
4.300 € (ohne Powermeter) | Hersteller-Website
Ach, Campagnolo. Selbst eingefleischte Fans der Marke haben in den letzten Jahren angefangen, den ein oder anderen melancholischen Seufzer in den Markennamen einzuhauchen. Zu viel ist schiefgelaufen bei dem traditionsreichen Komponentenhersteller aus Vicenza – auch bei der letzten Super Record. Die treuen Fans brüskierte man mit der Abschaffung des markentypischen Daumenschalters, alle anderen verwirrte man mit zwei eher fummeligen Schaltpedals, die Gangwechsel zum Glücksspiel machten – rauf oder runter? Hauptsache Italien. Dazu kamen Klagen über die Schaltqualität und Souplesse des Antriebs – eigentlich eine Domäne der Italiener –, gewöhnungsbedürftige Kettenblattkombis und überambitionierte Preisvorstellungen. Die letzte Iteration der Super Record wirkte ein wenig wie eine gequälte Anpassung an den Zeitgeist: eine Abkehr von den eigenen Wurzeln, aber ohne eigene Vision.

Ciao Bella – Wenn bei Campa alles so gut funktionieren würde, wie es aussieht, könnte Shimano einpacken
Jetzt also der Neustart. Mit der Super Record Wireless 13 überarbeitet Campagnolo nicht nur die eigene Topgruppe, sondern stellt auch die Weichen für die zukünftige Markenentwicklung. Campa möchte mehr sein als nur eine Reminiszenz an die eigene Geschichte. Wurzeln – ja. Heritage – gerne. Aber frei von Patina und bitte ohne Melancholie. Die Super Record Wireless 13 will die eigene Historie zitieren, ohne sich in ihr zu verlieren. Im Gegenteil: Der Blick geht nach vorn. Bevor wir uns aber von dem romantisierenden Blick auf Campagnolo verabschieden, sei trotzdem nochmal festgehalten, dass Campagnolo Gruppen einfach immer gut aussehen. Zeitlos und elegant statt aggressiv und technophil. Das gilt mit Ausnahme des Schaltwerks auch für die Super Record 13. Doch kann sie mehr als nur gut aussehen?



Campagnolo hat mit der neuen Super Record 13 Großes vor
Die Campagnolo Super Record Wireless 13 startet zwar zunächst als 2×13-Road-Gruppe, wird aber ab Herbst auch mit gedämpftem Schaltwerk als 1×13-Road- und – mit Bar-End-Shiftern – als 1×13-Zeitfahrgruppe erhältlich sein. Zudem folgen 1×13- und 2×13-Gravel-Adaptionen der Schaltgruppe, die auch Ritzel mit bis zu 48 Zähnen bedienen können. Campagnolo steckt mit der Super Record 13 das Terrain für die zukünftige Entwicklung des eigenen Portfolios ab. Die Italiener schaffen eine eigene Road/Gravel Plattform. Und das hat Potenzial.

Neben dem Anspruch, immer Klassenerster in der Addition neuer Ritzel zu sein, rückt Campagnolo mit der neuen Super Record 13 eine weitere ureigene Tugend in den Fokus: die Schaltgeschwindigkeit. Das Schaltwerk soll die Kette in sagenhaften 2,1 Sekunden vom kleinsten auf das größte Ritzel feuern – und in nur 1,9 Sekunden wieder zurück. Da bleibt kaum Zeit für melancholische Seufzer. Geschaltet wird mit einem guten alten Bekannten. Die Daumenschalter kehren an die Ergopower-Hebel zurück. Ein Stück Campa Historie, neu interpretiert.


Die Säulen, auf denen Campagnolo die Zukunft bauen will, sind die Flexibilität der 13-fach-Plattform, die pfeilschnelle Schaltperformance, der ikonische Daumenschalter und – etwas überraschend – eine neue Preispolitik. Mit einer UVP von 4.300 Euro (ohne Powermeter) ist die Super Record 13 zwar teuer, spielt preislich jedoch in derselben Liga wie Shimano oder SRAM – und nicht mehr eine darüber. Das Gesamtgewicht liegt laut Campagnolo bei 2.445 Gramm – im Vergleich zu den 2.520 Gramm des Vorgängers. Doch was hat sich im Detail verändert? Wir haben uns die Gruppe genau angeschaut.
Daumen hoch – die Ergopower-Hebel der Campagnolo Super Record 13
Der bekannte Daumenschalter kehrt zurück – allerdings neu geformt und anders positioniert. Er sitzt eher am Anfang der langen Hoods und wirkt deutlich integrierter als in den Vorgängerversionen. Die Positionierung verbessert die Ergonomie im Unterlenker, und man muss kein Daumen-Yoga-Guru sein, um beim Unterlenker-Zielsprint noch Gänge zu wechseln.



Doch im echten Leben hängt heute keiner mehr stundenlang in den Drops. Die Default-Position für Racer ist mittlerweile gestreckt auf den Hoods. Und genau an deren Ende hat Campagnolo der Super Record 13 einen programmierbaren Zusatzbutton spendiert. Umwerfer, Schaltwerk, Bike-Computer oder Smartphone – der Smart Button kann alles ansteuern, was elektronisch mit an Bord ist. Programmiert wird das Ganze über die hauseigene MyCampy-App. Das dritte Bedienelement ist der Shifter hinter dem Bremshebel. Er ist im Vergleich zum Vorgänger gewachsen und besser erreichbar.

Die Hoods der Super Record 13 wirken gestreckt, bieten viel Handauflage und sind dabei angenehm filigran. Durch die Neupositionierung der hydraulischen Bremsleitungen ist die Auflagefläche glatter und komfortabler geworden. Zusammen mit den eleganten Bremsgriffen wirkt die Super Record 13 insgesamt sehr clean und aufgeräumt.
Aller guten Dinge sind 13 – das Schaltwerk der Campagnolo Super Record 13
Wenn die Super Record 13 irgendwo optisch abgespeckt hat, dann am Schaltwerk. Es wirkt skelettiert, aggressiv und anders als der Rest der Gruppe fast ein wenig böse. Definitiv jedoch: patinafrei und schon im Stand verdammt schnell. Laut Campagnolo ist es das auch. Die Italiener behaupten, dass die Super Record 13 schneller schaltet als alle aktuell verfügbaren Schaltgruppen. Wir hatten bisher noch nicht die Gelegenheit, die Super Record 13 mit der Stoppuhr auf die Probe zu stellen – holen das aber in einem ausführlichen Test nach.
Neue Schaltrollen mit 14 Zähnen sollen zudem die mechanische Reibung reduzieren. Auffällig ist, dass das Schaltwerk weniger weit auskragt als der Vorgänger – was nicht nur optisch, sondern auch praktisch Vorteile bringt, etwa beim Transport oder im Falle eines Sturzes. Je kompakter, desto besser geschützt – idealerweise übernehmen dann Pedal oder Lenker den ersten Kontakt mit dem Asphalt.
Campagnolo bietet zwei Möglichkeiten, das Super Record 13-Schaltwerk mit dem Rahmen zu verbinden: entweder über den neuen Universal Derailleur Hanger (UDH) für die Direktmontage oder mit einem Adapter für klassische Schaltaugen. Die Gruppe ist also zukunftsfähig und passt an alle aktuellen Rahmen.
Mix and Match – Kassetten und Kettenblattkombinationen bei der Super Record 13
Die “13” im Namen der neuen Super Record steht für das aktuelle Alleinstellungsmerkmal der Campa-Topgruppe: 13 Ritzel in Kombination mit einer 2-fach-Kurbel – das bieten aktuell weder SRAM noch Shimano.

Aber bringt das wirklich etwas? Campagnolo verweist auf eine möglichst konstante Kadenz durch kleine Gangsprünge – für effizienteres Pedalieren. Und tatsächlich: Wer etwa mit der 10-29-Kassette unterwegs ist, freut sich über harmonische 1er-Sprünge in den untersten 9 Gängen. Wirklich relevant ist das allerdings nur für Profis. Für alle anderen entscheidender ist die Möglichkeit, den Antrieb sehr genau auf die eigenen Bedürfnisse abzustimmen.
Campa bietet insgesamt vier verschiedene Kassetten (10-29, 10-33, 11-32, 11-36), die sich mit sieben Kettenblatt-Duos kombinieren lassen (45/29, 48/32, 50/34, 52/36, 53/39, 54/39, 55/39). Während in der Vorgängerversion die obligatorischen 10er-Ritzel hinten auch vorne kleinere Kettenblätter erforderlich machten, erweitert Campagnolo nun das Angebot und lässt in Bezug auf Bandbreite und Entfaltung keine Wünsche offen.


Die 13-fach-Kassetten bauen übrigens genauso breit wie die bisherigen 12-fach-Kassetten und sind mit dem aktuellen N3W-Freilaufkörper kompatibel. Wie sich die neue Gruppe hinsichtlich Einstellbarkeit, Wartungsintensität und Verschleiß schlägt, muss sich allerdings erst noch zeigen. Die – zugegeben –mechanische Campagnolo Ekar mit ebenfalls 13 Gängen ist hier durchaus kapriziös und verlangt regelmäßig ein wenig feinmechanische Zuneigung.
Weightwatchers – Bremsen und Umwerfer der Campagnolo Super Record 13
Auch der vordere Umwerfer wurde behutsam überarbeitet. Ein neues Leitblech macht ihn kompatibel mit der erweiterten Kettenblatt-Bandbreite, ein neues Gehäuse spart ein paar Gramm. Ebenfalls überarbeitet wurde das Batteriegehäuse – Ziel: mehr Reifenfreiheit am Hinterrad. Ein weiteres Indiz dafür, dass Campagnolo mit der 13-fach-Wireless-Plattform auch im Gravel-Segment wildern will. Die Batterien für Umwerfer und Schaltwerk sind identisch. Sie bieten eine Reichweite von bis zu 750 Kilometern pro Ladung und können direkt am Bike oder separat geladen werden.
Die Bremsen wirken vertraut und erinnern stark an das Vorgängermodell – und das ist gut, denn die Stopper haben sich bewährt. Titanschrauben machen sie zudem minimal leichter.

Fazit
Mit der neuen Super Record 13 setzen die Italiener auf blitzschnelle Schaltperformance, individualisierbare Antriebskonfigurationen und ein eigenständiges Bedienkonzept. Mit dem Plattformgedanken gibt es endlich auch eine Markenstrategie, die mehr nach vorn als zurückschaut. Wie gut die Super Record 13 wirklich ist, klären wir bald in einem ersten Test.
Mehr Infos unter campagnolo.com.
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Text: Nils Hofmeister Fotos: Campagnolo