Wer baut das leichteste, das aerodynamischste und steifste Bike? Beim Thema Race-Bikes scheint sich bei den meisten Magazinen und Herstellern alles um diese harten und leicht messbaren Parameter zu drehen. Am Computer simuliert, im Labor und Windkanal getestet, vollgepackt mit Formel-1-Technologie und Tour-de-France-Siegen in der Palmarès soll uns klar gemacht werden, was das beste Rennrad ist – aber wie viel hat das mit der Realität zu tun?

Wir waren über den Winter in Girona, um 12 der spannendsten Rennräder auf den legendären Trainingsstrecken der Profis zu testen. Rocacorba, Els Àngels oder die Küstenstraße von Tossa del Mar nach Sant Feliu de Guixols… der Kenner beginnt bei diesen Namen zu träumen und zu schwitzen. Als Basis für den Vergleichstest hat The Service Course von Ex-Pro Christian Meier im Herzen Gironas gedient. Natürlich haben wir es uns auch nicht nehmen lassen, uns mit erfolgreichen Ex-Profis aufs Rad zu schwingen und Tacheles zu reden – glücklicherweise ohne PR-Consultant und Sponsorendruck. Derart losgelöst konnten wir der Frage nachgehen, die uns auf der Zunge brannte: Was macht ein gutes Race-Bike aus?

Die Best-Zeit versus eine bessere Zeit

Dass bei Race-Bikes Performance und Geschwindigkeit von hoher Bedeutung sind, liegt in der Natur der Sache. Dennoch ist es wichtig, sich darüber klar zu werden, was man selbst von einem Race-Bike erwartet und wo und wie man es einsetzen möchte. Fakt ist: Die meisten Rennradfahrer, die ein Race-Bike besitzen, fahren kaum oder keine Rennen. Wer es nicht nötig hat, Rennen zu gewinnen (Best-Zeit), der kann zugunsten einer besseren Zeit Maßnahmen ergreifen um den Fahrspaß zu erhöhen. Am Ende gewinnt man damit mehr: Denn wer mehr Spaß hat, der fährt auch mehr, länger und ist motivierter!
Doch schließen sich eine bessere Zeit und die Best-Zeit aus? Nicht unbedingt, wie unser Vergleichstest zeigt.

Marginal Gains

Es gibt keine Produktvorstellung im Rennradsektor, kein Sponsorenmeeting im Rahmen der Tour de France und kein Trainingscamp, bei denen nicht von „Marginal Gains” die Rede ist. Castelli spricht gar von einem „unfair Advantage“ – soll heißen: Keine Chance bleibt im Rennradsport ungenutzt, um ein Quäntchen theoretischen Vorteil zu ergattern. Mit den abstrusesten Begründungen und Inspirationen soll dem Konsumenten vermittelt werden: „Kauf das, hier ist Formel-1-, Aero-Space- oder zumindest Profi-Technologie drin, das macht dich schneller“. Doch bedeutet ein Tour-de-France-Sieg automatisch, dass das Bike das schnellste ist?

Aus unseren aktiven Racing-Zeiten, als wir selbst noch Sponsorenverträge hatten, wissen wir, dass man manches Material zwar fahren muss, aber eigentlich gar nicht will. Nun ja, irgendwie muss man ja seinen Sport finanzieren.

Ironischer Weise ist das Material, das ich jetzt habe, deutlich besser als zu meinen aktiven Zeiten im Profi-Peloton. Das klingt verrückt, ist aber die Wahrheit. Als Profi ist man an die Interessen des Teammanagements und der Sponsoren gebunden. Das bedeutet häufig, dass man nicht das beste Material fahren kann. David Millar, Ex-Pro Racer und Gründer von CHPT3

2 % steifer, 5 % leichter, 7 % aerodynamischer im Vergleich zum Vorjahresmodell… — bedeuten das geringste Gewicht, die besten Aerodynamik-Werte im Windtunnel und die besten Steifigkeitswerte im Labor tatsächlich, dass das angepriesene Produkt das schnellste ist? Die Antwort kann sich jeder denken. Fakt ist: Wir sind der Überzeugung, dass nicht einzelne Faktoren, Laborwerte oder Komponenten eines Bikes entscheidend sind, sondern das Gesamtkonzept. Nur allzu gut ist uns das Lapierre des letztjährigen Race-Bike-Tests auf Mallorca in Erinnerung, bei dem der zu weiche Zipp-Carbon-Lenker das gesamte Handling des Bikes ruiniert hat. Oder das „alte“ BMC Teammachine, dessen schwache Brems-Laufradkombination dafür gesorgt hat, dass wir in jeder Kurve 10 Meter früher zu bremsen anfangen mussten und entsprechend Sekunden und Sicherheit verloren. Also, worauf kommt es tatsächlich an?

Die Testkriterien

Wer schon mal einen Porsche gefahren ist, weiß, dass sich Geschwindigkeit manchmal ganz schön langsam anfühlen kann. Auf der Autobahn schätzt man das satte und sichere Gefühl des Sportwagens im Vergleich zu einem nervösen Kleinwagen.
Präzises und berechenbares Handling, ein perfekt ausbalanciertes Fahrwerk und exzellente Bremsen schaffen Vertrauen. Und ebendieses Vertrauen ermöglicht den meisten Piloten deutlich schneller zu fahren, als sie eigentlich könnten.

Beschleunigung

Leichtfüßigkeit ist wichtig, um auf Geschwindigkeit zu kommen, Sprints zu entscheiden und nach einer engen Kurven wieder zu beschleunigen. Dabei kommt es auf einen effizienten Rahmen sowie leichtrollende Reifen auf leichtläufigen Laufrädern mit geringer rotierender Masse an. Aber Vorsicht: Manche Laufräder sind zwar leicht und schnell, halten aber die Geschwindigkeit nicht. Bestes Beispiel: die Lightweight Meilenstein Laufräder am Corratec, die im Vergleichstest die leichtesten waren und bergauf begeisterten, bergab jedoch nicht richtig auf Touren kamen und Vertrauen missen ließen. Gründe dafür waren die windanfälligen breiten Carbonspeichen, das schmale Felgenprofil und die zu hohe Steifigkeit. Hochwertige Lager wie z.B. von Ceramicspeed reduzieren die Reibung und machen die Bikes spürbar effizienter und flinker. Im Test begeisterten in diesem Aspekt z.B. das Speedvagen Custom Road und das Specialized Tarmac.

Kontrolle und Vertrauen

Geschwindigkeit ist nichts ohne Kontrolle: Wer schnell fahren will, muss sich sicher fühlen und dem Material vertrauen können! Gute Bremsen und ein berechenbares Handling sind wichtig für die Sicherheit und das Vertrauen in das Bike. Denn wer sich sicher fühlt, kann mehr aus dem Bike und sich selbst herausholen. Bikes, die ursprünglich für Felgenbremsen konzipiert und im Rahmen eines Facelifts für Discs adaptiert wurden, haben häufiger das Problem, dass sie deutlich unpräziser und auch schlechter zu kontrollieren sind als ihre Rim-Vorfahren. Dies liegt vor allem daran, dass bei Scheibenbremsen andere Kräfte und auch Hebel auf das Bike einwirken als bei Felgenbremsen. Vom Canyon Aeroad Disc hätten wir mehr Kontrolle und Präzision erwartet – schließlich hatte die Rim-Version uns seinerzeit absolut begeistert!

Handling

Das Handling ist Geschmackssache und vom individuellen Fahrstil abhängig. Quirlig agil oder laufruhig? Wer eine erfahrene Hand hat, kann auf einem agilen Bike besser attackieren, Lücken im Schluss-Sprint besser nutzen und so auch mehr Spaß haben. Wer hingegen mehr Contenance und Sicherheit wünscht und sich selbst nicht als Fahrtechnikkünstler sieht, ist auf einem laufruhigen Bike besser unterwegs. Ach ja, nach erschöpfenden 200 Kilometern im Sattel ist man ebenfalls froh, wenn das Bike einfach nur geradeaus läuft und nicht quirlig auf jede kleine Lenkbewegung reagiert.

Komfort

Wer schon mal auf dem rauen Asphalt Spaniens Serpentinen bergab gejagt ist, der weiß, welche Vorteile ein Bike bietet, das Vibrationen und Schläge dämpft und satt auf der Straße liegt. Komfort erlaubt nicht nur längere Touren zu fahren, sondern jeden noch folgenden Kilometer intensiver zu genießen.

Fahrspaß…

…klingt logisch, ist aber auf dem Rennrad nicht selbstverständlich: Wer Spaß hat, ist bereit mehr und länger alles zu geben. Hier spielt auch noch eine Komponente mit, die definitiv ein Lächeln aufs Gesicht zaubert – der Style. Denn nichts macht schneller, als auf seinem Traumbike zu sitzen — dabei ist es irrelevant, ob es aus Carbon, Aluminium oder Stahl ist.

Was erwartest du von einem Race-Bike?

Wie eingangs bereits beschrieben, muss sich jeder darüber klar werden, wie und wo er sein Rennrad einsetzen möchte.

Robin (Chefredakteur): Ex-Downhiller, Switchback-Hunter
„Ich liebe es mit einem leichtfüßigen und agilen Bike Pässe zu erobern. Dennoch sollte man nicht vergessen, dass — wenn man oben ist — es in der Regel auch wieder bergab geht. Und hier wünsche ich mir volles Vertrauen in das Material. Ich liebe Kurven und Speed, habe aber keine Lust in der Leitplanke zu landen. Gute Bremsen und ein berechenbares Handling sind mir deshalb sehr wichtig!”
Ben (Redakteur): Crit-Racer, Kurvenkönig
„Always Vollgas! Egal ob beim Serpentinen-Gemetzel auf der Reifeninnenflanke oder Zielsprint im Sagan-Style – ich brauche ein präzises und effizientes Bike, das Sicherheit im Überfluss versprüht und die Wattzahl nicht zum Fenster rausschmeißt. Denn wenn ich ans Limit gehe, muss ich dem Material 100%ig vertrauen können. Nur so kann ich die Bartmassage des Fahrtwinds bei 90 km/h auch richtig genießen!“
Manuel (Redakteur), Ingenieur, Langstrecken-Racer
„Go fast, go far. Auf Etappen-Rennen oder langen Granfondos muss das Race-Bike mein treuer Begleiter sein. Mit einem gutmütigen Handling und ausreichend Komfort soll es Fehler verzeihen und dafür sorgen, dass ich nicht so schnell ermüde. Dann ist mein einziges Limit nur noch mein Kopf!“

Das Testfeld – was ist das beste Rennrad?

Um eine bessere Orientierung zu bieten und die Stärken und Schwächen unterschiedlicher Race-Bikes aufzuzeigen, haben wir nicht nur die populärsten Modelle eingeladen, sondern auch spannende Underdogs, die man nicht direkt in einem solchen Testfeld erwarten würde. Innerhalb einer Preisspanne von 6.600 € und 12.000 Dollar finden sich Vollblut-Aero-Racer, mit denen man als Amateur auch Hawaii mitfahren könnte, klassische Pro-Bikes und sogar drei Stahl-Racer. Da Scheiben- und Felgenbremsen noch immer heiß diskutiert werden, haben wir auch hier Vertreter beider Glaubensrichtungen auf Herz und Nieren geprüft. Damit ist das Testfeld genauso bunt wie die Bärte unserer Testfahrer!

Bike Gewicht (ohne Pedale) Rahmenmaterial Bremsen Reifen Preis
3T Strada 7,71 kg Carbon Disc 700 x 28 mm 6.950 €
BMC Teammachine SLR 01 Disc Team 7,01 kg Carbon Disc 700 x 25 mm 11.499 €
Canyon Aeroad CF SLX Disc 9.0 Di2 7,52 kg Carbon Disc 700×25 mm 6.999 €
Corratec EVO eTap Konfi 6,51 kg Carbon Rim 700 x 25 mm 9.499 €
Fuji SL 1.1 6,46 kg Carbon Rim 700 x 25 mm 7.999 €
Rose X-Lite 6 eTap 6,36 kg Carbon Rim 700 x 25 mm 8.164 €
Scott Addict RC Ultimate Disc 6,82 kg Carbon Rim 700 x 28 mm 9.999 €
Specialized S-Works Tarmac 2018 6,38 kg Carbon Rim 700 x 25 mm 9.499 €
Speedvagen Road 7,82 kg Stahl Rim 700 x 25 mm 12.150 $
Standert Triebwerk Mach 3 7,91 kg Stahl Rim 700 x 25 mm 7.299 €
Trek Emonda SLR 8 Disc 6,89 kg Carbon Disc 700 x 25 mm 7.099 €
Wilier Superleggera SL 8,55 kg Stahl Rim 700 x 25 mm 6.600 €
3T Strada | 7,71 kg | 6.950 €
BMC Teammachine SLR 01 Disc Team | 7,01 kg | 11.499 €
Canyon Aeroad CF SLX Disc 9.0 Di2 | 7,52 kg | 6.999 €
Corratec EVO eTap Konfi | 6,51 kg | 9.499 €
Fuji SL 1.1 | 6,46 kg | 7.999 €
Rose X-Lite 6 eTap | 6,36 kg | 8.164 €
Scott Addict RC Ultimate Disc | 6,82 kg | 9.999 €
Specialized S-Works Tarmac 2018 | 6,82 kg | 9.999 €
Speedvagen Road | 7,82 kg | 12.150 $
Standert Triebwerk Mach 3 | 7,91 kg | 7.299 €
Trek Emonda SLR 8 Disc | 6,89 kg | 7.099 €
Wilier Superleggera SL | 8,55 kg | 6.600 €

Aluminium is dead? Nein, natürlich nicht und wir hätten nur zu gerne den Kult-Alu-Racer Cannondale CAAD 12 beim Vergleichstest dabei gehabt, aber leider kam das Bike nicht mehr rechtzeitig zum Test an

Warum stecken wir das Testfeld so weit?

Wir sind dafür bekannt über den Tellerrand zu schauen sowie Grenzen und Kategorien zu sprengen. Schließlich kann es gut sein, dass sich ein Bike, das man auf den ersten Blick nicht für den definierten Einsatzzweck in Betracht gezogen hätte, viel besser dafür eignet. Ein zu eng gestecktes Testfeld ist so, als würde man auf der Suche nach dem besten Feierabend-Drink nur Biere testen – da würde James Bond nicht nur seinen Martini schütteln.

TOPS & FLOPS

Oftmals sind es die Details, die den Unterschied machen: gelungene Integration, erstklassige Ergonomie und mit bedacht gewählte Komponenten. Hier findet ihr alle Tops und Flops der Bikes aus unserem großen Vergleichstest.

Tops

Die 52–36er Semi-Compact-Kurbel bietet einen guten Kompromiss zwischen Kletterübersetzung und Highspeed
Mit CeramicSpeed-Lagern vom Tretlager bis zu den Laufradnaben bieten die Kalifornier feinstes Weltmeistermaterial
Sieht nicht nur steif aus, sondern ist es auch. Das Addict hat das steifste und direkteste Rahmenset im Testfeld – hier geht kein Watt verloren.
Die Specialized Turbo Cotton-Reifen mit Tan-Wall-Optik setzen nicht nur dem Gesamtbild das Sahnehäubchen auf, sondern bieten auch grandiosen Grip bei trockenen Bedingungen
Bella Italia: verchromte Muffen, Romata-Lackierung, externe Zugführung und ein Mix aus modernen und klassischen Komponenten. Die Record-Bremsen sind super dosierbar und die Shamal Mille-Bremsflanke bietet auch bei Nässe tadellose Verzögerungswerte.
Die Dura Ace-Scheibenbremsen sind mit 160 mm vorne und 140 mm hinten perfekt ausbalanciert und vermitteln mit ihrer guten Dosierbarkeit viel Sicherheit und Kontrolle in jeder Situation

Flops

Die Mavic Yksion Pro UST-Reifen können in Sachen Grip nicht überzeugen, da sie vor allem bei feuchtem oder nassem Untergrund wenig Grip bieten. Gleiches gilt für die Zipp Tangente Speed Reifen.
Die mechanische Dura Ace-Variante drückt zwar das Wettkampfgewicht um die letzten Gramm, aber die klobig wirkenden Hoods passen nicht wirklich ins Gesamtbild.
Eine Enttäuschung war das Upgrade auf die Lightweight MEILENSTEIN: Die V-förmige Felge ist im Vergleich zu Felgen mit U-Profil in gleicher Felgenhöhe sehr seitenwindanfällig.
Das 3T Strada wurde absolut am Limit konstruiert. Die 28 mm breiten Reifen hinterließen im Testverlauf bereits die ersten tiefen Spuren im Lack durch aufgewirbelte Kieselsteine.

  Was wäre ein Race-Bike Vergleichstest ohne Race? Das haben wir uns auch gedacht und deshalb die erste GRAN FONDO Race Session veranstaltet.

GRAN FONDO Race Session – Let’s Go Racing Baby!

8 Tage, 6 Testfahrer und Tausende von Testkilometern – doch damit nicht genug! Zusätzlich zu unserem regulären Test haben wir eine Race Session durchgeführt. Die Mission: Herausfinden, welches Bike in der Abfahrt das schnellste Bike ist.

Der GRAN FONDO Race Track

Eine 1,4 km lange windgeschützte Abfahrt mit durchschnittlich über 7 % Gefälle diente als Rennstrecke. Eine längere Teststrecke wäre auf den ersten Blick vielleicht besser, doch dann würde das erhöhte Risiko an Fahrfehlern und Ermüdung der Fahrer das Ergebnis zu stark beeinflussen. Unsere Rennstrecke war lang genug, um signifikante Unterschiede offenzulegen, und kurz genug, um eine konstante Fahrperformance und reproduzierbare Ergebnisse zu liefern. Zudem war der Track so gewählt, dass die natürliche Vielseitigkeit einer Abfahrt abgebildet wird: Rauer Asphalt, scharfe Kurven und ordentlich Gefälle – Idealbedingungen, um Vertrauen, Kontrolle, Komfort und Sicherheit der Bikes auf die Probe zu stellen.

1. Flying Start
2. Braking Bad Point: Erste 90° Kurve und erster Bremspunkt der Rennstrecke. Je nach Bike konnte man hier früher oder später bremsen. Große Unterschiede gab es bei der Bremspräzision, manche Bikes schaukelten sich auf dem welligen Asphalt sogar leicht auf, andere blieben sehr ruhig und stabil und erlaubten eine bessere Linienwahl.
3. Curved Paradise: Leicht hängende und direkt aufeinander folgende Kurven, teils scharfe Kurvenwechsel. Am Ende der Sektion wartet eine über 100°-Kurve.
4. Switch Off Your Brain Section: Highspeed auf schlechtem Asphalt, kleinere Schlaglöcher. Ein gutmütiges und laufruhiges Fahrverhalten spenden Sicherheit, Alternative: draufhalten, festklammern und durchbeißen!
5. Kamikaze Section: Highspeed-Messung (Vmax) vor dem nächsten Bremspunkt der nächsten Kurve.
6. Südschleife: finale Kurve auf perfektem, frisch geteerten Asphalt. Nur mit präzisen und sicheren Bikes lässt sich die Ideallinie halten.
7. No Beer Line: Ziellinie – leider hatten wir bei der GRAN FONDO Race Session kein Bier für den Feierabend eingepackt, verdammt!

Pro Bike und Fahrer gab es vier Testläufe. Um den Faktor „Watt“ auszuklammern, durfte nicht getreten werden. Wie von Motorsportwettkämpfen bekannt gab es einen fliegenden Start bergab, bei dem jeder Fahrer einzeln von Null ausgehend losrollte und mit langsamer Geschwindigkeit die Startlinie überquerte. Jeder Fahrer hatte sich in vorhergehenden Probeläufen eine Ideallinie ausgesucht, die er innerhalb seiner Komfortzone fahren musste. Zur Zeitmessung vertrauten wir auf das Profi-Zeitnahmesystem von Sportident.

Um Chancengleichheit zu gewährleisten, wurden die Bikes, die am Anfang der GRAN FONDO Race Session gefahren wurden, am Ende der Session noch einmal auf die Strecke geschickt. Der Gedanke dahinter: Die anfangs gefahrenen Zeiten sollten verifiziert werden. Außerdem sollte ausgeschlossen werden, dass sich über das Rennen hinweg die Zeiten verbessert (durch bessere Kenntnis der Strecke) oder verschlechtert (durch Ermüdung) haben. Statt der sonst üblichen Mid-ride-Mittagspausen mit Sonntagsbraten verkosteten die Testfahrer bei der GRAN FONDO Race Session lediglich konstant kleine Snacks und kleine Drinks.

Ranking und Resultate der GRAN FONDO Race Session

*Zeit: Durchschnittszeit aller gewerteten Rennläufe aller Piloten. Einzelrennläufe eines Piloten, die von dem Durchschnittswert des Piloten mit ein und demselben Bike signifikant abgewichen sind, wurden nicht in die Durchschnittszeit mit einberechnet.
**Vmax: Die Höchstgeschwindigkeit wurde stets am Ende der Highspeed-Sektion gemessen.

Mit einem Vorsprung von 1,27 Sekunden gewinnt das Specialized Tarmac vor dem BMC Teammachine. Auch bei der Highspeed-Messung schlägt sich das Tarmac hervorragend und erreicht die zweithöchste Geschwindigkeit. Damit setzt sich das Bike sogar gegen Aero-Spezialisten wie das Canyon Aeroad Disc durch. Das BMC Teammachine überzeugt mit einem super ausgewogenen und sicheren Handling, am Braking Bad Point und im Curved Paradise trugen die gerillt profilierten Vittoria Corsa Reifen das Bike jedoch leicht nach außen und reduzierten die Präzision. Auch wenn diese Reifen unsere absoluten Lieblings-Allroundreifen sind, so kosteten sie in der GRAN FONDO Race Session ein bisschen Zeit. Auf Platz 3 fährt das Speedvagen Road, das mit seinem Stahlrahmen ein sehr hohes Maß an Sicherheit und Ruhe vermittelt.

Mit dem präzisesten Handling im gesamten Vergleichstest und den bissigen wie fein dosierbaren SRAM Red Scheibenbremsen fährt das Scott Addict auf den vierten Platz. Fahrer mit Erfahrung lieben das messerscharfe Handling, jedoch lassen Komfort und die Kurventraktion der Continental GP 4000 S II Luft nach oben. Das 3T Strada fühlte sich auf dem kurvigen Kurs alles andere als sicher und präzise an, an den scharfen Bremspunkten verwand sich das Bike. Nichtsdestotrotz gewinnt das super aero-optimierte Bike die Highspeed-Wertung – auf der Geraden fühlte es sich auch verdammt schnell an! Platz 6 geht an das zweite Stahlbike im Test, das gutmütig und sicher mit den erstklassigen Campagnolo-Bremsen hinabzirkelt und stets sicher auf der Straße lag: die Switch Off Your Brain Section bügelte das Wilier platt, war aber nicht sonderlich schnell – konstant fahren lautet die Devise der italienischen Schönheit!

Am Braking Bad Point und dem darauffolgenden Curved Paradise kam das Canyon Aeroad an seine Grenzen. An den scharfen Bremspunkten verlor das Bike an Präzision, schaukelte sich gar leicht auf – wer mit weniger Speed als die Konkurrenz aus dieser Sektion kommt, hat wenig Chancen auf die Top-Platzierung in der Highspeed-Wertung. Die schlechten Mavic Yksion Pro UST-Reifen reduzierten das Vertrauen und die Sicherheit in den Kurven. Auf Platz 8 fährt ein komplett anderes Bike – das Corratec CCT Evo mit den leichten Lightweight Meilenstein Laufrädern. Das Corratec kam in der Abfahrt leider nie auf Hochtouren – das langsamste Bike in der Highspeed-Sektion, wodurch man aber deutlich weniger bremsen musste und mehr Schwung in die Kurven mitnehmen konnte. Am Ende profitiert das in der Abfahrt eher unsichere Bike von seinem konstanten Speed, bei dem die durchschnittlich performenden Bremsen wenig benutzt wurden. Das Rose X-Lite kann sein Potenzial leider nicht ganz entfalten. Gründe sind die schlechte Kurventraktion der Zipp-Reifen, das kreissägenartige Bremsquietschen, das subjektiv das Vertrauen und die Sicherheit vermindert, sowie die leicht nervöse Front.

Das Trek Emonda hat in der von uns getesteten aufrechteren H2-Geometrie nicht den Anspruch Rennen zu gewinnen. Mit seinem sehr geringen Gewicht und seinem berechenbaren Handling fährt es gut bergab, in der Gesamtwertung kommt es jedoch leider nur auf Platz 10! Das Standert Triebwerk liegt mit seinem Stahlrahmen satt auf der Straße, doch das direkte Handling lässt etwas an Berechenbarkeit missen, die laut quietschenden Bremsen mit undefiniertem Druckpunkt reduzieren das Vertrauen – schade, denn das Bike hätte mehr Potenzial! Als Kletterkünstler und absolutes Leichtgewicht fehlt dem Fuji SL Systemsteifigkeit, Sicherheit und Präzision in der Abfahrt. Auch wenn sich das Bike nicht schlecht in der Abfahrt anfühlt, so kann es nicht mit der Konkurrenz mithalten und landet auf dem letzten Platz.

Was bedeuten die Ergebnisse der GRAN FONDO Race Session im Rennrad-Alltag?

Überträgt man die Ergebnisse auf den legendären Tour de France-Pass Col du Tourmalet, der — ebenfalls technisch recht anspruchsvoll und kurvenreich — ein ähnliches durchschnittliches Gefälle wie unsere Teststrecke hat, dann werden die Unterschiede zwischen den Ergebnissen greifbarer. Ein und derselbe Fahrer wäre mit dem Specialized S-Works Tarmac über eine Minute früher im Tal als mit dem Fuji SL. Und immerhin 16 Sekunden schneller als mit dem zweitschnellsten Bike, dem BMC Teammachine.

Was ist das beste Rennrad?

Sind die schnellsten Bikes gleichzeitig auch die besten? Schließlich steht nicht jeder am Wochenende an der Startlinie eines Rennens, träumt nachts vom Stadtschild-Sprint oder battelt sich auf Strava mit seinen virtuellen Freunden. Welches Bikes ist also das beste Rennrad?

Unser Vergleichstest kennt einen klaren Sieger: Das Specialized S-Works Tarmac. Mit dem komplettesten Gesamtpaket überzeugt es die gesamte Testcrew und deren unterschiedliche Ansprüche. Kein anderes Bike vermittelt so viel Vertrauen und begeistert mit einem so perfekten Mix aus Leichtfüßigkeit, Effizienz, Sicherheit und Fahrspaß. Definitiv das beste Bike auf der Jagd nach der Bestzeit und nicht minder für eine gute Zeit auf dem Bike geeignet.

Ein Stahlbike in nostalgischer Vintage-Optik und mit 8,55 kg Kampfgewicht klingt nicht sofort nach Race-Bike, aber kein anderes Bike im Testfeld hat unsere Herzen derart höher schlagen lassen als das Wilier Superleggera SL. Mit tadellos gutmütigen Fahreigenschaften, einer ordentlichen Portion Style und einem respektablen 6. Platz in der GRAN FONDO Race Session beweist Wilier, das Vintage sehr modern sein kann. Eine super Wahl für alle, die Komfort für lange Ausfahrten, viel Sicherheit und Style wünschen. Aggressive Sprints mag das Bike nicht. Doch eines ist sicher: Mit dem Superleggera fallt ihr garantiert auf – egal ob Granfondo oder Cafebar, unser Kauftipp!

Für Fahrer mit spezielleren Wünschen, haben wir hier noch zwei interessante Optionen: Wer top Performance und Leichtigkeit zum kleineren Preis sein Eigen nennen möchte, der sollte sich die Varianten des Rose X-Lite genauer anschauen, denn hier steigt man mit der Ultegra Di2-Variante bereits mit 4.299 € in die Highspeed-Welt des Topmodells X-Lite 6 ein.

Wer individuelle Träume wahr werden lassen möchte, sollte sich das Trek Emonda Disc Project One genauer anschauen. Für einen geringen Aufpreis eröffnen die Amerikaner aus Wisconsin viele Möglichkeiten, um den persönlichen Traum in Form einer individuellen Ausstattung und Lackierung zu verwirklichen.


Alle Bikes im Test: 3T Strada | BMC Teammachine SLR 01 Disc Team | Canyon Aeroad CF SLX Disc 9.0 Di2 | Corratec EVO eTap Konfi | Fuji SL 1.1 | Rose X-Lite 6 eTap | Scott Addict RC Ultimate Disc | Specialized S-Works Tarmac 2018 | Speedvagen Road | Standert Triebwerk Mach 3 | Trek Emonda SLR 8 Disc | Wilier Superleggera SL

Dieser Artikel ist aus GRAN FONDO Ausgabe #008

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Text: Manuel Buck, Robin Schmitt, Benjamin Topf Fotos: Noah Haxel