Mit dem Cannondale SuperSix EVO NEO erweitert die amerikanische Bike-Marke ihr E-Rennrad-Portfolio. Passen Race-Geometrie und MAHLE Ebikemotion-Motor wirklich zusammen? Unsere Erkenntnisse aus dem ersten Praxistest erfahrt ihr hier.

Cannondale SuperSix EVO NEO 2 | MAHLE Ebikemotion X35 M1, 40 Nm, 250 W | 12,18 kg in Größe M (54) | 5.499 €

Cannondale ist kein neuer Player im Markt für E-Rennräder. So war das Cannondale Synapse NEO SE bereits Teil unseres großen E-Rennrad-Vergleichstests im Sommer 2019. Mit dem SuperSix EVO NEO will Cannondale eine ganz andere Richtung einschlagen: Zielgruppe für das EVO NEO sind sportliche Personen, die bisher noch keine Erfahrungen im Rennrad-Bereich gemacht haben und überwiegend auf asphaltierten Straßen unterwegs sein wollen. Gleichzeitig sehen die Entwickler in ihrem neuesten Modell eine ideale Möglichkeit, unterschiedliche Leistungsniveaus innerhalb einer Gruppe auszugleichen. Dementsprechend soll das SuperSix EVO NEO keine Konkurrenz zur Synapse NEO-Plattform darstellen, die sich überwiegend an Abenteurer, All-Road- und Gravel-Fans richtet. Anstelle des Bosch Active Line Plus-Antriebs im Synapse NEO setzt Cannondale beim SuperSix EVO NEO auf das MAHLE Ebikemotion X35 M1-Antriebssystem, das wir bereits ausführlich im Vergleich mit seiner Konkurrenz getestet haben. Unseren ausführlichen Vergleichstest zu E-Rennrad-Motoren findet ihr hier.

Was macht das Cannondale SuperSix EVO NEO so besonders?

Die Geometrie des neuen E-Rennrades ist identisch mit der des Cannondale SuperSix EVO, dem nicht motorisierten High-Performance-Bike im Portfolio der Amerikaner. Anders als beim Hochleistungs-Pendant – dem SuperSix EVO – werden die Größen des EVO NEO in bspw. S, M oder L angegeben. Die Nutzung der „T-Shirt-Größenbenennung“ soll es unerfahrenen Einsteigern leichter machen, die für sie passende Rahmengröße zu finden. Allgemein soll laut Cannondale die Praktikabilität des Rades bei seiner Entwicklung im Vordergrund gestanden haben: Der im Lieferumfang enthaltenen Garmin-Naben-Sensor kann via Bluetooth mit dem Smartphone verbunden werden und gibt Auskunft über Geschwindigkeit, Fahrzeit, verbrauchte Kalorien, Länge der gefahrenen Strecke und der insgesamt absolvierten Distanz. Alles Daten, die im Auge der Entwickler für den Einsteiger eine gute Kontrolle liefern und auch die Wartung des Bikes erleichtern können. Entsprechend kann der Fahrer mithilfe der hauseigenen App Wartungsintervalle an eine gewünschte Laufleistung koppeln und erinnert werden, spezifische Einstellungen und bisherige am Bike vorgenommenen Wartungen abspeichern. Außerdem ist das per Sensor und App hinterlegte Rad automatisch für etwaige Garantieansprüche beim Hersteller registriert.

Cannondale hat sich für das EVO NEO nicht nur in Sachen Geometrie, sondern auch hinsichtlich der Rohrformen vom SuperSix EVO inspirieren lassen. Hier soll die aerodynamische Bauweise gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Der optimierte Luftwiderstand spart Muskelkraft bei höheren Geschwindigkeiten und auch Akku-Leistung im Unterstützungsbereich des Motors. Unser Test-Bike in Größe M (entspricht Gr. 54) wiegt 12,18 kg und verfügt über eine 2×11 Shimano ULTEGRA R8020-Schaltgruppe. Anstelle der Shimano-Kurbeln kommt die Hollowgram-Kurbelgarnitur mit 50/34-Spider-Kettenblättern zum Einsatz. In Kombination mit der 11–34-T-Kassette soll sie dafür sorgen, auch steile Rampen souverän meistern zu können. Für das Cockpit setzt Cannondale – wie beim SuperSix EVO – auf die integrierte Hollowgram SystemBar Save-Lösung mit 420 mm breitem Lenker und 100 mm langem Vorbau. Auch die D-förmige Hollowgram 27 SL KNØT-Carbon-Sattelstütze wird vom nicht motorisierten SuperSix übernommen. Die Vittoria Rubino Pro Graphene 2.0-Reifen in 700 x 28C sollen für ausreichend Grip sorgen und haben jeweils nach rechts und links 6 mm Platz. Theoretisch findet sich also auch Platz für breitere Pneus.

Wie aus einem Guss – eines der stylishsten E-Rennräder!

Auch mit dem Antriebssystem schlägt Cannondale neue Wege ein: Das MAHLE Ebikemotion X35 M1-Antriebssystem verfügt über einen in die Hinterradnabe integrierten Motor mit 40 Nm und 250 W Nennleistung. Er unterstützt bis zu einer maximalen Geschwindigkeit von 25 km/h (länderspezifisch). Der in das Unterrohr integrierte Akku verfügt über eine Kapazität von 250 Wh, geladen wird es über die Schnittstelle, die sich über dem Tretlager befindet. Ein optional erhältlicher Zusatz-Akku im Trinkflaschen-Look kann als unabhängige Energiequelle oder zum Laden des Haupt-Akkus verwendet werden und verfügt über eine Kapazität von ebenfalls 250 Wh. Die MAHLE Ebikemotion-App erlaubt es dem Fahrer, neben zahlreichen weiteren Funktionen die Intensität der drei Unterstützungsstufen an die eigenen Vorlieben anzupassen oder den „elektronischen Rückenwind“ – abhängig von der Herzfrequenz – automatisch einsetzen zu lassen.

Die Geometrie des neuen Cannondale E-Rennrads

Größe 44 48 51 54 56 58 60 62
Sattelrohr 400 mm 438 mm 477 mm 515 mm 536 mm 558 mm 579 mm 600 mm
Oberrohr 512 mm 520 mm 528 mm 546 mm 562 mm 578 mm 594 mm 611 mm
Steuerrohr 99 mm 114 mm 130 mm 153 mm 164 mm 188 mm 209 mm 230 mm
Lenkwinkel 70,9° 71,2° 71,2° 71,2° 73,0° 73,0° 73,0° 73,0°
Sitzwinkel 74,3° 74,3° 74,3° 73,7° 73,3° 72,9° 72,5° 72,1°
Kettenstrebe 408 mm 408 mm 408 mm 408 mm 408 mm 408 mm 408 mm 408 mm
Tretlager Höhe 268 mm 268 mm 268 mm 271 mm 271 mm 273 mm 273 mm 273 mm
Radstand 979 mm 985 mm 994 mm 1.000 mm 992 mm 1.005 mm 1.016 mm 1.028 mm
Reach 370 mm 374 mm 378 mm 384 mm 390 mm 395 mm 400 mm 406 mm
Stack 504 mm 519 mm 534 mm 554 mm 574 mm 594 mm 614 mm 634 mm

Unser Testeindruck

Die schlanke Silhouette des SuperSix EVO NEO versprüht Sportlichkeit und lässt auf den ersten Blick nicht vermuten, dass es sich hier um ein E-Rennrad handelt. Auch die konsequente Designsprache mit sehr dezentem Branding und großflächiger Farbgebung gefällt! Besonders die reflektierenden Decals fügen sich unauffällig in das stimmige Gesamtbild und sorgen für zusätzliche Sicherheit – Win-win!

Helm Giro Aether MIPS | Brille Oakley Wind Jacket 2.0 | Jersey Rapha Pro Team Aero | Bib Shorts Rapha Core Cargo | Schuhe Shimano S-PHYRE RC9

Im Antritt kann das Cannondale durch den steifen Tretlagerbereich auch ohne E-Antrieb überzeugen. Einzig die vergleichsweise schweren Alu-Laufräder stellen einen gewissen Kompromiss bei der Beschleunigung dar. Je nach Unterstützungsstufe wird das Antriebsverhalten dezent bis deutlich beschleunigt. Der X35 M1-Nabenmotor zeigt seine größtmögliche Effizienz – jedoch nicht bei niedrigen Geschwindigkeiten, sondern im Bereich zwischen 15 und 25 km/h. Im Gegensatz zu anderen E-Systemen orientiert sich die MAHLE Ebikemotion-Motoreinheit nicht an der Trittfrequenz oder an der vom Fahrer erbrachten Leistung, sondern an der Geschwindigkeit, mit der sich die Kassette im Vergleich zur Nabe dreht. Bei einer mäßigen Steigung bis zu 12 % überzeugt die Motorleistung und sorgt für ordentlich Vortrieb. Wenn es steiler wird, kommt der Nabenmotor jedoch an seine Grenzen und weit aus seinem Effizienzbereich hinaus und verlangt so deutlichen Muskeleinsatz. Durch die Positionierung des Motors in der Hinterradnabe fällt der Q-Faktor Rennrad-typisch schmal aus. Eine lange Eingewöhnungszeit entfällt also. Hat man die Logik des Bedienelements im Oberrohr einmal verstanden, gelingt der Modi-Wechsel problemlos. Da dazu eine Hand vom Lenker genommen werden muss, sollte hiervon jedoch in unübersichtlichen Situationen abgesehen werden.

Reflektierende Decals sind so einfach wie genial. Warum sieht man das eigentlich nicht öfter!?

Tuning Tipp Sattelstütze ohne Versatz für eine zentralere Position und mehr Druck auf dem Vorderrad

Das hohe Maß an Komfort überrascht unsere Tester positiv. Trotz integriertem E-Antrieb ist es Cannondale gelungen, eine insgesamt sehr gute Vibrationsdämpfung zu realisieren. Hier machen sich die hochwertigen und für das SuperSix EVO konzipierten Komponenten, wie Sattelstütze und Cockpit, sehr positiv bemerkbar! Auch die Vittoria-Pneus überzeugen durch ihren Komfort und massig Grip. Die Sitzposition fällt zwar nur mäßig gestreckt aus, doch ist die nahe Verwandtschaft mit dem High-Performance-Rennrad nach wie vor offensichtlich. Ohne Spacer wird die Sattelüberhöhung knackig sportlich.

Das Handling des SuperSix EVO NEO 2 überzeugt durch ein hohes Maß an Laufruhe. Vor allem im Downhill und bei hohen Geschwindigkeiten generiert das EVO NEO ein hohes Maß an Vertrauen und erlaubt dem Fahrer, seine Grenzen auszuloten und die im Uphill gesparten Körner zu verschießen. Große Kurvenradien und schnelle gerade Passagen zählen zu den Spezialgebieten des Cannondales. Plötzliche Richtungswechsel setzt das Bike mit einer eingeschränkten Agilität um. Hier machen sich der verhältnismäßig flache Lenkwinkel und das Mehrgewicht am Heck bemerkbar. Doch durch eine bewusste Gewichtsverlagerung nach vorn kann der Fahrer hier entgegenwirken. Aufgrund der durch das Steuerrohr verlegten Kabel ist der Lenkeinschlag deutlich eingeschränkt. Während der Fahrt ist dies kein Hindernis, doch sollte man es für den Halt an der Ampel – oder vor dem Café – stets im Hinterkopf behalten.

Unser Fazit zum Cannondale SuperSix EVO NEO

Cannondale präsentiert mit dem SuperSix EVO NEO eine formschöne und durchgestylte Ergänzung des hauseigenen E-Rennrad-Portfolios und bietet sowohl Einsteigern als auch erfahrenen Piloten eine Reihe praktikabler Features. Die hohe Laufruhe vermittelt viel Sicherheit und das angenehme Komfort-Level sind klare Stärken der neue E-Plattform. Während eingefleischte Racer den kompakten Q-Faktor und die sportliche Geometrie schätzen, werden sich Genießer mehr Motor-Power in steilen Anstiegen wünschen.

Tops

  • Rennrad-Feeling durch Geometrie und schmalen Q-Faktor
  • hohe Laufruhe
  • gute Vibrationsdämpfung

Flops

  • mangelnde Präzision bei sportlicher Fahrweise
  • geringe Durchzugsstärke des Motors in steilen Anstiegen

Mehr Informationen findet ihr unter cannondale.com


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Text: Fotos: Valentin Rühl