Yorkshire ist ein raues Pflaster: Das Wetter verteilt gern rechte Haken, die Landschaft fordert einen heraus, zäh zu sein, und die richtige Ausrüstung fürs Biken ist hier wichtiger als anderswo. Kein Wunder hat sich ausgerechnet hier eine Firma etabliert, die widerstandsfähiges Material fürs Bikepacking produziert.

Für die Generation Z mögen sie nur ein Boxenstopp sein auf der Jagd nach der perfekten Partynacht, aber die lokalen Pubs mit ihren schmuddeligen Theken sind eigentlich die Kirchen des UK. Und sie sind bis zum letzten Platz gefüllt mit Menschen, die zwei Dinge vereint: die Sehnsucht nach guten Geschichte und kaltem Bier.

Nirgendwo wird die Pub-Kultur intensiver gepflegt als in Yorkshire. Nehmt als Beispiel die Stadt Otley: In ihrer Blütezeit war sie das Zuhause für 32 Pubs – quasi einer für jeden der 427 Einwohner des Ortes!

Für mich und einige der Köpfe hinter dem Bikepacking-Spezialisten Restrap aus Yorkshire war eines dieser Pubs heute die Zuflucht vor dem Sturm: das New Inn. Nach einer Führung durch die belebte Fabrik hatten wir uns bei strahlendem Sonnenschein für eine Ausfahrt nach draußen begeben – ein kurzer Ausritt, um dem Zentrum von Leeds zu entkommen und seine weniger bekannten Schleichwege zu erkunden. In typischer Yorkshire-Manier hatte uns das Wetter allerdings völlig im Stich gelassen und schon bald fanden wir uns im peitschenden Regen wieder. Als wir uns mit unseren klickenden Schuhen auf dem Fliesenboden im engen Eingangsbereich des New Inn zusammendrängten und dabei überall Pfützen hinterließen, wo wir kurz mal für ein paar Sekunden standen, hätten wir einen frostigen Empfang erwartet. Doch der der Mann mit der Weste hinter der Bar nahm unsere tropfnassen Gestalten ohne einen Hauch des Interesses auf – eindeutig ein Typ, der im Leben schon alles gesehen hat. Während der Vertriebsleiter Jon Hickin und ich uns an die Bar lehnten, wurden geschickt zwei Gläser feinsten Dirty Tackles gezapft. Mit den Gläsern an unserer Brust breiteten wir unsere nassen Klamotten, so gut es ging, rund um die Stühle aus, bevor wir an einer heiligen Pub-Tradition teilnahmen, die da lautete: sinnierend vor sich hin starren. Und dann unterhielten wir uns darüber, wie vielseitig das Gelände in Yorkshire ist und ließen die Entwicklung der Marke Restrap Revue passieren.

Ein paar Stunden davor (und ein ganzes Stück trockener) hatte uns Nathan Hughes, der Gründer und Leiter der Firma, durch die Restrap-Fabrik geführt. Während unserer dritten Tasse Tee bekamen wir langsam einen guten Eindruck von Nathan – einem Mann um die 30, der gern seine Ärmel hochkrempelt und Nägel mit Köpfen macht. Unter Bikepackern hat sich Restrap einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Die Firma bietet eine breite Palette an Taschen und Accessoires an, die mit ihrer Strapazierfähigkeit und Funktion überzeugen – und alle Produkte werden in Leeds, Yorkshire handgefertigt. Doch Restraps Produktportfolio war nicht immer so breit gefächert. Wie der namhafte Antriebsgigant Campagnolo, der mit einem simplen Schnellspanner anfing, startete auch Restrap mit einem eher schlichten Produkt, das jedoch genau zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt kam.

Alles begann mit einem klaren Fall von „Not macht erfinderisch“: Damals kämpfte sich der 18-jährige Fixie-Enthusiast Nathan noch als Student durch – und war völlig pleite. Gerade hatte er schon wieder ein Paar Powergrip-Pedalriemen zerstört, und das war zu der Zeit die einzige kommerzielle Option auf dem Markt. Müsste es da nicht auch eine langlebigere Variante geben? Er hatte schlicht und einfach die Nase voll davon, die Straps ständig ersetzen zu müssen, also holte er eine alte Nähmaschine aus der Versenkung, besorgte sich etwas Gurtband und machte sich an die Arbeit. Die so entstandenen Pedalriemen waren von eleganter Schlichtheit und boten keinerlei Einstellmöglichkeiten, doch sie waren genau für seine Füße gemacht und: funktionierten einfach. Wunderbar. Wie alle genialen Ideen, vor allem innerhalb der sektenhaften Fixie-Familie, sprach sich das schnell herum.

Als ich anfing, war die Fixie- und Crit-Szene in Leeds am Boomen. Die Alleycat-Rennen in Leeds gingen gerade los. Selbst heute, 12 Jahre später, treffen sich die Leute aus der Szene jeden Donnerstag – so habe ich übrigens auch die Mehrheit der Menschen kennengelernt, die in meiner Fabrik arbeiten.

Um 2010 nahm die Underground-Fixie-Bewegung dann so richtig Fahrt auf. Im Londoner Stadtteil Soho öffneten Läden, die so hip waren, dass es schon fast weh tat. Mit dabei waren so legendäre Firmen wie Tokyo Fixed und 14 Bike Co, in deren Schaufenstern sich seltene Keirin-Rahmen und klassische Italiener tummelten. Weil ihn ziemlich schnell sogar Freunde von Freunden um Straps anhauten, wurden Nathans Fertigungen schon bald zu einem Must-have der Fixie-Szene in Leeds. Dadurch dauerte es auch nicht lang, bis die größeren Läden davon Wind bekamen. Er begann also, damit ein wenig Geld zu verdienen. Nicht genug zwar, um davon zu leben, aber zumindest hatte er jetzt mehr als davor. Nathan war sich darüber im Klaren, dass er mehr als nur Straps herstellen musste, um ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen, und er fing damit an, Kuriertaschen anzufertigen. Dann entdeckte er in weiser Voraussicht eine neue Bewegung am Horizont: Bikepacking. Die Marke Restrap wechselte den Fokus und begann zu expandieren.

Es zeichnete sich ab, dass die Bikepacking-Szene wuchs, doch so was ist immer schwer vorherzusehen. Ist es nur ein Trend, ist bald der Zenit erreicht? Eigentlich ist Bikepacking ja auch nur Touren-Radfahren, und das gibt es schon seit Jahren. Aber man kann damit besser Gepäck transportieren und braucht nicht zwangsläufig ein Tourenrad.

Sich ein Markenimage aufzubauen, ist für eine kleine Firma nie leicht. Wegen seines äußerst begrenzten Budgets war Nathan in der Anfangszeit auf Mundpropaganda angewiesen. Das war zwar nicht gerade die leichteste Option, aber die günstigste und daher die einzig machbare. Vielleicht war es das Siegel „Made in Yorkshire“, das für das frühe Wachstum im UK maßgeblich war? Als wir Nathan genau das auf der Führung fragten, musste er lachen: „Das war zu Beginn sicher wichtig, Yorkshire ist in der Cycling-Community bestens bekannt als schwieriges Gelände, doch mittlerweile hat es nur noch einen geringen Einfluss auf unser Wachstum in Übersee. Wir müssen mittlerweile einen Zusatz auf unser Marketingmaterial drucken: Made in Yorkshire … UK. Dieser Witz begleitet uns nun schon eine Weile: Sollten wir jemals etwas in China produzieren müssen, dann könnten wir eine Fabrik eröffnen und sie Yorkshire nennen.“

Der frühe Fokus auf Bikepacking entpuppte sich als gute Entscheidung. Die Verkaufszahlen von Restrap stiegen, die Firma begann, Fahrt aufzunehmen – als winziger Player, doch mit einem großen Anteil an einem aufstrebenden Markt. Als wir am Nachmittag mit Nathan durch die dritte Fabrikanlage wanderten, wurde uns beim Anblick der eng aneinander stehenden Fertigungslinien klar: Restrap hat seinen Zenit noch immer nicht erreicht. „Wir hoffen, dass einer unserer Nachbarn aus den angrenzenden Fabrikeinheiten auszieht, damit wir unsere Fertigungsfläche erweitern können. Ansonsten müssen wir in einem Jahr wieder umziehen,“ erzählte Nathan, während Nähmaschinen konstant im Hintergrund surrten und die 27 Angestellten mit handwerklicher Präzision arbeiteten. In der Luft lag der verbrannte Duft des robotischen Laserschneiders, der unermüdlich riesige Gewebebahnen bearbeitete. Dann wurde es Zeit für die erste Teepause des Tages: Innerhalb von Sekunden war die Etage der Fabrik menschenleer und selbst Nathan verschwand. Die Menschen in Yorkshire nahmen Tee offensichtlich ziemlich ernst.

Ein paar Minuten später wurde die Arbeit wortlos wieder aufgenommen und unser Gastgeber schloss sich uns wieder an. Als Kommentar zu den endlosen Kolonnen an Pendler-Fahrrädern, die in der gesamten Anlage verstreut waren, erklärte Nathan: „Wir haben hier bei uns im Team einen echt bunten Mix aus Bikern. Angefangen bei den einfachen Pendlern bis hin zu den Verrückten, die glauben, dass 215 km auf einem Fixie bei Nacht eine spaßige Idee sind. Als Firma ermutigen wir die Menschen, sich auf ihre Räder zu schwingen, schließlich ist das für uns sinnvoll. Wenn sie das Produkt nutzen, dann fahren sie damit und verstehen, womit sie arbeiten und worauf es ankommt.“ Dieses Einbinden seiner Mitarbeiter schien für Nathan wichtig zu sein und wir bekamen das Gefühl, dass er generell gerne Potenzial an einem Ort bündelt: „Wir überprüfen ständig, wie wir mehr Fertigungsprozesse unter ein Dach bekommen können. Wenn wir die Kontrolle über die Prozesse haben, eröffnet uns das mehr Möglichkeiten. Viele neue Designs entstehen durch Ausprobieren – ihr würdet kaum glauben, wie viele Produkte wir hier fertigen, die es dann nicht auf den Markt schaffen.“ Ein unbestreitbarer Vorteil der Fertigung vor Ort ist, dass das Team von Restrap innerhalb von nur einem Tag ein Musterstück herstellen kann: „Manchmal haben wir eine Idee und lassen sie sofort von unserem Laserschneider ausspucken. Innerhalb von einer halben Stunde können wir dann sagen, ob es funktioniert hat oder eben nicht.“ Als Nathan und seinem Team auffiel, dass das Innere ihrer Taschen ziemlich dunkel war und man Dinge deshalb teilweise nicht auf Anhieb finden konnte, wurde schnell eine Lösung gefunden: Warum probiert man es nicht mal mit leuchtendem Orange? Jemand holte ein Angebot vom Einkäufer ein, der Schnitt wurde geändert und voilà: Ein neues Innenleben war geboren, von diesem Tag an strahlten die Taschen innen orange. „Weil wir sowohl die Hersteller als auch die Designer sind, können wir schnell reagieren und uns entwickeln“, meinte Nathan. „Wenn jemandem die Position eines Gurtes nicht gefällt, dann sagen wir: Kein Problem! Und versetzen den Strap einfach – alles hausintern. Diese Kontrolle zu bewahren, baut eine Menge Verbundenheit zu unserer Marke auf, weil wir uns wirklich um unsere Kunden kümmern können.“

Wenn Unternehmen nach oben streben, kommt ein solches Wachstum in der Regel nicht ohne Probleme. Radfahrer, vor allem die abgehärteten Bikepacker, sind eine besondere Spezies, die den Underdog favorisiert und aufregende Marken mit Kultfaktor wertschätzt. Wir wunderten uns daher, wie Restrap sein Markenimage beibehalten konnte, obwohl die Produktpalette doch ständig wächst. Aber Nathans Antwort war äußerst simpel: „Wir versuchen wirklich, das beste Produkt herzustellen. Schließlich müssen wir die Produkte auch auf unseren eigenen Touren nutzen, daher sparen wir an keiner Stelle oder nutzen billigere Stoffe. Unsere Produkte müssen funktionieren.“ Als ein Team von Restrap letztes Jahr fast 1.000 km durch die japanischen Alpen fuhr, wurde es vom Yorkshire-typische Wetterpech verfolgt. Die Mitarbeiter landeten im größten Taifun der letzten 25 Jahre – eine Belastungsprobe für Mensch und Material. Aber genau das macht die Produkte aus, dass sie auf längeren und auch anspruchsvolleren Touren tatsächlich genutzt werden. Im Jahr davor reiste eine Gruppe von Restrap die Westküste der Vereinigten Staaten herunter, von Portland nach San Francisco. Und freute sich jedes Mal, wenn jemand eines der eigenen Produkte in freier Wildbahn am Rad von anderen Bikepackern entdeckte.

Nathan hat auch verstanden, dass nicht alle Bikepacker gleich sind: Die einen wollen ungezähmt sein, draußen schlafen, aus Bächen trinken und überfahrene Tiere essen. Die anderen sehnen sich einfach nur nach Mini-Abenteuern, mit genug Platz in den Taschen, damit letztendlich auch noch Bier reinpasst. Das ist auch in Nathans Sinne: „Wir wollen die spaßige Seite am Radfahren aufzeigen und nicht immer todernst sein. Wir wollen beweisen, dass es auch ein großartiges Abenteuer sein kann, wenn die Tour nach 80 km im Pub endet – es muss nicht immer ein Leidensweg sein. Unser wirkliches Ziel ist es, mehr Leute für Bikes zu begeistern.“ Deshalb soll dieses Jahr auch eine neue Serie von Ausfahrten starten. Der vielsagende Name: „Ride to the Pub“. Das gesellige Konzept ist darauf ausgelegt, dass man gemeinsam 80–90 km auf Tour geht und den Abend dann gemütlich im Pub ausklingen lässt. Kein verzweifeltes Leistungsmessen, einfach nur gemeinsam Spaß haben.

Also eigentlich alles genau so, wie wir es heute schon gemacht hatten. Die Tour war vorbei, die Fahrt lag hinter uns, die nassen Klamotten waren mittlerweile nahezu trocken und unsere Biergläser fast leer – Zeit also, zu gehen. Ich spulte den gemeinsamen Tag noch mal vor meinem inneren Auge ab und wurde dabei das Gefühl nicht los, dass die Gegend hier doch etwas mit dem Erfolg von Restrap zu tun haben musste. Das zähe und raue Terrain Yorkshires formt eine stoische Zweckmäßigkeit und „Wir-schaffen-das“-Einstellung bei seinen Einwohnern und es schien mir in diesem Moment, als sei es genau das, was den echten Treibstoff der Restrap-Rakete ausmachte.

Nathans Geschichte steckt voller Einfallsreichtum, Entschlossenheit und Authentizität. Ob es nun Glück war oder eine Mischung aus Weitsicht und der richtigen Entscheidung, dass Restrap auf der Bikepacking-Welle mitschwimmen konnte – das Timing hätte nicht besser sein können. Aber Restrap ist auch einfach eine Bande von Radfahrern, die Bike-Produkte herstellt, die bei ihren eigenen Abenteuern funktionieren. Wir standen von unseren Stühlen auf, schüttelten unsere Jacken noch mal aus, setzten unsere Helme auf und stopften unsere Handys zurück in die schützenden Kokons unserer Rahmentaschen. Unseren kurzen Gruß Richtung Altar erwiderte der Gastwirt mit einer nahezu unmerkbaren Rückmeldung und während wir zurück in den Regen schlurften, waren unsere Bäuche gefüllt mit flüssiger Erlösung gegen die Elemente Yorkshires.


Wenn ihr jetzt die passenden Taschen für euch gefunden habt, aber noch immer auf der Suche nach dem richtigen Bike seid, dann wird euch unser großer Test zum besten Gravel-Bike für Bikepacking-Abendteuer sicher weiterhelfen! Mehr Informationen zu Restrap findet ihr auf der offiziellen Website


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