Garmin, Strava, SRM – Möglichkeiten zur Fahrleistungsanalyse gibt es mittlerweile viele. Nun hat Campagnolo mit „My Campy“ eine App auf den Markt gebracht, die nicht nur nur deine Leistung analysiert, sondern in beeindruckender Weise ein neues Level an Intelligenz und Connectivity erreicht:
Keiner kennt sich besser als man selbst, heißt es. Deshalb hört man von vielen Rennradfahrern auch Statements wie: „Meine Kette läuft niemals schräg“, „Ich fahre immer in der richtigen Übersetzung“ oder „Ich weiß immer, wann ich Komponenten an meinem Rad tauschen muss“ – aber seien wir ehrlich: Häufig belügen wir uns selbst. Wir geben zwar Unsummen für Material aus, fahren ins Trainingslager und betreiben wissenschaftliche Untersuchungen auf Strava, aber dennoch haben wir uns nicht ganz so unter Kontrolle, wie wir es uns wünschen würden. Doch das soll sich nun ändern. Die MyCampy App von Campagnolo hat nicht nur den Anspruch zu analysieren, sondern auch zu informieren, zu kommunizieren und die Zukunft vorherzusagen.
Die digitale Steinzeit
Elektronische Komponenten gibt es mittlerweile viele. Dennoch bieten nur wenige klare Vorteile gegenüber den mechanischen Varianten. Das zeigt sich insbesondere beim Antrieb: Eine höhere Präzision, teilweise einfachere Montage und die Programmierbarkeit der Schaltlogik sind natürlich wünschenswerte Vorteile, denen allerdings nerviges Akkuladen und der Verlust der einfachen Reparaturmöglichkeiten gegenüberstehen. Doch der wahre Benefit der digitalen Welt ergibt sich aus der Vernetzung, dem Austausch von Informationen und der daraus resultierenden Intelligenz. Und genau für diese Intelligenz soll die MyCampy App sorgen – die übrigens nicht nur mit Campagnolo-Produkten funktioniert.
Welche Komponenten an meinem Bike müssen wann zum Service? Wie sieht mein Schaltverhalten aus? Was kann ich optimieren? In welcher Übersetzung bin ich im steilen Anstieg bei Kilometer 97 auf meiner letzten Tour gefahren? Wie oft nutze ich welches Bike tatsächlich? Wann habe ich das letzte Mal die Kette gewechselt? Das sind nur ein paar der Fragen, welche die neue App beantwortet. Darüber hinaus informiert sie über fällige Service-Intervalle oder bestellt automatisch die richtigen Ersatzteile beim Händler des Vertrauens.
Was steht in deiner Garage?
Das Setup der App beginnt mit dem Anlegen deines Bikes bzw. deiner Bikes in der Funktion „My Garage“. Über eine intuitive Menüführung kannst du Schritt für Schritt dein Bike und dessen einzelne Komponenten wie Antrieb, Kurbel, Laufräder etc. anlegen. Natürlich kann man auch eigene Fotos bei der Einrichtung hochladen und den Spitznamen seines Bikes eingeben. Die Komponentenauswahl beschränkt sich dabei nicht nur auf Campagnolo-Produkte. Während des Pressecamps auf Gran Canaria haben wir mit einer Beta-Version der App den Setup-Vorgang durchlaufen – das Kurzfazit: intuitiv und einfach. Einmal angelegt hat man eine Übersicht über seinen gesamten Fuhrpark sowie die Laufleistung der Bikes und der einzelnen Komponenten. In der Web- bzw. Browserversion der App hat man zudem noch einen detailreicheren Überblick zur Datenanalyse.
On the road
Unter dem Menüpunkt „My Sessions“ findet sich einerseits eine Übersicht der bisherigen Ausfahrten, andererseits beginnt man hier eine neue Fahrt-Aufzeichnung, indem man ein Bike auswählt. Die App funktioniert mit und ohne Garmin, bei Letzterem greift die App auf das GPS des Smartphones zu. Benutzt man ein Garmin Edge1000 oder 520, kann man sich während der Fahrt sogar die aktuelle Übersetzung und weitere Details anzeigen lassen – vorausgesetzt, man besitzt eine EPS-Schaltung. Und damit wären wir auch beim nächsten Thema.
My EPS
Wer glücklicher Besitzer einer elektronischen EPS-Schaltung ist, der wird jetzt noch glücklicher: Mit der MyCampy App lassen sich Systemstatus, Batterieladung sowie aktuelle Übersetzung anzeigen, außerdem kann man die Schaltlogik, das Multi-Shifting, die Verzögerungszeit für Multi-Shifting, den Schaltungsassistenten sowie die Sensibilität der Schaltvorgänge einstellen. Wem diese Einstellmöglichkeiten zu viel sind, der wählt einfach eines der drei voreingestellten Performance-Presets Race, Sport oder Komfort. Wer die Schaltlogik verändern möchte, kann das kinderleicht tun. Nur mit einer Trigger-Seite Umwerfer und Schaltwerk bedienen? Kein Problem! Wichtig: Nur wer über das EPS W3 verfügt, kann die „My EPS“-Funktion benutzen. Die gute Nachricht, für alle, die eine ältere EPS-Version haben: Durch ein Upgrade von Batterie und Schnittstelle (Interface) können auch ältere EPS-Versionen relativ kostengünstig kompatibel gemacht werden.
Unser Eindruck
Auch wenn es sich bei der App noch um eine Beta-Version handelt, waren wir – als Digital Natives – von der Funktionsweise und Usability beeindruckt. Das Setup von „My Garage“ erfolgt einfach, die Kopplung mit dem Garmin für die Fahrt ebenso. Dasselbe gilt für die Einstellung der EPS-Performance. Beeindruckend ist vor allem, wie schnell und einfach sich über die App die Schaltung abstimmen lässt. Dabei sind die Unterschiede zwischen den drei Modi deutlich spürbar und funktionieren alle zwar Campagnolo-typisch nicht ganz so leichtgängig wie beim japanischen Konkurrenten, aber dafür tadellos und zuverlässig. Die on-the-fly Einstellbarkeit ist dabei echt beeindruckend. Während des 35 km langen Anstiegs von Playa de Mogán nach Ayacata auf Gran Canaria zeigte sich einzig der Shift-Assistent etwas langsam. Auch wenn diese Funktion vorwiegend für entspannte Tourenfahrer gedacht ist, könnte der Ausgleichs-Schaltvorgang – insbesondere bei drei Gängen – am Schaltwerk schneller vonstattengehen. Entsprechend ist es gut, dass man die gesamte Schaltperformance auch individuell anpassen kann.
Unser Fazit
Mit der MyCampy App beweist Campagnolo wieder einmal Pioniergeist. Die MyCampy App ist der erste Schritt vom Komponentenhersteller hin zu einem Dienstleister, der eben nicht nur Komponenten herstellt, sondern intelligente Lösungen anbietet. In Anbetracht der zunehmenden Anzahl an Sensoren und elektronischen Komponenten liegt es nun an den Herstellern, unsere Bikes mit diesen Daten smarter, effizienter und anpassungsfähiger für den individuellen Benutzer zu machen. Auch wenn mehr intelligente Technik nicht jedermanns Geschmack ist, zeigt die MyCampy App, wie wichtig die Rolle von Software in der Zukunft sein wird – und zwar nicht nur für den User, sondern auch für die Hersteller zur Produktoptimierung. Entsprechend kann man über die MyCampy App kontinuierlich Updates herunterladen, so bleibt die Software stets up to date.
Die Entwickler-Teams der Hersteller werden in Zukunft genauso aus Software-Ingenieuren wie aus traditionellen Ingenieuren und Designern bestehen. Wie auf dem iPhone oder Android ist es die Software und nicht die Hardware, die den Unterschied zwischen den Produkten ausmachen wird. Gut, dass die MyCampy App für iPhone und Android erhältlich sein wird.
Mehr Informationen findet ihr auf der MyCampy Website.
Text: Robin Schmitt Bilder: Pablo Moreno / Campagnolo
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