BMC präsentiert mit dem URS LT ONE für 7.999 € das erste vollgefederte Gravel-Bike im Portfolio. Neben vielen Gemeinsamkeiten mit dem Vorgänger URS 01 ONE ist das neue Bike nun auch in der Front mit der integrierten MTT-Federung ausgestattet. Wir haben den gelben Kanarienvogel auf den Gravel-Pisten Südtirols bereits für euch getestet.
Kopfkino an, Film ab. BMC hat uns Logenplätze im großen Gravel-Saal spendiert und auch in Sachen Erfrischungsgetränken und Snacks wird nicht gegeizt. Hauptprotagonist des neuen Streifens: das BMC URS LT ONE, ein wirklich hübscher Kanarienvogel. Erst kurz nach der Veröffentlichung des letzten Blockbusters, dem BMC Roadmachine X ONE-Rennrad (zum Artikel), drücken die Schweizer weiter mächtig auf die Tube und präsentieren stolz das nächste Rad. Aufbauend auf dem URS 01 ONE (zum Test) wurde der Rahmen 1:1 übernommen und dem Bike ein LT für Long Travel hinzugefügt. Die große Neuheit steckt in der Front, hört auf den Namen MTT Suspension-Federgabel und soll das Komfortlevel des Gravel-Bikes auf ein neues Niveau heben. Doch was genau steckt dahinter?
MTT Suspension-Federgabel – BMC x HiRide
Aufmerksamen GRAN FONDO-Lesern wird das Kürzel MTT, das für Micro Travel Technology steht, ein Begriff sein, schließlich nutzt der Vorgänger diese Technik bereits im Heck, um 10 mm Federweg zu generieren. BMC ist nun einen Schritt weitergegangen und hat in Kooperation mit HiRide, einem italienischen Spezialisten für Federungssysteme, die MTT Suspension-Federgabel mit 20 mm Federweg entwickelt. Sie basiert auf einer Stahlfeder, die sehr sensibel ansprechen soll, auch direkt am Anfang des Federwegs bei kleinen, Gravel-typischen Schlägen. Neben einer Lockout-Funktion lässt sich über drei verschiedene Federn die Federhärte und mit drei verschiedenen Spacern der SAG einstellen. Die Federgabel soll laut Hersteller gerade dann ins Geschehen eingreifen und Schläge entschärfen, wenn die 700 x 40C-Reifen ans Limit kommen – wie beispielsweise bei größeren Steinen oder Wurzeln. Der Plan könnte aufgehen und einen der wenigen Kritikpunkte des Vorgängers von der Liste streichen, haben wir dem BMC URS 01 ONE doch noch eine Komfort-Dysbalance aus gutem Komfort im Heck und mangelndem Komfort in der Front attestiert. Bevor wir die Frage beantworten, ob das Gravel-Leben ein Kompromiss ist, wollen wir aber noch einen kurzen Blick auf die weitere Ausstattung des Gravel-Bikes werfen.
Details und Ausstattung des BMC URS LT ONE
Zur Farbwahl muss nicht viel gesagt werden: Entweder man verliebt sich auf den ersten Blick in den gelben Kanarienvogel, oder eben auch nicht. Wir waren schon beim URS 01 ONE ein Fan von Farbe und minimalem Branding. Trotz der Technik-Vielfalt, die im URS LT verbaut ist, bleibt das Erscheinungsbild äußerst clean und das Gravel-Bike glänzt mit einem hohen Level an Integration. Wie auch der Vorgänger nimmt das URS LT Reifen bis zu einer Breite von 700 x 45C auf und bietet Anschraubpunkte für insgesamt vier Trinkflaschen bzw. Bags. Nach wie vor besteht für Allwetterfahrer und Commuter die praktische Möglichkeit, Schutzbleche und Gepäckträger zu montieren sowie das Kabel eines Nabendynamos intern durch die Gabel zu führen. Auch die Möglichkeit zur Montage einer hydraulischen Dropperpost im Standardmaß 27,2 mm ist dank des erhältlichen Einsatzes gegeben. Liebhaber von 2-fach-Antrieben mit klassischem Umwerfer werden enttäuscht sein, das BMC URS LT ist lediglich im 1-fach-Setup erhältlich – und das in zwei Versionen.
BMC URS LT ONE
7.999 €
Ausstattung
Sattelstütze BMC 01 Premium Carbon D-Shape Seatpost 0 mm
Bremsen SRAM Force HRD 180/160 mm
Schaltung SRAM Force eTap AXS mit Eagle AXS X01-Schaltwerk 38T (10–52T)
Vorbau BMC MSM02 75 mm
Lenker Easton EA70 AX 440 mm
Laufräder CRD-400 Carbon,
Reifen WTB Raddler TSC 40C
Technische Daten
Größe S M L XL
Gewicht 9,52 kg
Laufradgröße 700C
Das von uns getestete BMC URS LT ONE kommt in Größe L auf ein Gewicht von 9,52 kg und kostet 7.999 €. Geschaltet wird mit SRAMs kabelloser 1×12-fach-Schaltgruppe Force eTap AXS, die mit der riesigen 10–52T-Kassette eine extrem große Bandbreite ermöglicht und euch mit einem 38T-Kettenblatt auch die steilsten Anstiege bezwingen lässt. Wir sind große Fans der Bremsscheibengröße: BMC setzt in der Front auf 180 mm und im Heck auf 160 mm – der geografische Ursprung der Schweizer Marke ist hier klar erkennbar. Die zweite Version, das BMC URS LT TWO, ist mit 5.999 € zwei Riesen günstiger und profitiert sowohl in der Front als auch im Heck von der MTT-Federung. Abstriche muss man nur in der Wahl der Komponenten machen. Beim TWO kommen statt den hauseigenen CRD 400-Carbon-Felgen Alu-Modelle von DT Swiss zum Einsatz und statt der Force-Schaltgruppe wird die neue Rival eTap AXS verbaut.
Größe | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 431 mm | 459 mm | 492 mm | 527 mm |
Oberrohr | 557 mm | 578 mm | 591 mm | 612 mm |
Steuerrohr | 113 mm | 146 mm | 172 mm | 207 mm |
Lenkwinkel | 70,0° | 70,0° | 70,0° | 70,0° |
Sitzwinkel | 74,0° | 74,0° | 74,0° | 74,0° |
Kettenstrebe | 425 mm | 425 mm | 425 mm | 425 mm |
BB Drop | 69 mm | 69 mm | 69 mm | 69 mm |
Radstand | 1.041 mm | 1.064 mm | 1.081 mm | 1.105 mm |
Reach | 403 mm | 415 mm | 419 mm | 429 mm |
Stack | 538 mm | 569 mm | 603 mm | 641 mm |
Das BMC URS LT ONE im Test
Auch wenn es sicherlich Gravel-Bikes gibt, die sich schneller von 0 auf 25 km/h beschleunigen lassen: Es gibt nicht viele Räder, die diese Geschwindigkeit dann mit solch einer Leichtigkeit halten können. Das BMC URS LT ONE glänzt mit einer sehr guten Durchzugsstärke und einer tollen Effizienz und ist damit wie gemacht für lange und ausgedehnte Touren. Die Befürchtung, dass die Federung einen negativen Einfluss auf die Effizienz haben könnte, stellt sich als unbegründet heraus. Vielmehr: Es verbessert diese sogar noch, da Schläge gedämpft werden und ihr im Flow bleiben könnt. Wo wir schon beim Thema Flow sind: Das URS LT ist kein Freund von verschnörkelten Trails mit engen Kurven und häufigen Richtungswechseln, hier erfordert das Bike deutliche Lenkimpulse und lädt wenig zum Spielen ein. Außerdem tendiert es bei niedrigen Geschwindigkeiten durch den flachen Lenkwinkel zum Kippeln. Viel lieber ist es auf endlosen Geraden und langen, offenen Kurven mit Highspeed unterwegs, wo es seine hohe Laufruhe und seinen stabilen Geradeauslauf unter Beweis stellen kann. Bergab profitiert das URS LT von der guten Performance der SRAM-Bremsanlage und vermittelt auch im steilen Downhill viel Sicherheit.
In puncto Komfort stellt sich das BMC URS LT ONE als ein steifes und straffes Bike heraus, egal ob mit offener Feder oder im Lockout. Das steht dem Charakter des Gravel-Bikes sehr gut und ermöglicht erst diese hohe Effizienz im mittleren Geschwindigkeitsbereich. Eigentlich gibt es auch nur diese zwei Optionen: an oder aus. Die Zwischenschritte des HiRide-Systems sind kaum spürbar. Im offenen Modus werden spitze und harte Schläge effektiv gefiltert und damit sowohl Hände als auch Arme geschont. Es fällt jedoch schnell auf, dass das System überdämpft ist, was bei mehreren harten aufeinanderfolgenden Schlägen dazu führt, dass es nach jedem Schlag etwas weiter eingefedert bleibt. Das URS bleibt dadurch in der Dämpfung und die Performance der Federung nimmt immer weiter ab. Im ruppigen Gelände ist das jedoch deutlich besser, als unterdämpft zu sein! Insgesamt lässt sich festhalten, dass das BMC URS LT stark von dem MTT-System in der Front profitiert. Die beim URS 01 ONE noch bemängelte Komfort-Dysbalance zwischen Front und Heck konnten wir hier nicht feststellen.
Das HiRide-Federungssystem im Vergleich …
… zur RockShox Rudy-Federgabel
Rein optisch kann das HiRide-System den Vergleich gegen die RockShox Rudy-Federgabel (zum Test) klar für sich entscheiden, schließlich lassen sich sämtliche Kabel innen verlegen und sorgen so für ein sauberes Erscheinungsbild. Neben der internen Führung eines Nabendynamo-Kabels ist bei der HiRide-Federgabel auch die Montage von Schutzblechen möglich. Positiv sticht neben einem geringeren Gewicht auch der abnehmbare Schutz an den Ausfallenden der Carbon-Gabel heraus. Prinzipiell ist durch die Bauweise der MTT-Gabel die Möglichkeit gegeben, Trinkflaschen oder Taschen an der Gabel zu befestigen, auch wenn dies bei der URS-Gabel leider (noch) nicht der Fall ist. In puncto Einstellbarkeit hat die Rudy-Federgabel klar die Nase vorne. Hier lassen sich Zugstufe und Luftdruck fein und theoretisch auch einfach unterwegs einstellen, wohingegen es beim URS nur die Möglichkeit für drei verschiedene Federhärten und Spacer gibt. Der Wechsel lässt sich jedoch nur in der Werkstatt machen und selbst das wird in der Realität höchstwahrscheinlich keiner machen. Die meisten von uns werden den vermutlich passenden Spacer einmal montieren lassen und das System danach nie wieder anfassen. Wer statt der MTT-Gabel lieber eine klassische Federgabel verbauen möchte, kann dies glücklicherweise sofort in die Tat umsetzen, da das URS LT für Gravel-Federgabeln freigegeben ist.
… zum Future Shock-System
Im Vergleich zum Future Shock 2.0-System aus dem Hause Specialized wie es beispielsweise am S-Works Diverge Gravel-Bike (zum Test) verbaut ist, sitzt das HiRide-System klar an der besseren Stelle. Das Future Shock-System entkoppelt lediglich den Lenker, wohingegen das HiRide-System in der MTT-Gabel das einfedern des Vorderrades erlaubt. Somit muss der Schwerpunkt des Bike-Fahrer-Systems nicht bei jedem Schlag nach oben bewegt werden, sondern kann sich auf gleichmäßig weiter bewegen und das spart wertvolle Energie. Auch wenn es an der BMC-/HiRide-Technologie noch einiges zu feilen gibt: Im direkten Vergleich des Gesamtkomforts liegt das HiRide-System bereits in der ersten Generation auf Augenhöhe mit dem Future Shock 2.0-System. Respekt! Wo das System noch ausbaufähig ist, erfahrt ihr in der GRAN FONDO Issue #019.
… zu breiten Reifen
Theoretisch ist es möglich, das Plus an Komfort auch durch breitere/voluminösere Reifen und einen niedrigeren Luftdruck zu erzielen. Auf kompakten Untergründen hat man hier jedoch mit Einbußen in Sachen Effizienz durch den höheren Rollwiderstand zu rechnen. Ganz davon abgesehen, dass viel breitere Reifen als die montierten 700 x 40C Pneus gar nicht ins Rahmenset passen, das bis 700 x 45C freigegeben ist. So bietet die Kombination aus relativ schmalen Reifen für eine gute Effizienz auf kompaktem Untergrund und der Federung für einen höheren Komfort auf unebenem Gelände einen für viele Schotter-Fans sinnvollen Kompromiss.
Unser Fazit zum BMC URS LT ONE
BMC hat mit der Weiterentwicklung des URS vieles richtig gemacht und präsentiert mit dem hübschen URS LT ONE das perfekte Bike für den sportlichen Gravel-Meilenmillionär, der viel Wert auf eine gute Vibrationsdämpfung legt. Das Bike glänzt mit toller Effizienz, hoher Laufruhe und gutem Vortrieb auf allen Wegen, auch der gelegentliche Ausritt auf den Flowtrail ist mit dem URS LT ONE drin. Es sollte nur nicht zu verwinkelt werden, auf engen Kurven zeigt sich das Gravel-Bike wenig verspielt.
Tops
- hohe Laufruhe bei Highspeed
- tolle Effizienz und guter Vortrieb
- hohes Level an Integration
Flops
- durch flachen Lenkwinkel wirkt das Bike bei langsamer Fahrt kippelig
- überdämpftes HiRide-System nimmt die Spritzigkeit im Handling
- Einstellbarkeit des MTT-Systems eingeschränkt
Mehr Informationen zum BMC URS LT ONE findet ihr unter bmc-switzerland.com
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Text: Tobias Hörsch, Philipp Schwab, Benjamin Topf Fotos: Benjamin Topf