Das Cannondale SystemSix Hi-Mod wurde mit einem einzigen Ziel konzipiert: Das schnellste und effizienteste UCI-konforme Race-Bike zu sein. Ist das gelungen? Und reicht es, um als Sieger unseres Aero-Bike-Tests hervorzugehen? Wir haben das neue „Aero-Wunder“ genau unter die Lupe genommen.

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Aero-Rennrad 2019 – 3 Rennmaschinen im Test

Cannondale SystemSix Hi-MOD DURA-ACE Di2 | 7,66 kg | 10.499 €

Beim Cannondale SystemSix Hi-Mod Di2 ist so einiges anders, als man es von Aero-Bikes gewohnt ist. Cannondale geht neue Wege, um das Ziel des schnellsten UCI-konformen Race-Bikes zu erreichen. Die kantigen und Jet-ähnlichen Formen deuten auf reichlich aerodynamische Optimierung hin. Die schmalen 23 mm Vittoria-Reifen auf der 32 mm breiten Felge bieten ebenfalls einen Anblick, der mehr als ungewohnt ist, da die Felge damit deutlich breiter als der Reifen ist. Die nächste Besonderheit, die einem ins Auge sticht, ist die Front inklusive Gabel und der Aero-Abdeckung vor dem Steuerrohr. Die Gabel schließt in schönen Übergängen mit dem Rahmen ab, wirkt dort jedoch relativ breit und bullig. Beim Blick von der Seite vermisst man homogene Übergänge, da die Aero-Abdeckung deutlich nach vorne steht. Diese beherbergt auch sämtliche Kabel und Bremsleitungen, was die Front zwar clean wirken lässt, aber nicht wirklich aus einem Guss wirkt.


Wer auf 2000er Tuningmaßnahmen eines Golf III GTi steht, wird das SystemSix lieben – hart, schnell und laut

Das Thema Integration wird auch sonst überall groß geschrieben. Sowohl Kabel als auch die Di2-Junction-Box verschwinden im Rahmen wobei letztere mit der Platzierung im Unterrohr sehr leicht zugänglich ist. Weniger erfreulich ist die Sattelklemmung unter dem Oberrohr, die mit dem Multitool recht schwer zu erreichen ist und relativ schnell unschöne Spuren am Rahmen hinterlassen kann.

Beim Cockpit sei angemerkt, dass das Testbike in diesem Punkt nicht mit dem Serienbike übereinstimmt. Ausgeliefert wird das SystemSix mit dem Cannondale KN0T SystemBar-Cockpit, welches mit verstellbarem Lenker und einem hohen Level an Integration deutlich vom Testbike abweicht. Daher bleibt das Cockpit in diesem Test außen vor. Die Spacer hingegen sind serienreif, allerdings vermissen wir hier etwas Detailliebe. Beim Lenkeinschlag kann man von oben durch das Aero-Cover durchschauen, was nicht gerade sexy ist. Größtes Manko dabei ist die Kabelführung, die den Lenkeinschlag limitiert.

Das Cannondale SystemSix Hi-MOD DURA-ACE Di2 im Detail

Mit 10.499 € ist das SystemSix das günstigste Bike im Test, wobei man in der Preisklasse wohl kaum von günstig sprechen kann. Trotzdem bekommt man einiges für sein Geld. Shimano DURA-ACE Di2 R9170 Hydro mit der leichten hauseigenen HollowGram SiSL2-Kurbel mit integriertem Power2Max NG Eco Power Meter. Bewährte Technik handmade in Germany auf Profiniveau, die beidseitige Wattmessung und Temperaturkompensation bietet und mittels ANT+ und Bluetooth mit handelsüblichen GPS Geräten oder auch direkt mit dem Smartphone kompatibel ist. Die 64 mm tiefen und 32 mm breiten HollowGram KN0T64-Laufräder sind tubeless ready und werksmäßig mit Vittoria Rubino Speed in sehr schmaler 23 mm Breite bestückt, was dem Cannondale Aerokonzept zu verdanken ist. Ein Highlight der Laufräder ist der Speed-Release, bei dem die Steckachse nur gelöst werden muss und man das Rad herausnehmen kann, ohne die Steckachse zu entfernen. Mit etwas Übung garantiert das einen schnellen Radwechsel auf Profiniveau.

Antrieb Shimano DURA-Ace DI2
Laufradsatz HollowGram KN0T64
Bremsen Shimano DURA-ACE 160/140 mm
Reifen Vittoria Rubino Pro Speed
Gewicht 7,66 kg
Preis 10.499 €

Die Rohrformen erinnern an ein Zeitfahrrad
Theoretisch einfach einzustellen, allerdings nicht auf der Fahrt. Bei Multitools besteht schnell die Gefahr von unschönen Spuren.
„We got Power“ – die Power2Max-Kurbel kommt zwar serienmäßig – allerdings kann diese nur gegen Aufpreis freigeschaltet und benutzt werden
Die großzügigen Querschnitte bieten reichlich Platz für die
Di2-Junction-Box im Unterrohr
Sehr schade ist dass die Gabel oben nicht abgedeckt wurde. Das erlaubt nicht nur einen Blick in die Gabel sondern auch Schmutz und Staub den Eintritt in einen empfindlichen Bereich.
Dank Speed-Release sind Radwechsel auf Profiniveau möglich

Tuning Tipps:

  • breitere Reifen für mehr Komfort (Limit sind aber 25 mm)
  • Shimano-Kettenblätter für schönere Optik und bessere Schaltperformance


Die Geometrie des Cannondale SystemSix Hi-MOD DURA-ACE Di2

Soweit die Theorie, aber wie schnell ist das SystemSix wirklich? Beim ersten Druck aufs Pedal spürt man sofort die Effizienz des steifen Rahmens, allerdings braucht es auf den ersten Metern etwas, um in Fahrt zu kommen. Im Vergleich zum Specialized wirkt es träger und schwerfälliger, was überwiegend am Gewicht des Bikes liegt, denn sowohl die Laufräder als auch das gesamt Bike bringen im Test das größte Gewicht auf die Waage.

Die 7,66 kg in Größe 56 wollen erstmal auf Geschwindigkeit gebracht werden, sobald dies dann aber geschehen ist, läuft das SystemSix ruhig dahin. Selbst schärfste Bremsmanöver sind kein Problem, da der steife Rahmen diese souverän aufnimmt und die DURA-ACE Scheibenbremsen erneut auf ganzer Linie überzeugen. Langgezogene Kurven liegen dem Cannondale sehr gut und die Laufruhe und das präzise Handling vermitteln Vertrauen. In engeren Kurven fehlt Agilität und der limitierte Lenkeinschlag macht Wendemanöver zur Herausforderung.

Helm POC Ventral | Brille Alba Optics DELTA | Jersey CHPT3 GIRONA 1.27 Jersey | Bibs CHPT3 GIRONA 1.17 Shorts | Socken The Wonderful Socks #5 | Schuhe Specialized S-Works 7 Road

Im Uphill klettert das Cannondale effizient, wobei man die Trägheit und das Gewicht des SystemSix spürt. Die Kombination aus 52-36-FSA-Kettenblatt und 11-28-Kassette bietet einen guten Kompromiss aus Kletterfähigkeit und hoher Endgeschwindigkeit. Optisch und auch in Sachen Schaltperformance können die FSA-Kettenblätter, die auch im Aftermarket mit der Power2Max-Kurbel geliefert werden, allerdings nicht mit den original DURA-ACE-Kettenblättern mithalten.

Aerodynamik, Effizienz und Geschwindigkeit hatten laut Cannondale den größten Fokus bei der Entwicklung des SystemSix, wobei der Komfort deutlich auf der Strecke geblieben ist. Der steife Rahmen, die steifen und breiten Laufräder, die Aero-Sattelstütze und auch die 23 mm schmalen Reifen tragen alle nicht zum Komfort des Bikes bei. Unebenheiten und Schläge spürt man direkt, was das durch die Laufruhe gewonnene Vertrauen dämpft, da man gefühlt den Boden unter den Füßen verliert.

Die Aerodynamik eines Bikes ist eine Sache, aber die Position und Aerodynamik des Fahrers machen einen großen Teil des Luftwiderstands aus. Komfort hilft dem Fahrer, eine sportliche und aerodynamische Position lange halten zu können. Der Normalsterbliche wird hier seine Probleme haben, denn die besten und innovativsten Features bringen nichts, wenn einem nach kürzester Zeit schon alles weh tut. Eventuell hat Tony Martin nächstes Jahr mit EF Education First Drapac p/b Cannondale mehr Freude damit in 2019 #doublepanzerwagen.

Fazit

Cannondale verspricht maximale Geschwindigkeit für Race-Days und Everyday, aber genau das gelingt leider nicht. Der fehlende Komfort lässt den Fahrer schneller ermüden und dämpft den Fahrspaß und das Vertrauen in das mit 7,66 kg schwerste Bike im Test deutlich. Für die Geschwindigkeits-Junkies unter uns, die am liebsten ganz vorne im Wind fahren, bringt das Cannondale SystemSix Hi-MOD DURA-ACE Di2 für 10.499 € ein Aero-Paket, das zwar das ein oder andere Watt an Luftwiderstand einspart, aber weder mit Style noch mit Leichtigkeit punkten kann. Wir freuen uns schon auf den ersten Fluchtversuch von Tony Martin mit EF Education First Drapac in 2019 #doublepanzerwagen.

Stärken

– Laufruhe
– Power2Max NG Eco Power Meter
– Aerodynamik-Versprechen von Cannondale

Schwächen

– fehlender Komfort
– träges Ansprechverhalten
– Schaltperformance der FSA-Super-Kettenblätter

Uphill | Downhill | Laufruhe | Komfort


Mehr Infos findet ihr unter: cannondale.com

Das Testfeld

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Aero-Rennrad 2019 – 3 Rennmaschinen im Test

Alle Bikes im Test
Specialized S-Works Venge 2019 | Trek Madone SLR 9 Disc 2019

Dieser Artikel ist aus GRAN FONDO Ausgabe #010

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Text: Fotos: Benjamin Topf