Von einem der härtesten Rennen der Welt zur Kaffeefahrt? Auf den ersten Blick sah es dieses Jahr so aus, als hätte die Tortour ziemlich abgebaut: Temperaturen, bei denen nicht mal Wasser erstarrt, läppische 177 km in drei Tagen und eine Strecke, die man mit einem Flohmarkt-Rad bewältigen konnte. Weshalb das dennoch reichte, um gestandenen Männern und Frauen ihre Grenzen zu zeigen und wie man sich darauf vorbereiten kann, erfahrt ihr hier.

Winden, foltern, quälen – mit dem Namen „Tortour“ verbindet wohl keiner freundliche Vorstellungen. Direkter und furchteinflößender kann man ein Event auf Rädern nicht betiteln. Im Sommer bedeutet das 1.000 km und mehr als zwei Mal über den Kilimandscharo und das Nonstop! Im Winter soll die Herausforderung der Winter selbst sein. Bei der Runde vor einem Jahr zeigte sich, dass die Rechnung aufgeht. Beim Anblick von knöcheltiefem Schnee und weinenden Männern glaubte keiner mehr, dass das Rennen leicht war.

Doch was passiert, wenn die Herausforderung des Winters wegfällt? Temperaturen knapp um den Gefrierpunkt, wenig Schnee und teilweise sogar Sonne: Dieses Jahr schien das Wetter gnädig zu sein – relativ zumindest. Außerdem gab es Gerüchte darüber, dass die Strecke deutlich harmloser geworden war. Hatte sich die Tortour vor sich selbst erschreckt und im letzten Moment die Segel gestrichen?

Das Terrain und die passende Technik

Wenn der Winter als Herausforderung wegfällt, dann bleibt nur noch die Strecke. Und hingegen aller Gerüchte zeigte sich, dass diese als ultimative Herausforderung vollkommen ausreichte. 177 km in drei Tagen klangen im ersten Moment gut machbar. In Holland trifft das auch sicherlich zu, in den Schweizer Alpen sieht es gleich ganz anders aus: 2.600 Höhenmeter galt es abwechselnd auf Forststraßen, Schotterpisten und Asphalt zu bewältigen. Bestückt mit langen Tragepassagen, kleinen Schneefeldern und Singletrails war die Tortour Cyclocross alles andere als ein Spaziergang mit alten Freunden. Wir befanden uns auf einer gut geplanten und genau kalkulierten Reise ans menschliche Limit.

Um bei der ganzen Quälerei nicht ganz alt auszusehen, braucht man das passende Rad. Das vermutlich am häufigsten gesehene Bike war das Focus Mares – ein klassischer und verdammt guter Crosser, wie wir nach persönlicher Erfahrung bestätigen können. Doch auch wenn die Tortour Cyclocross heißt, war dieses Rennen keine klassische Querfeldeinveranstaltung. Neben ein paar vereinzelten Mountainbikes war das Werkzeug der Wahl also das Gravelbike! Es bahnte sich fast ein Popularitätskampf zwischen 3T vs. Open an.

Am Ende spielt es aber keine Rolle, ob Edel-Velo oder – wie die GRAN FONDO-Abordnung – Flohmarkt-Schnäppchen. Solange man sich auf sein Rad verlassen kann, hat man den Kopf frei, um sich der Herausforderung zu stellen. Dennoch gilt: Stumpf ist Trumpf. Je einfacher die Technik, desto befreiter die Fahrt! 1-fach Antrieb, Tubelessreifen und eine kleine Portion Glück waren die Zutaten für pannenfreie Etappen. Außerdem sollte man nicht vergessen: Wer 2.600 Meter in die Höhe fährt, der muss auf der anderen Seite auch wieder runter. Daher sind Scheibenbremsen gerade beim Cyclocross wärmstens zu empfehlen.

Anforderung an Körper, Geist und Equipment

Frage: „Was ist dein ultimativer Tipp, um die Tortour zu überstehen?” Antwort: „Warm anziehen!“ Auch wenn die Luft lediglich um den Gefrierpunkt scharwenzelte, sollte man das nicht unterschätzen. Die Gefahr auszukühlen ist auch bei Temperaturen über 0 °C präsent. Lieber ein bisschen mehr schwitzen, als sich vollkommen unterkühlt durch den Wald zu schleppen. Thermoklamotten und ein bis zwei Schichten mehr helfen da weiter, weiß Stephan Gubler, der für uns die Tortour mitgefahren ist. Überschuhe, Sealskinz oder zur Not Plastiktüten über Händen und Füßen halten die Feuchtigkeit von den wichtigsten Stellen fern. Wer sich dann noch den Wind mit einer passenden Jacke oder Weste vom Leib hält, hat so gut wie gewonnen. Zumindest im Kampf gegen das Wetter.

Eine weitere Herausforderung ist das arrhythmische Fahren. Wer sich in den letzten Jahren auf seine perfekte Trittfrequenz konzentriert hat, wird hier nicht weit kommen. Der Fahrer muss sich beinahe minütlich auf neue Bedingungen einstellen. Eine konstante Trittfrequenz wird sich hier nicht ergeben. Man sollte sich daher in jedem Gelände wohl fühlen und auch mit dem Rad auf der Schulter eine gute Figur machen.

Starte am besten im Team oder such dir gleich zu Beginn eine Gruppe, die zu deinem Tempo- und Technik-Niveau passt. Die Tortour fährt man nicht gegen- sondern miteinander. Gewinnen heißt hier überstehen. Und das geht am besten mit alten oder neu gewonnen Freunden. Die gegenseitige Hilfe nimmt unterscheidlichste Formen an: Windschatten spenden, anschieben oder einfach nur zusammen durchbeißen. Am Ende ist der Preis kein schimmernd mit Diamanten besetzter Pokal, sondern eine blecherne Dose Hülse-Bier mit den Gefechtskameraden.

„Die Tortour ist für die meisten wie ein Klassentreffen mit alten Schulkameraden“, sagt Stephan „Gubi“ Gübler.

Fazit

Trotz Flohmarkt-Rad – eine Kaffeefahrt wird die Tortour nie werden. Vor allem, weil sie als Kampf mit sich selbst und den Elementen angelegt ist: Es geht um den Spaß am gemeinsamen Leiden und das Ausreizen der eigenen Grenzen. Es geht darum, wie hoch ihr für euch die Latte legt und wie weit ihr gehen wollt, um euer Ziel zu erreichen. Und es geht darum, am Ende irgendwie auf der anderen Seite rauszukommen. Wenn man bereit war mindestens 365 € Startgeld zu bezahlen, bekam man eine rundum gelungene Organisation und eine fast schon mütterliche Fürsorge. Dadurch bot die Tortour Cyclocross die perfekte Plattform, um über seinen Tellerrand zu steigen und sich selbst auf die Probe zu stellen.

Die Tortour in der Zukunft

Dieses Jahr wird es im Rahmen der klassischen Sommer-Tortour insgesamt drei Rennen geben: die Tortour (ca. 1.000 km), die Tortour Challenge (ca. 525 km) und die Tortour Sprint (ca. 370 km). Alle drei Veranstaltungen finden vom 17. bis 19. August 2017 statt.
Die Tortour Cyclocross Winter gibt es erst wieder 2019. Doch alle Cyclocross-Freunde können aufatmen: 2018 wird es ebenso eine Tortour Cyclocross geben, allerdings findet diese im Sommer statt.

Alle weiteren Informationen findet ihr unter tortour.com


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