DT Swiss bringt mit dem ERC 1100 Dicut nicht nur einen neuen Laufradsatz auf den Markt, es soll DER Endurance-Laufradsatz sein. Was genau braucht es dazu und können die Schweizer ihr Versprechen halten? Wir waren beim offiziellen Launch in Biel und haben den DT SWISS ERC 1100 Dicut auf Herz und Nieren getestet. Als einziges Magazin gewährten uns die Schweizer bereits im September die Möglichkeit, den ersten fahrbaren Prototypen zu testen – ihr dürft also auf weitere Hintergrund-Infos in diesem Artikel gespannt sein.

Drei Uhr am Nachmittag, du kurbelst bereits seit viereinhalb Stunden, du hattest einen Riegel dabei, die Tour sollte nicht lange dauern, die Wasserflasche ist schon eine Weile leer, doch da ist dieser eine Feldweg, die Abkürzung nach Hause. Rein in den Schotter, Steine, Matsch, Pfützen. Strahlend kommst du zu Hause an. Es war nicht dein Alu-Trainingslaufradsatz. Es war dein Carbon-Rennlaufradsatz. Keine Reue. Es hat sich nie besser angefühlt. So oder so ähnlich hat wohl das Szenario ausgesehen, welches sich vor den geistigen Augen der Produktmanager im beschaulichen Biel abgespielt hat. Am Anfang die Idee, heute auf dem Markt: Der DT Swiss ERC 1100 Dicut.

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Wie viel Zeit spart Aero wirklich?

Nach dem ganzen Wirbel um die Themen Road+ und Aero erscheint es sinnvoll, das Beste aus beiden Welten in einem Produkt zu vereinen. So stellt DT Swiss nicht nur einen neuen Laufradsatz, sondern direkt eine neue Kategorie vor: Aero+. Eine Verbindung, die das Endurance-Erlebnis auf ein neues Level hebt. Das Team von DT Swiss erhebt den Anspruch an sich selbst, Fahrer vom Wechseln der Laufräder je nach Einsatzzweck zu befreien, ja, es erhebt sogar den Anspruch, das Rad neu erfunden zu haben. Als Ausgangspunkt der Schöpfung nennen die Schweizer drei Dinge: Luftwiderstand, Handling und Effizienz. Die Idee hinter dem ERC 1100 Dicut ist also nicht nur, dass sämtliche Windeinflüsse minimiert werden, sondern dass sich der Fahrer dabei auch jederzeit wohlfühlt.

„You can only stay aero, when you stay in control.“
„You can only stay aero, when you stay in control.“

Es regiert das Motto: „You can only stay aero, when you stay in control.“ Schließlich kann der Fahrer die gestreckte, aerodynamische Position nur halten, solange er Herr der Lage ist. Aber DT Swiss setzt sogar noch einen drauf. Der ERC 1100 Dicut soll nicht nur die unberechenbaren Einflüsse der Querwinde eliminieren, sondern diese in Vortrieb umwandeln – mit dem Segeleffekt. Jener Effekt, gepaart mit dem höheren Grip der breiteren Reifen, formt das Sinnbild für Effizienz in den Köpfen der Schweizer Konstrukteure. Für alle, die sich immer noch fragen, wie viel Zeit sie durch aerodynamische Optimierung rausholen können, hier die von Swiss Side berechnete Antwort: Bei einem 180 km langen Kurs mit 1.200 hm soll ein Amateur ganze 20 min sparen können!

Was macht den DT Swiss ERC 1100 Dicut besser?

Jedes Bauteil des Laufradsatzes wurde speziell konstruiert, um den Luftwiderstand zu minimieren. Bei der Entwicklung der Komponenten holte sich das Bieler Unternehmen mit Jean-Paul Ballard (Co-Gründer von Swiss Side und früher Chefkonstrukteur des Sauber-F1-Teams) Know-how aus der Formel 1 ins Haus.

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Die Felge

Sie wurde im Rahmen der aerodynamischen Optimierung nicht isoliert betrachtet, sondern als Einheit mit dem Reifen. Die bestmögliche Kombination aus Reifen und Felge ist laut DT Swiss geschwindigkeitsabhängig: Unter 35 km/h sollten 28 mm breite Reifen und darüber 25 mm breite Reifen verwendet werden. Die Felgenmaulweite von 19 mm stellt sicher, dass beide Reifendimensionen die jeweils bestmögliche Oberfläche darstellen.

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Die Speichen

Messerspeichen sind seit jeher eine Spezialität der Schweizer. Auch sie standen auf dem Prüfstand. Die neueste Speichengeneration ist jetzt zu zwei Dritteln flach und nahe der Nabe rund geformt. DT Swiss verspricht sich davon, den Luftwiderstand im Bereich der höchsten Rotationsgeschwindigkeiten, also an der zur Felge gerichteten Seite, zu minimieren und gleichzeitig durch die runde Bauform den Komfort im langsamer rotierenden Bereich aufrechtzuerhalten.

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Die Nabe

Bei den zahllosen Tests wurde deutlich, dass der Nabenkörper 15 % des Luftwiderstandes eines Laufrades ausmacht. Infolgedessen wurde dieser auf ein Minimum verkleinert und ist nun gerade so groß, dass er die 12 mm-Thru-Axle und die Präzisionslager aufnehmen kann – size matters! Der große Achsdurchmesser erlaubt hohe Klemmkräfte, was sich positiv auf das gesamte Fahrverhalten auswirkt. Außerdem lassen sich die Spannhebel entfernen, was nicht nur für einen cleanen Look, sondern auch für 5,5 % weniger Luftwiderstand sorgt.

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Fünf Dinge, die du nicht über Aero wusstest

1. Der Luftwiderstand teilt sich auf wie folgt: 75 % Fahrer, 25 % Bike (davon entfallen 8 % auf die Laufräder).

2. Komfort ist zentral für die Aerodynamik. Je wohler sich der Fahrer in seiner Position fühlt, desto besser. Faustregel: Oberkörper 1 mm aufrechter – 1 W mehr Luftwiderstand

3. Ein aerodynamisches Bike bringt Amateuren mehr als Profis, da sie für die gleiche Strecke länger auf dem Rad sitzen.

4. Aerodynamik ist wichtiger als Gewicht. Der gesamte Widerstand, gegen den der Fahrer ankämpfen muss, verteilt sich auf 69 % Luftwiderstand, 16 % Massenträgheit, 15 % Rollwiderstand (bei 45km/h). Bereits ab einer Geschwindigkeit von 15 km/h ist der Luftwiderstand der größte Gegner.

5. Breitere Reifen machen auch auf einem aerodynamisch optimierten Laufrad Sinn, da der Rollwiderstand geringer ist und somit die Systemeffizienz höher ausfällt.

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Auf und abseits der Straße

Zur Zeit unseres Test war November in Biel und das Wetter kann zu dieser Zeit des Jahres ziemlich ungemütlich sein. Der Nebel wird dichter, die Pfützen tiefer, der Wind kälter, das Wetter ist unberechenbar. Nicht das beste Wetter für eine Endurance-Tour mit den Jungs? Doch – genau die richtigen Bedingungen, um einen Endurance-Laufradsatz zu testen, denn genau darum ging es uns: ein Ziel zu erreichen, egal was auch immer vor/unter uns lag.

Zu unserer Freude lichtete sich der Morgennebel bald und wir starteten mehr oder weniger im Sonnenschein um den Bielersee. Die ersten 40 km ging es mit Mach 10 über den Asphalt. Unter uns das BMC Roadmachine mit den brandneuen DT SWISS ERC 1100 Dicut, 25 mm Reifen und 6 bar Druck, Feuer frei. Aus „Lass uns mal ruhig losrollen“ wurde innerhalb von 8 km der „belgisch-schweizerische Kreisel“. Dank der Keramiklager konnte man die Beine im Windschatten hin und wieder baumeln lassen, bevor es wieder in den Wind ging. Was uns direkt auffiel, war nicht nur der eiserne Geschmack im Mund, sondern auch, dass man trotz wechselnder Windrichtung die Hände gut vom Lenker nehmen konnte, ohne Gefahr zu laufen, unser kleines Peloton ins Verderben zu stürzen. Spurtreu ging es geradeaus und berechenbar um jede Kurve, sodass man die Aufmerksamkeit getrost auf die Szenerie und das Summen der Carbonfelgen richten konnte. Der Fahrer unseres Begleitfahrzeuges schien auf einer ähnlichen hohen Wolke der Ekstase zu schweben – „Tschüss Spiegel, Grüez di Gelächter“!

Halbzeitpause, d. h. warmer Tee und Laufradwechsel. Kassette und Bremsen blieben gleich, doch jetzt wurden 28-mm-Reifen mit 5,5 bar Druck aufgezogen und vor uns endete der Asphalt. Die Truppe setzte sich in Gang. Allen war anzumerken, dass sie sich mit dem Carbonfelgen- und Slickreifen-Mix erst einmal herantasten wollten. Spürbar absorbierten die Reifen nicht nur kleine Unebenheiten, deshalb wurden alle schnell mutiger.

Steine, Schotter, der Trupp einreihig, 5 cm Abstand, Dreck knirschte auf den Zähnen, unser Paris Roubaix. Auf den Asphaltfetzen, welche die Gravelsegmente verbanden, versuchten wir Luft zu holen und auszudrücken, wie sich der DT SWISS ERC 1100 Dicut gerade angefühlt hatte. Einhellige Meinung: „Fühlt sich nach mehr an.“ Nicht nur relativ komfortabel, sondern auch mit einer gehörigen Portion Grip und damit Vertrauen ging es in den nächsten Abschnitt. Shut up, legs!

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Zurück am DT- Swiss- Headquarter rieben wir uns den Dreck aus den Augen. Von der letzten Gravel-Sektion bis zum Ziel ging es ausschließlich über glatten Asphalt. Die 28- mm-Reifen mit 5,5 bar Druck fühlten sich darauf zu keiner Zeit schwammig oder undefiniert an. Auch mit hohen Geschwindigkeiten ließ es sich um die Kurven zirkeln – top! Wir klatschten ab. Der Tag endete mit dem lang versprochenen und heiß herbeigesehnten Schweizer Käse: Raclette vom Grill. Ein Fest für den Gaumen, eine Zerreißprobe für so manche Nase. Genau unser Ding! #longdaysout

Harte Fakten des DT SWISS ERC 1100 DICUT

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Vorderrad 12/100 mm TA
Hinterrad 12/142 mm TA, Shimano 11 Speed, SRAM XD optional
Nabe Dicut Aero DB, 36 Zahn Ratchet-System, Sinc Ceramic
Bearings
Bremsaufnahme Center Lock
Felge Endurance Carbon Clincher, UD Finish, tubeless ready
Felgendimensionen 622 x 19 mm
Speichen DT Aerolite ⅔ und DT Aero Comp ⅔, T-head, schwarz
Nippel DT Pro Lock Aluminium
Einspeichung 24 x 2-fach gekreuzt
Zul. Gesamtgewicht 120 kg
Gewicht (o. Schnellspanner) VR 710 g / HR 820 g
Preis 2.418 €
Verkaufsstart März 2017

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Fazit

Wir können dem DT SWISS ERC 1100 Dicut auf jeden Fall eines attestieren: Er hat das Potential DER Endurance-Laufradsatz zu sein! Schnell genug, um jenseits der 40 km/h in der Ebenen zu drücken, leicht genug, um die Pässe nicht fürchten zu müssen, stabil genug, um es auch abseits der Straße stehen zu lassen. Ob sich die Laufräder auch nach 10.000 km treu bleiben, konnte in diesem Test nicht festgestellt werden. Wir denken jedoch, der ERC 1100 Dicut besitzt genügend Potential, um seinem Fahrer auch nach 20.000 km gute Dienste leisten zu können. Als definitive Schwachstelle identifizieren wir nach der Ausfahrt ausschließlich den Spiegel des Begleitfahrzeuges.

Mehr Informationen findet ihr unter dtswiss.com


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Text: Fotos: Robin Schmitt