Steckst du noch oder drehst du schon? Es wäre nicht Canyon, wenn sie ihre neuen hauseigenen Stingr- und Disruptr-Helme ohne innovative Features launchen würden. Mit dem revolutionären Kinnbügel von HighBar sagen sie traditionellen Stoffriemen und fummeligen Steckschnallen den Kampf an. Wie gut das funktioniert, verraten wir euch in diesem Test!
Canyon ist bekannt für innovative Lösungen, die das Radfahren sicherer, komfortabler und vor allem spaßiger machen sollen. Einige dieser Ideen polarisieren – man denke nur an den Doppeldecker-Lenker am ersten Grail oder die dämpfende VCLS-Sattelstütze mit zweigeteilter Carbon-Feder. Jetzt möchte Canyon mit einer neuen Serie von Rennrad-Helmen und Schuhen frischen Wind in den Radsport bringen. Die Produktpalette für den Kopfschutz umfasst einen Aero-Helm sowie eine CX/Allround-Variante und richtet sich damit an verschiedene Fahrertypen – alles verpackt in dezenten, aber stilvollen Designs. Das Highlight ist das HighBar-System, das zahlreiche Probleme lösen soll: Neben verbesserter Aerodynamik verspricht es mehr Sicherheit durch fest sitzende Riemen, weniger Windgeräusche und geringere Hitzeentwicklung. Aber hält es wirklich, was es verspricht? Genau das nehmen wir in diesem Test unter die Lupe.
Die neuen Canyon Stingr und Disruptr CFR Helme im Detail
Mit den neuen CFR Stingr- und Disruptr-Helmen betritt Canyon Neuland: Es sind die ersten Helme des Unternehmens aus Koblenz – ein echter Meilenstein. Der Stingr soll laut Canyons Aussagen dank seiner aerodynamischen Optimierungen der schnellste Aero-Helm auf dem Markt sein. Der Disruptr hingegen verspricht, durch seine maximale Belüftung als vielseitiger Allrounder zu glänzen, insbesondere an heißen Tagen und für Gravel- sowie CX-Einsätze.
Besonders auffallend ist das HighBar-System, eine Technologie, die Canyon als erste Marke integriert, und das gleich in beiden Helmen. Gleich mehrere Versprechen gibt der Hersteller HighBar mit seinem Riemen-System ab. So soll es neben einer optimalen Passform vor allem für verbesserte Aerodynamik sorgen und zusätzliche Sicherheit bieten, indem es einen losen Sitz der Riemen verhindert. Nerviges Flattern der Helmstraps gehört mit dem Halterungssystem aus Kunststoff endgültig der Vergangenheit an, genauso wie Windgeräusche und die Hitzeentwicklung am Stoffriemen. Für zusätzlichen Schutz ist der Helm mit der MIPS Air Node-Technologie ausgestattet, die speziell für leichte und gut belüftete Helme entwickelt wurde und bei Stürzen vor Rotationskräften schützt.
Alles fest? Die Canyon Stingr und Disruptr CFR Helme im Test
Schon beim ersten Aufsetzen der Canyon CFR Helme fällt der bequeme Sitz sofort positiv auf. Die Fixierungsmöglichkeiten sind hervorragend und die Polsterung am Vorder- und Hinterkopf sorgt für zusätzlichen Komfort. Der Helm sitzt tief und umschließt den Kopf optimal – selbst bei breiteren Kopfformen gibt es keine unangenehmen Druckstellen oder Einschnitte.
Optisch überzeugt der Helm mit einem gelungenen Mix aus glänzenden und matten Elementen, die ihm eine schlichte, aber edle Eleganz verleihen. Das dezente CFR-Branding fügt sich nahtlos ein, während das reflektierende Heck dafür sorgt, dass du auch im Dunkeln nicht übersehen wirst.
Der Aero-Helm wiegt 322 g in Größe L und fällt durch eine gute Belüftung im Vergleich zu anderen Aero-Helmen auf. Die Allrounder-Variante, die mit 280 g deutlich leichter ist, punktet zusätzlich durch ihre clevere Rücklichtintegration, die besonders im Alltag und bei Fahrten im Winter ideal ist. Die Brillengarage ist in beiden Helmen eher mäßig, die Gummihalter schaffen es allerdings, die Sonnenbrille zuverlässig zu fixieren.
HighBar System im Test: Fortschritt oder Fummelei?
Das HighBar-System am Helm von Canyon ist optisch definitiv gewöhnungsbedürftig – manche mögen es gar mit einer festen Zahnspange vergleichen. Zu Beginn erfordert die Handhabung des Systems ein wenig Eingewöhnung, da es sich deutlich von herkömmlichen Gurtbändern mit Klickverschluss unterscheidet. Normalerweise stellt man ein Gurtband einmal richtig ein und braucht danach den Helm nur noch zu schließen, um die ideale Passform zu gewährleisten. Bei HighBar hingegen muss die Einstellung jedes Mal neu vorgenommen werden, wenn der Helm aufgesetzt wird, um zu verhindern, dass er zu locker sitzt oder unangenehm drückt.
Gerade am Anfang neigt man dazu, den Verschluss zu fest zu drehen. Mit ein wenig Erfahrung lässt sich jedoch die richtige Balance finden. Canyon argumentiert, dass viele nicht wissen, wie sie ihren Helm optimal einstellen sollen und deshalb unsicher unterwegs sind. Mit dem HighBar-System entfällt die oft umständliche Erstjustierung des Gurtdreiecks. Stattdessen wird nur die Länge des Kinngurts bei jedem Aufsetzen neu eingestellt und kann sogar während der Fahrt leicht angepasst werden.
Ein wesentlicher Unterschied zu herkömmlichen Gurtsystemen: Ein klassisches Gurtband gibt etwas nach, was mehr Komfort bietet, selbst wenn der Helm etwas zu eng eingestellt ist. Das Plastikband des HighBar-Systems hingegen ist völlig starr. Das bedeutet, dass man den Helm nicht so fest einstellen muss, um den gleichen Halt zu erreichen. Der Bügel sollte nur so fest sitzen, dass er nicht über das Kinn rutschen kann, mehr ist nicht nötig. Dreht man den Verschluss jedoch trotzdem zu fest, kann es passieren, dass der Verschluss beim Neigen des Kopfs ein unangenehmes Würgegefühl provoziert.
Der etwas klobige Drehverschluss trägt nicht unbedingt zur Ästhetik bei und wirkt besonders unter dem Kinn etwas ungewöhnlich. Zudem fehlt anfangs das vertraute Gefühl des „mentalen Releases“ beim Öffnen des Helms. Normalerweise genügt ein einfaches Klicken, um den Helm zu lösen – ein kleiner, aber befriedigender Moment nach einer intensiven Fahrt. Beim HighBar-System fehlt dieses Gefühl, da es auf eine stufenweise Lockerung ausgelegt ist. Mit der Zeit gewöhnt man sich jedoch daran, für breitere Kopfformen könnte das System anfangs allerdings etwas Druck ausüben. Ein Pluspunkt: Die Halterung fühlt sich tatsächlich etwas kühler an als normale Gurte.
Kopfhörer sollte man beim Fahrradfahren zwar ohnehin nicht tragen, aber der Canyon-Helm macht es sowieso fast unmöglich. Die metallene Befestigung der HighBar stößt beim Fahren gegen die In-Ear-Pods. Zudem muss die Brille nun unter dem Riemen getragen werden, was nicht nur ein Bußgeld der „Style-Polizei“ nach sich zieht, sondern auch, je nach Brille, unangenehmen Druck an den Schläfen verursachen kann.
Ebenfalls neu: Die Canyon Tempr CFR Schuhe für Rennrad und Gravel
Neben den neuen CFR-Helmen und dem neuen Aeroad hat Canyon auch ihre ersten eigenen Schuhe vorgestellt – die Tempr CFR. Entwickelt in Zusammenarbeit mit den Spezialisten von Boa, Vibram und Solestar, zielen die Tempr-Schuhe durch das Zusammenspiel von Sohle, Drehverschlüssen und Außenschuh darauf ab, eine ideale Passform und maximale Steifigkeit zu bieten. Erhältlich sind sie in zwei Varianten: als Road-Version für die Straße und als Offroad-Variante für Gravel- und Cross-Country-Abenteuer. Eine Besonderheit ist die Stretch-Zunge, die den Fuß auf der Oberseite wie eine Socke umschließen und bereits vor dem Festziehen der Boa-Drehverschlüsse ein sicheres Tragegefühl vermitteln soll. Gerade für Langstrecken-Fans verspricht das auch einen erhöhten Komfort, denn die Konstruktion soll den Druck bei hoher Leistung reduzieren. Ausgestattet sind die Tempr CFR-Schuhe mit den präzisen und austauschbaren Boa Li2-Drehverschlüssen und dem BOA Perform Fit Wrap. Letzteres sorgt durch ein gleichmäßiges Umschließen des Fußes für einen stabilen Halt. Erhältlich sind die Tempr CFR-Schuhe für 329,95 €.
Genug Druck auf dem Pedal? Die neuen Canyon Tempr CFR Schuhe im Test
Die Canyon Tempr CFR-Schuhe überzeugen auf den ersten Blick mit einem stylischen Design und einer Passform, die nicht nur für breite Füße gut geeignet ist. Der Einstieg gestaltet sich zwar aufgrund der Stretch-Zunge als etwas schwierig, doch sobald die Schuhe einmal angezogen sind, bieten sie einen festen Halt, der, dank Boa-Verschluss, selbst bei intensiven Fahrten nicht nachlässt. Auch in puncto Belüftung überzeugen die Tempr Schuhe – die Füße bleiben angenehm kühl, und das Material trocknet schnell, was sich besonders bei intensiven Touren oder unerwarteten Regenschauern als vorteilhaft erweist. Die Stretch-Zunge schmiegt sich dabei angenehm an den Fuß, neigt jedoch dazu, umzuklappen, was beim Anziehen etwas Geduld erfordern kann.
Die steife Solestar-Vollcarbonsohle zeigt ihre Stärken vor allem beim kraftvollen Antritt, kann jedoch für einige Fahrer eine Herausforderung darstellen. Ein kleiner „Hubbel“ in der Sohle drückte bei einigen Testern unangenehm auf den Zehenballen, insbesondere bei längeren Fahrten. Dieser soll laut Solestar eigentlich zur Entlastung des Fußgewölbes beitragen und für eine optimale Kraftverteilung sorgen. Eine alternative Sohle wäre hier wünschenswert, um den Komfort zu erhöhen und den Schuh perfekt anzupassen. Die Boa Li2-Drehverschlüsse und das Perform Fit Wrap System hingegen sind erstklassig und tragen maßgeblich zu einer präzisen Anpassung bei. Ein kleines Manko bleibt das weiße Zehen-Cover, das zwar schick aussieht, aber sehr schmutzanfällig ist und sich schwer reinigen lässt.
Tuning-Tipp:Wer Probleme mit der Sohle hat, sollte eine alternative Einlegesohle in Betracht ziehen.
Fazit zu den neuen Canyon CFR Stingr und Disruptr Helmen und den Tempr Schuhen
Mit den neuen CFR-Helmen und -Schuhen betritt Canyon den Gear-Bereich und hinterlässt einen starken ersten Eindruck. Die Helme punkten durch ihr leichtes Gewicht, eine solide Belüftung und ansprechendes Design: Der Aero-Helm wirkt sportlich und windschnittig, die Allrounder-Variante hingegen eher urban. Das HighBar-System ist eine interessante Innovation, die jedoch Eingewöhnung erfordert – solider Sitz, aber optisch gewöhnungsbedürftig und etwas fummelig in der Handhabung. Ob es sich als neuer Standard durchsetzt, bleibt abzuwarten. Die CFR Tempr-Schuhe überzeugten nach anfänglichen Problemen mit der Sohle sowohl optisch als auch in der Passform und wurden schnell zum Dauereinsatz bei unseren Testern.
Tops
- MIPS Air Node-System
- niedriges Gewicht für Aero-Helm mit MIPS
- dezentes Branding an Schuhen und Helmen
- coole und schnelle Optik
- sehr bequemer und passgenauer Sitz der Helme
- feine Justierbarkeit der Schuhe
Flops
- gewöhnungsbedürftige Handhabung des HighBar-Systems
- Riemen führt zu Komplikationen mit der Brille
- keine alternative Sohle für die Schuhe
Mehr Informationen unter canyon.com.
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Text: Jan Fock Fotos: Antonia Feder