Stellt euch vor, ihr lebt als Surfer in einer Region, wo das Meer eher ruhig ist. Jeder Turn ein bittersüßer Ausdruck geballter Freude – bittersüß, weil ihr wisst, dass all das nur vorübergehend ist. Doch was, wenn ihr jeden Tag surfen könntet? Hätte sich dieser perfekte Turn dann genauso grandios angefühlt?

Dort, wo ich lebe, an der Ostküste Schottlands, treffen Wind und Langstrecken-Swell nur quälend selten aufeinander, um surfbare Wellen zu produzieren. Für mich und viele andere Menschen, die dort leben, wo Wellen rar sind, bedeutet Surfen, egoistisch zu sein. Oftmals umgeht man familiäre Verpflichtungen, vermeidet langfristige Planungen und lässt gelegentlich Verabredungen sitzen in dem Rausch, sich ein paar Minuten voller Spaß durch viele Stunden im Wasser zu erkämpfen.

Und obwohl die Jagd nach Surfgelegenheiten in Südschottland so glanzlos ist, liebe ich es, die wenigen Sekunden Spaß herauszukitzeln, in denen die Energie des Meeres sich im Sand entlädt.

Einige pendeln zwischen Wintersaison und sommerlichen Wellen hin und her, ziehen ihre Schwünge zuerst im Puderschnee und dann auf den Wellen. Dieser Lebensstil mag einem in der Jugend gut zu Gesicht stehen, strapaziert jedoch schnell die Geduld der Mitmenschen, wenn man es mit den Verpflichtungen des Erwachsenenlebens aufnimmt. Um echte Harmonie zu finden und trotzdem einen Adrenalinrausch zu bekommen, wie man ihn beim perfekten Turn empfindet, muss man Kompromisse eingehen und einen anderen Weg beschreiten. Ich für meinen Teil habe ich mich fürs Biken entschieden.

Sidecut Fish – shaped by Jason Burnett

Seit den später 1960ern, als der vorausdenkende Steve Lis auf sein Kneeboard einen tief in das Board reichenden Swallow Tail zeichnete, hat sich das „Fish“-Surfboard zu einer Ikone entwickelt. Traditionsgemäß wird der Fish-Shape mit einem flachen, breiten Profil gefertigt und ist damit perfekt geeignet, um ein Maximum an Spaß aus schwächeren Wellen herauszuquetschen. Der Sidecut Fish geht noch einen Schritt weiter, indem er das Profil unter den Füßen des Surfers ein wenig ausdünnt und es damit ermöglicht, mühelos von Rail zu Rail zu gleiten.

Sidecuts
Das Profil verschlankt sich unter dem hinteren Fuß des Surfers und erlaubt es dem Brett, sich schneller von Rail zu Rail zu bewegen, sodass die Turns leichter von der Hand gehen
Twin-Fin
Das Design der Zwillingsfinnen ermöglicht maximale Manövrierbarkeit auf schwachen Wellen. Während eines Turns fungiert eine Finne als Drehpunkt, um die sich die andere dreht. Die fehlende dritte Trailing-Fin ergibt weniger Widerstand – Full Speed down the line!
Fishboard
Wenn die Wellen unvorhersehbar sind und es ihnen an Kraft fehlt, dann holt ein Fish-Shape den meisten Spaß aus ihnen heraus. Das runde Profil gleitet durch schwache Sektionen und ermöglicht maximalen Speed. Außerdem gleitet das Brett mit seinem schwachen Rocker mühelos in Wellen hinein.

Canyon Grail AL 7.0

Canyon Grail AL 7.0 (Zum Test) | 1.499 € | 9.39 kg

Das Canyon Grail AL 7.0 für 1.499 € ist ein erschwinglicher Kilometerfresser, der einen fantastischen Look und Vielseitigkeit für einen außergewöhnlichen Preis bietet. Obwohl ihm die Energie und das lebendige Handling leichterer und teurerer Gravel-Bikes fehlen, ist es ein Meister des sicheren und genügsamen Handlings – und macht so Feierabendrunden und episch lange Sonntagsausfahrten zu einer einfachen Aufgabe.

Kein Hover-Lenker, kein Problem
Wir geben es zu, wir sind Fans vom simplen Cockpit des Canyon Grail AL! Mit seinem 440 mm breiten Lenker und einem sanften Flare an den Drops lässt sich das Canyon leicht fahren und ist perfekt, um Vollgas zu geben.
Alles unter Kontrolle
Shimanos 105er-Scheibenbremsen mit 160-mm-Rotoren an Front und Heck liefern kraftvolle Verzögerung bei allen Bedingungen – was besonders nützlich ist, wenn ihr innerlich ganz auf den Horizont fokussiert seid.
Zuverlässigkeit ist entscheidend
Was ihm an Sexappeal fehlt, macht der komplette Shimano 105er-Antrieb mit robuster Zuverlässigkeit wieder wett. Wenn ihr einfach nur biken wollt, braucht ihr nicht viel mehr.
Alles geht
Die Schwalbe G-One Bite-Reifen in 700 x 40C sorgen für eine gute Portion Vielseitigkeit plus Komfort und machen ruppige Gravel-Tracks zum Kinderspiel.

Es gibt viele Parallelen zwischen Radfahren und Surfen. Das Adrenalin entlädt sich beim Surfen zwar wie ein Schlag ins Gesicht, während es beim Biken eher stetig tröpfchenweise in den Blutkreislauf fließt. Aber trotzdem kanalisiert Biken für mich doch den eigentlichen Grund, warum ich surfe. Die Leidenschaft für Abenteuer, diese sanfte Gemütsruhe, die man empfindet, einfach weil man an einem verdammt schönen Ort ist – egal ob hoch oben auf einem Grat, während die Sonne untergeht, oder hüfttief im glasklaren Wasser. Es ist dieses Gefühl der Abkopplung – keine Bildschirme, keine Verpflichtungen. Nur du und das Meer oder du, Bänder aus Singletrails und die offene Straße.

Aufgrund meiner gewachsenen Familie bin ich zu einem Sklaven der Tagesabläufe geworden. Doch indem wir die Aufgaben verteilen, bekomme ich gelegentlich die Möglichkeit, mir eine Auszeit zu nehmen. Der Plan ist stets der gleiche: Kaffee, Gravel-Bike schnappen und raus aus der Wohnung. Schon bald streife ich durch die Felder, der Wind bläst in mein Gesicht und der Boden rauscht unter meinen Reifen vorbei. Oftmals plane ich nicht einmal eine Route, sondern bestimme spontan meine Fahrtrichtung entlang der Landstraßen und schmalen Wege. Doch eine Sache ist sicher: Meine Route verschlägt mich immer an die Küste. Wie eine Metallkugel, die auf einen Magneten zurollt, zieht es mich unweigerlich hinunter an die Landzunge. Die Erwartung an das Unbekannte wächst und treibt meinen Puls sowie mein Tempo gleichermaßen nach oben. Die Pilgerfahrt beschleunigt sich, ich springe über zwei Gatter und rase eine holprige Straße hinunter, bis sich der Blick auf die felsige Küstenlinie endlich öffnet. Gibt es Wellen? Brechen sie? Teufel ja, gerade so!

Der Wettlauf nach Hause beginnt. Ich trete wie ein Wahnsinniger in die Pedale. Nur Innenkurven zählen und jede Sekunde ist kostbar. Ich stürme durch die Tür, bettle um mehr Zeit, schnappe mir Board und Wetsuit und rase mit meinem Bike zum Strand, um meinen gestohlenen Moment zu genießen. Manchmal ist Surfen großartig, manchmal, wie auch heute, ist es gerade gut genug, um einen kurzen Kick zu bekommen – aber ich muss es einfach tun, denn morgen ist die Chance vermutlich wieder verpufft. Vielleicht ist es manchmal auch die Vergänglichkeit, die den Moment so kostbar macht. Doch über die Jahre haben sich die Dinge verändert und mittlerweile genieße ich die Jagd auf zwei Rädern fast so sehr wie die Belohnung. Das Geräusch der aufgewirbelten Steinchen, die ans Unterrohr spritzen, das Rauschen des langen Grases beim Kontakt mit den Schienbeinen, die mühelose Geschwindigkeit, die sich auch auf ruppigem Untergrund beibehalten lässt. Der Umstieg vom Asphalt auf Schotterpisten hat alles verändert und gewährt mir die neue Freiheit, unberührte Wellen aus Staub und Erde zu surfen.

Das Leben ist voller Kompromisse und Zeit ist kostbar. Darum bin ich froh, dass ich das Gravel-Biken für mich entdeckt habe. Doch gelegentlich, wirklich nur hin und wieder, wenn ihr ein Gravel-Bike durch die Felder rasen seht, als ob der Teufel persönlich es jagen würde, dann könnt ihr darauf wetten, dass die Wellen mich rufen.

Hier findet ihr unseren Test zum Canyon Grail AL 7.0.


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als GRAN FONDO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die New-Road-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!

Text: Fotos: Finlay Anderson