Ihr habt das passende Outfit schon gebügelt, im italienischen Feinkostladen um die Ecke eingekauft und könnt kaum erwarten, dass die Giro d’Italia losgeht? Wir auch! Die wichtigsten Infos fürs perfekte Zuschauererlebnis bekommt ihr hier.

RCS: GIRO; GIORGIA + MAGLIE

Startetappen im Ausland sind für große Rundfahren nicht unüblich, und so wird in diesem Jahr das Niederländische Apeldoorn ins typische Giro-Pink getaucht. Was in Frankreich das Grand Depart ist, ist in Italien die Grande Partenza, und die Giro d’Italia übertrifft die Tour de France in Sachen Pathos und Abgehobenheit – im positiven Sinne – um Längen. Demonstriert wird dies jedes Jahr aufs Neue mit der Vorstellung der Strecke im Herbst: Während der damals aktuelle Sieger Alberto Contador (inzwischen wurde ihm der Titel aberkannt, Stichwort: spanisches Steak) im Jahr 2011 noch in einem goldenen Käfig in die pinke Studiokulisse schwebte, reichte im Jahr 2015 die große Bühne auf der Mailänder Expo. Zurückhaltung ist bei der ersten großen Rundfahrt der Saison aber völlig unangebracht, schließlich hat Italien eine reiche Radsport-Historie und bringt daher sehr viel Herzblut und vor allem eine ganze Menge Amore mit.

Die Strecke

Vom Prolog-Zeitfahren in Apeldoorn geht es über zwei weitere, sehr flache Flachetappen durch Holland, bevor die Giro d’Italia am 10. Mai im Mutterland ankommt. Die Strecke schlängelt sich vom Süden über die Dolomiten mit einem Ausflug in die französischen Alpen zum Finale in Turin.

Highlights

Wer eine große Rundfahrt gewinnen will, muss ein guter Zeitfahrer sein, und so trennt sich die Spreu vom Weizen (oder die Traube von der Rebe) auf der 9. Etappe durch die Weinregion Chianti. Wer hier das Pinke Trikot ergattert, könnte es bis nach Turin tragen.
Erst auf der 14. Etappe nach Corvara kommen nicht nur die Zuschauer, die die großen Rundfahrten „wegen der schönen Landschaft“ gucken, auf ihren Geschmack. Viele Passi werden passiert: Passo Pordoi, Passo Campolongo, Passo di Giau und Passo di Valparola – die Dolomiten von ihrer schönsten und anstrengendste Seite. Weiter geht es mit dem ersten Bergzeitfahren der Giro seit 2005, mit einem fast durchgehenden Anstieg von 8 % zur Ski-Station Alpe di Siusi (Seiser Alm, Südtirol).
Die letzten beiden Bergetappen führen über die Grenze nach Frankreich, wo der mit 2.744 m höchste Berg der Rundfahrt, der Colle dell’Agnello (frz. Col Agnel), wartet. Die 20. Etappe ist mit 134 km zwar relativ kurz, aber durch die drei aufeinanderfolgenden Anstiege der Col de Vars trotzdem sehr fordernd. Danach geht es wieder auf Italienischen Boden, der Col de la Bonette stellt die letzte Chance dar, den Führenden anzugreifen, bevor der Sieger tags darauf in Turin die Trophäe in die Luft halten darf.

Worauf zu achten ist

Abgesehen von den Highlights des Vortages, die nicht selten aus wirbelnden Schnitten und kreisenden Zooms auf Hinterteile der Podium- und Startlinien-„Ragazzas“ bestehen, verspricht es, eine spannende Rundfahrt zu werden, da sich einige Fahrer aus der zweiten Reihe hervortun könnten.

Ein großer Favorit entschied sich zu Beginn der Saison dafür, die Giro lieber im Fernsehen zu schauen und sich für die Tour de France frisch zu halten: Vorjahressieger Alberto Contador bleibt zu Hause. Die offensichtliche Wahl des Favoriten fällt daher auf Vincenzo Nibali, der seine Heimatrundfahrt zuletzt im Jahr 2013 gewann, und den Teammanager Alexandre Vinokourov als haushoch überlegen einstuft – aber wen interessiert schon Vino’s unparteiische Meinung?

Konzentrieren wir uns lieber auf die Außenseiter, die als große Talente gelten: Domenico „Dr. Pozzovivo“ vom Team Ag2r, einer der wenigen im Peloton mit einem Studienabschluss, fuhr seit 2008 vier Mal in die Top 10 der Giro – und das trotz damaliger Zugehörigkeit zum Wild Card-Gurkentruppenteam Bardiani-CSF. Fraglich ist, ob der Kolumbianer Rigoberto Uran es noch einmal wie zuletzt 2013 und 2014 mit jeweils zweiten Plätzen aufs Podium schafft. Seit dieser Saison ist er beim Team Cannondale unter Vertrag, das trotz seinem Gesamt-Überraschungssieg der Giro 2012 aufgrund der mittlerweile sehr jungen übrigen Teammitglieder eher als Chancentod für Gesamtklassement-Talente gilt. Tom Dumoulin muss als Überraschung der letztjährigen Vuelta bei seiner allerersten Giro d’Italia zeigen, dass Giant-Alpecin seinen Umbau von einem reinen Sprinterteam zu einer Gefahr für das Gesamtklassement geschafft hat.
Wer gerade noch sein Fantasy-League-Team zusammenbaut, liegt bei italienischen Namen selten falsch, denn Teams wie Lampre-Merida bringen fast jedes Jahr zumindest einen Etappensieger hervor. Die Nostalgiker unter uns freuen sich über den Namen Fabian Cancellara auf der Startliste, obwohl seine Teamrolle im letzten Jahr seiner aktiven Karriere schwammig bleibt. Damiano Cunego hingegen, ein unter Nostalgikern negativ behafteter Name, fährt mit dieser Giro hoffentlich in Rente.

Vorbereitung:

Wer keine pinkfarbene Hose im Schrank hat, kann alternativ auch zur weißen Leinenhose greifen, sofern das Hemd weit aufgeknöpft oder nicht vorhanden ist. Gibt es das Dolomiti-Eis eigentlich noch? Ansonsten bietet sich aufgrund der Streckenführung natürlich ein edler Tropfen Chianti an, und pinkfarbenes Himbeergelato geht sowieso immer. Optimal ist ein Balkon, von dem das Rennen auf dem zum Zuschauer hin gedrehten Fernseher geschaut werden kann – lauter als die Formel-1-Übertragung bei den Nachbarn, versteht sich. Nun kann mit ganz viel Amore und der Ragazza an der Seite die erste große Rundfahrt des Jahres genossen werden.

Text: Couch Cyclist Bilder: Thomson Bike Tours


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