×11, 50/34T
Kassette Shimano DURA-ACE 11–28T
Bremsen Shimano DURA-ACE Hydraulic mit SM-RT900-Rotoren 160/140 mm
Laufräder Wilier Triestina ULT38 KT Carbon mit CeramicSpeed-Lagern
Reifen Vittoria Corsa Tubular 700 x 25C
Sattelstütze Zero SLR Carbon Custom Made, 0 mm Versatz
Lenker Zero SLR Carbon Integrated
Vorbau Zero SLR Carbon Integrated
Gewicht 6,6 kg in Größe M
Preis 11.100 €
Größen XS, S, M, L, XL, XXL; Testgröße: L
Farbe Samtrot matt
Verfügbarkeit ab sofort
Wilier Zero SLR DURA-ACE Di2 II


Wilier Zero SLR DURA-ACE Di2 II | 6,7 kg in Größe M | 11.100 €

Schaltgruppe Shimano DURA-ACE Di2, 2×11, 50/34T
Kassette Shimano DURA-ACE 11–28T
Bremsen Shimano DURA-ACE Hydraulic mit SM-RT900 Rotoren 160/140 mm
Laufräder Fulcrum Racing Zero Carbon
Reifen Vittoria Corsa Graphene 2.0 700 x 25C
Sattelstütze Zero SLR Carbon Custom Made, 15 mm Versatz
Lenker Zero SLR Carbon Integrated
Vorbau Zero SLR Carbon Integrated
Gewicht 6,7 kg in Größe M
Preis 11.100 €
Größen XS, S, M, L, XL, XXL
Farbe Schwarz/Weiss matt
Verfügbarkeit ab sofort

Wilier Zero SLR mit RED eTap AXS

Wilier Zero SLR RED eTap AXS | 6,9 kg in Größe M | 10.100 €

Schaltgruppe SRAM RED eTap AXS HRD, 2×12, 46/33T
Kassette SRAM RED XG-1290, 10–28T
Bremsen SRAM RED eTap AXS HRD mit Centerline XR-Rotoren 160/160 mm
Laufräder Fulcrum Racing Zero Alu
Reifen Vittoria Corsa Graphene 2.0 700 x 25C
Sattelstütze Zero SLR Carbon Custom Made, 15 mm Versatz
Lenker Zero SLR Carbon Integrated
Vorbau Zero SLR Carbon Integrated
Gewicht 6,9 kg in Größe M
Preis 11.100 €
Größen XS, S, M, L, XL, XXL
Farbe Admiral Blau glänzend
Verfügbarkeit ab sofort
Wilier Zero SLR Geometrie

Die Wilier Zero SLR-Geometrie

Größe XS S M L XL XXL
Sattelrohr 430 mm 460 mm 490 mm 520 mm 540 mm 560 mm
Oberrohr 511 mm 525 mm 541 mm 556 mm 572 mm 587 mm
Steuerrohr 102 mm 118 mm 136 mm 153 mm 172 mm 192 mm
Lenkwinkel 70,5° 71,7° 72,2° 72,7° 72,8° 73,1°
Sitzwinkel 75,2° 74,6° 74,0° 73,5° 73,0° 72,6°/td>
Kettenstrebe 407 mm 407 mm 408 mm 410 mm 411 mm 412 mm
Radstand 977 mm 979 mm 988 mm 996 mm 1008 mm 1017 mm
Reach 376 mm 381 mm 386 mm 391 mm 397 mm 402 mm
Stack 503 mm 519 mm 536 mm 554 mm 572 mm 591 mm

Wilier Zero SLR DURA-ACE Di2 im Test

Die dezente Optik des Wilier gefällt uns vom ersten Augenblick an. Während italienische Hersteller in der Regel sehr imposante Rahmendesigns bevorzugen, ist das optische Understatement der Zero SLR erfrischend. Die Integration sämtlicher Kabel und Leitung ist schön gelöst und lässt einen vollen Lenkereinschlag zu. In Sachen Verarbeitung und Finish der Rahmensets und der Lackierungen zeigen unsere Daumen durchgehend nach oben. Einziges optisches Manko ist die Integration der Sattelklemme, welche sich in keinster Weise in das sonst ausgesprochen harmonische Gesamtbild einfügt.

Als Teststrecke steht uns mit dem Monte Grappa ein wahrer Klassiker des Radsports zur Verfügung. Um die steilen Rampen nicht allzu ernst zu nehmen, haben wir uns kurzerhand die stylischste Bunny-Kopfbedeckung des asiatisch-pazifischen Wilier-Vertriebsleiters Kitto ausgeborgt. Es braucht nicht viele Pedalumdrehungen, bis uns die spritzige Beschleunigung, die das Zero SLR ermöglicht, ein Grinsen ins Gesicht zeichnet. Egal ob beim Antritt aus dem Stillstand oder dem Sprint aus der Kurve, das Wilier entwickelt bereitwillig und leichtfüßig Geschwindigkeit. In der Ebene hingegen kann es seine Stärken nicht gänzlich ausspielen. Die Rohrformen des Rahmens sind zwar aerodynamisch angepasst, jedoch nur hinsichtlich eines minimalen Gewichts optimiert. Beim Pedalieren in der Ebene wird so, im Vergleich zum Aero-Bike, bei hohen Geschwindigkeiten mehr Einsatz des Fahrers nötig.

Das Wilier ist ein quirliges Bike und lässt sich verspielt von einer Kurve in die nächste legen. Dabei ist die Agilität von Front und Heck angenehm ausbalanciert. Einzig in der Front hätten wir uns ein höhere Präzision gewünscht. Beim scharfen Anbremsen in Spitzkehren und hektischen Manövern im Grenzbereich mangelt es hier an Spurtreue. In allen anderen Situationen glänzt das Wilier mit viel Vertrauen und Sicherheit. Die Tubular-Reifen unseres Test-Bikes können unseren Erwartungen nur bedingt gerecht werden. Zwar ist der Grip ausgesprochen gut, doch sind moderne Clincher-Reifen mit Latexschläuchen bzw. marktführende Tubeless-Set-ups hinsichtlich Kurvenspeed und Komfort mindestens ebenso gut. Die Bremsscheiben-Kombination aus 160 mm vorne und 140 mm hinten überzeugt uns am Wilier erneut. Schalt-Performance sowie Modulation und Brems-Power der DURA-ACE R9170 Di2-Schaltgruppe sind wie üblich auf Spitzenniveau.

Das vollintegrierte Cockpit überzeugt mit guter Vibrationsdämpfung und sehr angenehmer Ergonomie. Die Compliance des Rahmensets in Kombination mit der Nachgiebigkeit der Sattelstütze sorgen für ein hohes Maß an Gesamtkomfort. Langen Etappen steht also in dieser Hinsicht nichts im Weg! Aufgrund des kompakten vorderen Rahmendreiecks sitzen wir zentral und sportlich kompakt auf dem Zero SLR. Für Fahrer mit relativ kurzen Oberkörper ist die Sattelstütze mit 0 mm eine weitere Option, noch weiter nach vorne über das Tretlager zu kommen.

Einige Eindrücke unserer Zeit im Wilier HQ und auf dem brandneuen Zero SLR erhaltet ihr hier in den Videos von YouTube-Hero Francis Cade.

Fazit

Mit dem Zero SLR hat Wilier fortan ein modernes Allround-Bike im Portfolio, was mit seiner Spritzigkeit und der Leichtfüßigkeit am Berg überzeugen kann. Jeder, der bei der nächsten Ausfahrt bei Bergankunft das Café als Erster erreichen will und ohnehin plant, eine elektronische Schaltgruppe zu nutzen, findet hier ein quirliges Bike mit konsequenter Integration. Das Accu-Fit-System ist ein logischer Schritt, den Fahrkomfort für eine möglichst breite Käuferschaft zu verbessern. Wie es sich in der Realität bewährt und wie sich das Zero SLR im direkten Vergleich mit seinen Konkurrenten schlägt, ist noch zu testen.


Wenn ihr mehr über den italienischen Traditionshersteller erfahren wollt, findet ihr hier unseren Artikel zum Hausbesuch.

Weitere Informationen zum Bike erhaltet ihr auf wilier.com


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Text: Fotos: Wilier, Benjamin Topf